Zur Zurückdrängung der Leibesorganisation durch das intuitive Denken der „Philosophie der Freiheit“ Rudolf Steiners – Teil 4 

 

von Ingo Hagel

  

Wer aufgrund des letzten Artikels zu dieser Angelegenheit vielleicht enttäuscht ist, dass völlig sich widersprechend erscheinende Antworten gegeben werden – 

die aber in sich nicht nur eine Klärung und Erklärung sowie ein Verständnis dieser schwierigen Angelegenheit darstellen, sondern auch eine Grundlage für eine weitergehende Entwicklung von Einem selber –

der sollte sich vergegenwärtigen, dass Rudolf Steiner damals zu dieser Zurückdrängung der Leibesorganisation keine Antwort oder Erläuterung innerhalb der „Philosophie der Freiheit“ auf diese Angelegenheit gegeben hat. Zur Zeit der ersten Veröffentlichung dieses Buches im Jahre 1894 musste Rudolf Steiner das Nichtvorhandensein irgendeiner anthroposophischen Bewegung, auf deren Verständnis er sich vielleicht hätte stützen können, berücksichtigen. Er konnte zur Zeit der Publikation seiner „Philosophie der Freiheit“ über deren wahre, geistige, spirituelle Aspekte nicht offen sprechen oder schreiben, sondern er konnte mit Blick auf verschiedene Angelegenheiten nur einzelne Anregungen und Hinweise geben und warten, ob diese von den Lesern und Zuhörern als solche verstanden werden würden. 

 

Aber auch noch lange Zeit nach der ersten Veröffentlichung seiner „Philosophie der Freiheit“ – 

wollten die Menschen, die ihm zuhörten, ganz andere Dinge von ihm dargestellt bekommen als „merkwürdig verklausulierte erkenntnistheoretische Aspekte“, bei denen man sich im Denken ungeheuer anstrengen muss. Sagte damals Rudolf Steiner:  

Der (wirkliche, das heißt geistige; Anmerkung IH) Mensch kann nur in innerer Aktivität leben. Etwas Geisteswissenschaftliches vorbringen heißt, den Menschen einladen, seelisch mitzuarbeiten. Das wollen die Menschen heute nicht. Alle Geisteswissenschaft muss zu einer solchen inneren Aktivität einladen, das heißt, sie muss alle Betrachtungen bis zu dem Punkte hinführen, wo man keine Anhaltspunkte mehr hat an dem äußerlich-sinnlichen Anschauen und sich das innere Kräftespiel frei bewegen muss. Erst wenn das Denken sich frei im inneren Kräftespiel bewegen kann, kann man zur Imagination kommen, nicht vorher. Die Grundlage für alle anthroposophische Geisteswissenschaft ist also die innere Aktivität, das Aufrufen zu innerer Aktivität, das Appellieren an das im Menschen, was noch tätig sein kann, wenn alle Sinne schweigen, und nur die Denktätigkeit dann in Regsamkeit ist.

Und heute muss man sich wohl die ernste und bittere Frage stellen, ob wir nicht an dem Punkt stehen, an dem nicht nur dieser geistige Aspekt der „Philosophie der Freiheit“ als Grundlage der Anthroposophie verlorenzugehen droht, sondern dass heute überhaupt die Aufnahmefähigkeit für diese Anthroposophie verlorenzugehen droht. 

 

Auch später musste Rudolf Steiner das geistige Fassungsvermögen der Menschen, 

zu denen er sprach, berücksichtigen. Was machte es auch für einen Sinn, völlig unvorbereitete Zuhörer oder Leser mit Lösungen zu Fragen zu konfrontieren, die diese Zuhörer oder Leser damals noch überhaupt nicht im Entferntesten in der Lage waren zu stellen – und die auch sonst an der „Philosophie der Freiheit“ kein Interesse hatten. 

So schrieb Andrej Belyj damals:

Unter den unzähligen, für mich persönlich wichtigen (ich betone: „persönlich“, ohne anderen etwas aufdrängen zu wollen) Leistungen Rudolf Steiners nenne ich nur einige, die einen besonderen großen Einfluss auf mich haben. In dieses erste Kapitel gehört die erstaunliche, bislang noch von keinem erschöpfend verstandene Erkenntnistheorie. In gedrängten, fast kargen Thesen dargestellt und skizzenhaft in einer ganzen Anzahl von Büchern, Artikeln, Anmerkungen zu Goethe und Vorträgen eingestreut, bietet sich genügend Material für ein umfangreiches Werk oder eine Reihe von Werken, die Steiner selbst nicht geschrieben hat – aus Zeitmangel und aus Mangel an Interesse seitens der Anthroposophen; das hat er mir persönlich gesagt. Und sie ist bis heute von keinem seiner Schüler dargestellt worden.   (aus: Verwandeln des Lebens, Erinnerungen an Rudolf Steiner, Zbinden Verlag, Basel, 1977)

Rudolf Steiner musste also erst einmal Grundlagen und Hinführungen zu einem Verständnis schaffen, wie Geisteswissenschaft, wie übersinnliche Erkenntnis und Denken zusammenhängen.

