von Ingo Hagel
Die taz schrieb zu dem Entschluss eines hochrangigen Vertreters des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums, Sebastian Lange, seine Fähigkeiten und Kontakte lieber in den „Dienst des Miethais“ Deutsche Annington zu stellen. Diese Firma hat zwar einen „denkbar schlechten Ruf“, aber – wir vermuten es – zahlt sicher viel besser als Vater Staat:
Das umstrittene Unternehmen investiert ungern in die Sanierung von Wohnungen und notwenige Reparaturen, gibt aber viel Geld aus für PR. Jetzt hat der größte deutsche Vermieter den studierten Politologen Lange angeheuert; “politische Kommunikation” lautet die Jobbeschreibung. Von seinen Büros in Bochum und Berlin aus soll er Kontakt zu Politikern auf Kommunal- bis Bundesebene suchen.
Orlando Pascheit merkte dazu auf den Nachdenkseiten an:
Natürlich muss man Skandal rufen, nur erfasst mich eine unendliche Müdigkeit und Mutlosigkeit angesichts der zahllosen persönlichen Verquickungen von Politik und Wirtschaft. Nicht nur in Deutschland vermischt sich in einem sich krebsartig ausbreitenden Lebensbereich unserer Gemeinschaft der Eigennutz von Personen, das Profitinteresse von Firmen mit öffentlichen Institutionen zu einem unauflöslichen Amalgam. Wem können wir noch glauben, wenn Politiker das Wort Allgemeinwohl in den Mund nimmt? Und wie plausibel klingen oft ihre Begründungen für den politischen Laien, für den Nichtfachmann in Sachen Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Außenpolitik, Verteidigungspolitik usw. – selbst bei höchst dummen Projekten. ……
Auf dieses von Orlando Pascheit kritisierte Problem der Verfilzung von Politik (Rechtsleben) und Wirtschaftsleben habe ich hier auf Umkreis-Online immer wieder hingewiesen. Leider gehören jedoch die Nachdenkseiten ebenfalls zu den Institutionen, die zwar verdienstvoll Aufklärung betreiben über die „Schweinereien“ (Orlando Pascheit in obigem Artikel) unseres Systems und – neben vielem Anderen – immer wieder auf diese unheilvolle Verbindung hinweisen.
Ich habe es einmal sogar selber Albrecht Müller nach einem Vortrag gesagt, dass ich viel von ihm – und den Nachdenkseiten – gelernt habe.
Sie bekommen jedoch – wie viele andere verdienstvolle Publizisten in diesem Gebiet – nicht den Bogen hin zu dem, was einzig und allein das Heilmittel gegen diese Verbindung darstellt: nämlich die Soziale Dreigliederung.
Hier eine Kurzbeschreibung dazu von Rudolf Steiner selber, ansonsten siehe die vielen Artikel dazu hier auf Umkreis-Online.
Diese vertritt – sehr kurz gesagt – die Trennung von Politik (Rechtsleben) und Wirtschaft sowie die Befreiung des heute (außer im Technischen) unfähigen (wie immer gesagt: es gibt Ausnahmen) Geisteslebens (kulturelles Leben, Kunst, Forschung, Ausbildung, Schulen, Universitäten usw.) aus den Händen des Staates.
Auch die Nachdenkseiten gehören zu denjenigen, die Stein und Bein schwören auf den alles regulierenden Einheitsstaat, jedoch immer wieder davon überrascht werden, dass dieser Staat (Politik) längst gekapert worden ist von der (Finanz-) Wirtschaft. Und der Irrtum liegt eben darin zu glauben, dass es irgendwann mal wieder einen guten Einheitsstaat geben wird, der alle Bereiche des sozialen Lebens (Rechtsleben, geistiges Leben, also Kultur, Ausbildung, Bildung, Wirtschaft, Geldpolitik und so weiter und so fort) in freundlicher, gerechter und kompetenter Weise wieder in sich vereinigen wird. Dafür braucht es dann nur noch die eine gute Partei zu geben. Naja, die muss dann natürlich auch die absolute Mehrheit bekommen. Aber die absolute Mehrheit – und die dazugehörenden Koalitionen – haben wir hier in Deutschland bereits seit 20 Jahren – und die entsprechenden sozialen Folgen, die die Nachdenkseiten unermüdlich kritisieren, ebenfalls. Man muss daher einsehen, dass diese Art der – zum Beispiel von Lobbyisten gesteuerten – „Volksvertretung“ an ihr Ende gekommen und bankrott ist.
Was würde es für die soziale Entwicklung hier in Deutschland bedeutet haben, wenn eine vielgelesene Homepage wie die Nachdenkseiten sich für diese Dreigliederung eingesetzt hätte. In der Tat: Auch angesichts dieser Inkonsequenz
Eine der vielen anderen diesbezüglichen Inkonsequenzen habe ich ja kürzlich hier am Beispiel von dm-Drogeriemarktgründer Götz Werner beschrieben, der lieber (auch noch als Anthroposoph) den Unsinn des Bedingungslosen Grundeinkommens statt der Sozialen Dreigliederung propagiert. Alles verpasste Chancen!
könnte einen „eine unendliche Müdigkeit und Mutlosigkeit“ überkommen,
denn mittlerweile wird der „Crash“ überall vorhergesagt, von Leuten, die diesbezüglich zwar eins und eins zusammenzählen können, jedoch trotz fehlender Verbesserungsvorschläge glauben, nach dem Crash ginge es wie von selbst und ohne neue Ideen wieder aufwärts,
wenn man nicht die feste Gewissheit hätte, dass die Soziale Dreigliederung kommen muss, sei es auch unter Schmerzen und nach Zusammenbrüchen. Rudolf Steiner beschrieb das einmal so:
Diese Dreigliederung ist nichts Erfundenes, diese Dreigliederung ist einfach das, was man beobachten kann, wenn man die tieferen Kräfte in der Menschheitsentwickelung, die gerade heute in Wirksamkeit getreten sind, und die sich in den nächsten zehn, zwanzig, dreißig Jahren verwirklichen werden, mag man auch dies oder jenes oder etwas anderes wollen.
