von Ingo Hagel
Vor kurzem erwähnte Oliver Janich in einem Clip (bei 0:38), dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die noch nichtmals Prozentrechnung können.
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Oliver Janichs Bemerkung veranlasst mich, dazu ein eigenes Erlebnis beizusteuern – sowie einige Ausführungen, die man im Auge haben sollte, wenn man die gegenwärtigen und kommenden gesellschaftlichen Ereignisse wirklich verstehen und zeitlich einordnen will.
Vor ein paar Monaten unterhielt ich mich mit einer Verkäuferin in einem großen Bekleidungs-Warenhaus.
Wir kamen auf alles Mögliche hinsichtlich der Art und Weise der Auszeichnung der Produkte zu sprechen, als sie mir dann schließlich erzählte, dass es vielen Kunden unübersteigbare Schwierigkeiten bereitet zu berechnen, wie viel sie noch bezahlen müssen, wenn ein Produktpreis mit einem 50-prozentigen Rabatt ausgezeichnet ist. Die Kunden kommen dann zu ihr und bitten sie um Hilfe. Ich hielt das zuerst für einen Scherz, aber die Verkäuferin meinte das absolut ernst.
Anmerkung: Natürlich hätte ich das bereits aus der „Nackten Kanone“ wissen müssen. Aber so ist das nun mal im Leben: Wichtigste Angelegenheiten gehen oft unbemerkt an einem vorbei und werden nicht in ihrer notwendigen Tiefe gewürdigt:
Da fragt also (bei 0:32 – 0:45) Lieutenant Frank Drebin seinen Chef, wie es denn seinem Partner Nordberg ginge, der nach einem Einsatz schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Sein Chef meint, es stünde nicht gut um diesen, er hätte eine fifty-fifty Überlebenschance – es könnten aber auch nur 50 Prozent sein:
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Anmerkung: SPON schrieb vor nunmehr fast acht Jahren, dass der Fernsehsender ABC die Vorläuferserie zur „Nackten Kanone“, die Serie „Police Squad“
„schnell wieder aus dem Programm genommen“ hatte, „die Pointendichte überfordere das Publikum.“
Aber auch das gehört zum Thema dieses Artikels (siehe dazu hier). Allerdings muss ich jetzt doch zwei meiner Lieblingsszenen aus der „Nackten Kanone“ verlinken!
Soviel also zum Zustand der Republiken – hüben und vielleicht auch drüben – und zur Verankerung und Anknüpfung des Folgenden. Die Sache hat ihre viel tieferen Perspektiven, als man bei oberflächlicher Betrachtung annehmen könnte. Denn bei einer solchen könnte man –
auch mit Blick auf die mangelnde intellektuelle Fassungskraft beziehungsweise Fähigkeit des Durchschauens der Zeitereignisse –
leicht zu dem pessimistischen Schluss kommen, dass aus dieser ganzen so wichtigen sozialen Frage hier Deutschland, Europa und der Welt niemals sich etwas Positives entwickeln wird, wenn man auf diese sogenannten unfähigen und ungebildeten Menschen bauen wollte, die zum Beispiel noch nicht einmal Prozentrechnung können. Sie können natürlich auch vieles andere nicht, was diese gebildeten bürgerlichen Schichten können – die Rudolf Steiner jedoch auch mit Blick auf die soziale Frage als dekadent bezeichnete (siehe dazu hier und hier auf Umkreis-Online). Etwas ganz anderes ist jedoch mit Blick auf diese Menschen der Fall.
Von dieser „unfähigen“ Schicht der Bevölkerung wird die soziale Zukunft abhängen
Rudolf Steiner ging damals im Jahre 1919 auf die Einschätzungen eines Schriftstellers mit Blick auf „das Volk“ ein:
Nun sehen wir, wie dieser Herr das Volk gewissermaßen definiert: Er rechnet zu diesem Volke neun Zehntel der Menschheit eines Gebietes, das zum Beispiel Deutschland, Österreich, England, Frankreich und so weiter umfasst. Und von diesem Volke sagt er, es sei die Gesamtheit der ungebildeten, unfreien, in weitestem Sinne von Führern abhängigen, eben führerbedürftigen Persönlichkeiten. Dieser Mann definiert also das Volk als die ungebildeten, unselbständigen, abhängigen, in weitestem Sinne führerbedürftigen Menschen. Nun, wenn man die meisten heutigen Persönlichkeiten, die der bürgerlichen oder einer noch höheren Menschenklasse angehören, auf Herz und Nieren, wie man sagt, prüfen würde, so würden sie wahrscheinlich auch, wenn sie sich aussprechen sollten, was sie unter dem Volke verstehen, ungefähr dasselbe antworten: Es ist die breite, ungebildete, unselbständige, abhängige, führerbedürftige Menschheit, neun Zehntel der Gesamtmenschheit. Nur ein Zehntel, müsste man demnach sagen, ist gebildet, ist selbständig, ist unabhängig, bedarf keines Führers. Dazu rechnen sich gewöhnlich diejenigen, die sich ein Urteil zutrauen über das, was eigentlich Volk ist.
Rudolf Steiner versuchte seinen – wohl hauptsächlich bürgerlichen – Zuhörern verständlich zu machen, dass mit solchen Urteilen die sich in Wirklichkeit vollziehenden gesellschaftlichen Prozesse nicht zu verstehen sind:
Schärfere Gedankentätigkeit, das ist es, was wir heute brauchen, um zu wirklichkeitsgemäßen Begriffen zu kommen. Mag bei dem sogenannten Fortgeschrittenen, wie man ihn im Sinne der heutigen Schulweisheit, der heutigen Aufklärung, des heutigen demokratischen Bewußtseins nennt, auch der Gedanke etwas noch so Verlockendes haben:
die Ungebildeten, Unselbständigen, Abhängigen, Führerbedürftigen betragen neun Zehntel des gesamten Volkes –
einen Wirklichkeitswert hat das nicht, und zwar aus folgendem Grunde.