 

So gab Rudolf Steiner in Vorträgen nur immer mal wieder hier und da  

und wo sich die Gelegenheit bot, vereinzelte und weit verstreute Hinweise zu dieser großen Angelegenheit dieser „Philosophie der Freiheit“, und wie diese die Grundlage und Fundierung der gesamten Anthroposophie darstellt – das heißt wie diese „Philosophie der Freiheit“ die Grundlage und Fundierung für sämtliche Inhalte einer übersinnlichen Welt- und Menschenerkenntnis darstellt. Und so sagte er mit Blick auf seine „Philosophie der Freiheit“ eben auch das Folgende (GA 322, S. 51): 

Man weiß, was Geist ist, und man weiß es, indem man den Geist gefunden hat auf dem Wege, den die andere Menschheit auch geht, den sie nur nicht zu Ende geht, der aber für die Bedürfnisse unseres gegenwärtigen Erkenntnis- und sozialen Strebens gegangen werden muss von all denjenigen Menschen, die in der Erkenntnis, die im sozialen Leben irgendwie tätig sein wollen. Das ist das eine, was ich durchblicken ließ durch meine «Philosophie der Freiheit».

 

Auch hier an dieser Stelle könnte man sich selbstverständlich mal wieder fragen, 

wie das denn aussieht, welche Ausbreitung, Wahrnehmungs- und Beleuchtungsfähigkeit mit Blick auf wirklich geistige, also übersinnliche Inhalte – verschiedener Grade – dieser Geist haben könnte –

durch den man also „durchblicken“ könnte durch diese „Philosophie der Freiheit“ –

wenn

man weiß, was Geist ist, und man weiß es, indem man den Geist gefunden hat …

der sich doch ganz offenbar deutlich durch diese „Philosophie der Freiheit“ ankündigt und darstellt – und durch diese auffindbar ist. Könnte es also sein, dass man, wenn man seinen Geist bis zu diesem Punkt –

durch die Realisierung dessen, was die „Philosophie der Freiheit“ an spirituellem „Trainingsmaterial“ bietet, gebracht hat –

man dann – mindestens – auch wahrnimmt, was dieser Geist mit Blick auf die „Zurückdrängung der Leibesorganisation“ an einem bewirkt?  

 

Wer sagt, er würde diese „Zurückdrängung der Leibesorganisation“ nicht spüren, 

der könnte sich natürlich – 

neben vielem Anderen, also nur zum Beispiel – 

fragen, ob das nicht daran liegt, dass er immer noch zu sehr im Toten, Abstrakten, im „Leichnam des lebendigen Denkens“ verhaftet ist, und noch nicht genügend realisiert hat – nur zum Beispiel – was im Zusatz zum elften Kapitel der „Philosophie der Freiheit“ gesagt wird mit Blick auf die Schwierigkeit einer Beobachtung des Denkens:

Die Schwierigkeit, das Denken in seinem Wesen beobachtend zu erfassen, liegt darin, dass dieses Wesen der betrachtenden Seele nur allzu leicht schon entschlüpft ist, wenn diese es in die Richtung ihrer Aufmerksamkeit bringen will. Dann bleibt ihr nur das tote Abstrakte, die Leichname des lebendigen Denkens. …

Das ist nicht als Kritik gesagt, sondern als Aufruf zur Einsicht. –

Denn kann an diesen verschiedenen Charakterisierungen, die Rudolf Steiner zu diesem Thema gibt, immer wieder sehr hilfreiche Winke erhalten, um sein eigenes Seelenschiff neu zu positionieren. – 

In diesem Leichnamartigen des Denkens stecken wir heute Alle drin. Die gesamte sogenannte Kultur besteht aus lauter Denk-Leichnamen. Aber diese Leichname haben natürlich mit einem beobachteten Denken als einem „sich selbst tragenden Wesensweben“ nichts zu tun –

vor allem nicht als Grundlage zur Wahrnehmung einer „Zurückdrängung der Leibesorganisation„. –

Oder man könnte sich fragen, ob man vielleicht immer noch derart in einem alten und lieblosen Denken verhaftet ist, 

das einen nur frösteln lässt und nicht warm macht, wie Rudolf Steiner es in der „Philosophie der Freiheit“ beschreibt:

Das Denken lässt nur allzuleicht in diesem Nacherleben kalt; es scheint das Seelenleben auszutrocknen. Doch dies ist eben nur der stark sich geltend machende Schatten seiner lichtdurchwobenen, warm in die Welterscheinungen untertauchenden Wirklichkeit. Dieses Untertauchen geschieht mit einer in der Denkbetätigung selbst dahinfließenden Kraft, welche Kraft der Liebe in geistiger Art ist.

Natürlich kann man sich nicht mit so vielen dieser wesenlosen und toten Gedanken dieser intellektuellen „Kultur“ verbinden, beziehungsweise nur in aller Kälte –

woran man aber letztendlich selber nur verzweifeln und zugrunde gehen kann. –

Aber mit dem, was die „Philosophie der Freiheit“ sowie die Anthroposophie Rudolf Steiners darstellt, mit dem kann man sich sehr wohl in aller Wärme und Liebe verbinden.

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