Und wirklich: Wenn man heute die vielen Menschen und Homepages betrachtet, die immer wieder – wie auch die Nachdenkseiten – verdienstvolle Aufklärung über den Niedergang und die faulenden Wunden unseres Systems betreiben, dann muss man sich schon sagen: Tatsächlich hat sich das, was Rudolf Steiner oben beschreibt, ein Stück weit vollzogen: Die Besten der Besten beschreiben – abseits unserer System- und Propagandamedien – die Krankheit so, dass man erstaunt ist, wie nahe dran sie an dem sind, was sich aus dieser Diagnose bei einem gesunden Menschenverstand eigentlich doch wie eine selbstverständliche Therapie entwickeln müsste: Nämlich die Soziale Dreigliederung.
Unter der Oberfläche des gewöhnlichen Alltagsbewusstseins hat sich etwas Merkwürdiges vollzogen. Mit diesem alten gewöhnlichen Bewusstsein oder aus diesem alten gewöhnlichen Bewusstsein heraus kann ganz gut die Beschreibung und Diagnose der sozialen Krankheit und ihrer Missstände durchgeführt werden in dem Sinne, wie ich das oben beschrieb. Aber es muss noch ein weiterer Schritt vollzogen werden, um das, was unter dieser Oberfläche des gewöhnlichen Alltagsbewusstseins wirkt und arbeitet, ins volle Bewusstsein zu bringen, um diesem Bewusstsein die nötige Lebendigkeit und Geschmeidigkeit zu geben, nicht mehr in dem alten Einheitsstaat alter Zeiten – sondern in einem dreigegliederten sozialen Organismus – das Fruchtbare und Moderne sehen zu können.
Sicher: Rudolf Steiners Buch zur Sozialen Dreigliederung: „Die Kernpunkte der sozialen Frage“, ist keine leichte Kost, kein Manual für den „idealistischen angehenden Sozialreformer“, das dieser sich mal schnell reinziehen könnte, um dann verbal etwas herunterperlen zu können, was ihm dann Popularität und gesellschaftliche Stellung verschafft. Es ist aber ein Buch, an dessen anstrengender Erarbeitung das eigene Denken sich aus alten Denkgewohnheiten befreien kann. Es muss eben erst einmal in einem selber etwas überwunden werden, bevor man darangehen kann, etwas in der Welt zu überwinden.
Leichter lesbar – und von Rudolf Steiner als eine Vorbereitung zu obigen „Kernpunkten“ empfohlen, sind seine „Aufsätze über Dreigliederung des sozialen Organismus“.
Bis dahin müssen wir mit diesen Erscheinungen leben, die bei richtig beobachteten Symptomen zwar zur Diagnose dieser „sich krebsartig ausbreitenden“ Krankheit einer Verflechtung von Wirtschaft und Politik kommen, aber (noch) nicht dazu, das einzige wirkliche Heilmittel zu ergreifen.
Würde dieses Heilmittel ergriffen, dann hätten Lobbyisten wie der oben von Orlando Pascheit erwähnte keine Möglichkeit des Wirkens mehr. Sie müssten sich eine andere Arbeit suchen. Denn ein selbständiges und von der Wirtschaft unabhängiges Rechtsleben (Politik) würde diesen Lobbyisten die Türe vor der Nase zuwerfen und sagen: „Sucht Euch mit Euren Anliegen woanders einen Job.“ Es würde als Rechtsleben sich um die Ausgestaltung dieser Rechte kümmern – an die sich dann die Wirtschaft halten müsste. Denn letzteres darf sich niemals in die Gestaltung von Rechten einmischen – so wie es heute laufend geschieht – wenn nicht der soziale Organismus Schaden erleiden soll. Auf der anderen Seite hat sich die Politik nicht in das Wirtschaftsleben hineinzumischen. Wirtschaftsförderung, Subventionen des Staates, Rettung von „notleidenden Banken“ auf dem Rücken der Bürger sowie ein „zu groß, um in den Knast zu wandern“ und so weiter und so fort würde es nicht mehr geben. Aber bis das umfänglich begriffen wird – und die nötigen Konsequenzen gezogen werden – werden diese Bürger noch etwas unter der Knute dieser von Orlando Pascheit kritisierten Verschmelzung des „Profitinteresses von Firmen mit öffentlichen Institutionen zu einem unauflöslichen Amalgam“ keuchen müssen.
Update 4. Februar:
Siehe auch diesen Artikel von den Nachdenkseiten:
Der „Spiegel“ kommt diese Woche mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten auf dem Titel, er nennt ihn einen Geisterfahrer und schreibt, Tsipras sei Europas Albtraum. Dieser Titel ist ein würdiger Kandidat für die Manipulation des Monats.
„Die mangelnde Qualität der führenden Leute in Politik und Medien“ …. Sage ich ja auch immer, vielleicht ein bisschen deutlicher: Dekadenz der führenden Klasse! Der Artikel ist ein weiterer Beleg, dass ich mit den Nachdenkseiten in der Diagnose übereinstimme, weniger allerdings in der Therapie.
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