Steiner machte darauf aufmerksam, dass auch der Impuls des Christentums damals nicht von den geistig höchst entwickelten Bevölkerungsschichten (der Griechen und Römer) aufgenommen worden ist, sondern von den sogenannten nördlichen Barbaren, die im Zuge der Völkerwanderung neue Siedlungsgebiete suchten (siehe dazu auch hier). Genauso ist es heute: auch die heutigen
sogenannten führenden Menschen, sie haben schon einen degenerierten Verstand, eine dekadente Intelligenz. In der neun Zehntel betragenden, sogenannten ungebildeten, abhängigen, führerbedürftigen Menschheit ist, wie man sagen könnte, eine Intelligenz noch latent verborgen, die ungeheuer viel empfänglicher ist für den starken geistigen Impuls, der heute aufgenommen werden soll, der ungeheuer viel stärker ist als derjenige, der bei der sogenannten Intelligenz mit der dekadenten Intelligenz zu finden ist.
Nachdem Rudolf Steiner noch einige Anmerkungen zu den „breiten Massen“ machte, die
„nicht geführt, sondern verführt sind durch ihre Führer“
ging er auf das ein, was er bereits hier als eine vertikale Völkerwanderung bezeichnet hatte:
Heute strebt nicht von irgendeinem Orte her, sondern von dem proletarischen Untergrunde der Menschheit strebt herauf eine Völkerwanderung. Das ist das Wichtige. Aber dieser Völkerwanderung muss entgegengekommen werden.
Die Frage ist, mit was denn dieser neuen vertikalen Völkerwanderung des Proletariats (das ja heute im Bürgertum aufgegangen ist) entgegengekommen werden muss. Steiner forderte seine Zuhörer auf, sich folgendes einfach mal hypothetisch vorzustellen:
All das, was gewöhnlich in den Geschichtsbüchern durch die Völkerwanderung bezeichnet wird, all diese Wanderungen der Goten, der Hurinen, der Vandalen, der Sueven und so weiter, später der Mongolen, die gewöhnlich als Völkerwanderung geschildert werden, die hätten sich vollzogen, aber indem sich diese Völkerwanderungen vollzogen hätten in der Richtung von Osten nach Südwesten, wäre ihnen nicht entgegengekommen die Welle des Christentums. Nehmen wir an, diese Welle des Christentums wäre weggeblieben; denken Sie sich, wie anders die Welt geworden wäre! Sie können sich überhaupt die ganze spätere Zeit nur dadurch vorstellen, dass diese barbarischen Stämme herübergezogen sind aus dem Osten nach dem Südwesten und ihnen die christliche Welle entgegengekommen ist. Heute ist die Sache so, dass aus den Tiefen heraufkommt das proletarische Element. Und heute muss diesem proletarischen Element entgegenkommen von oben ein Geistiges, ein geisteswissenschaftliches Ergreifen der sozialen Verhältnisse, der Weltanschauung überhaupt.
Damit ist aber nichts anderes gemeint als das Ergreifen der Sozialen Dreigliederung, die ja, wie Rudolf Steiner ausführte, nichts anderes ist als die in die Form von sozialen Ideen gegossene neue christliche Offenbarung:
Diese Dinge, die heute auch in einer anderen Form durch das Programm der «Dreigliederung des sozialen Organismus» verkündet werden, die sind heute das Christentum, die sind heute in äußerliche Formen gekleidete geistige Offenbarungen.
Man wird sich eben daran gewöhnen müssen, dass heute und in der Zukunft das neue Christentum – auch auf sozialem Gebiet – zuerst einmal in Ideenform zu den Menschen spricht. Wer das aber nicht will, wer also
…. stehenbleiben will bei der römischen Form der Christentumsverbreitung, wer nicht sich finden will durch die Sprache der Geisteswissenschaft zu der Ergreifung der neuen Offenbarung des durch das Mysterium von Golgatha gegangenen Christus, der versäumt das Allerwichtigste, was für die Gegenwart notwendig ist, der versäumt so viel, wie in dem Beginne des Mittelalters versäumt worden wäre, wenn der barbarischen Welle, die vom Osten nach dem Südwesten sich wälzte, nicht die Welle der Christentumsverbreitung entgegengekommen wäre. Auch damals standen zwischen der Welle des Christentums und der Welle der Barbaren alle diejenigen Menschen, die gerade die Gebildeten waren des Griechenreiches und des Römerreiches. Heute stehen zwischen der Welle, die als geistige Welle nach unten entgegendringen soll der nach oben gehenden proletarischen Welle, ja alle diejenigen, die an den alten Begriffen festhalten wollen unter der Führung der sogenannten Intelligenz und namentlich der auf diesem Gebiete ganz unfruchtbaren Wissenschaft.
Natürlich ergeben sich mit Blick auf die Ausführungen Rudolf Steiners heute einige Fragen.
Das Proletariat, von dem Rudolf Steiner damals sprach, gibt es heute nicht mehr.
Ich habe das bereits hier einmal behandelt. Es ist nach dem Zweiten Weltkrieg in der bürgerlichen Schicht aufgegangen – und hat sich sehr oft ein Häuschen gekauft, dazu natürlich ein Auto, eine Waschmaschine, Fernseher und vieles von dem, was zum heutigen Leben dazugehört. Das Proletariat ist mit dem deutschen Wirtschaftswunder in die wohlhabende Klasse des Bürgertums aufgestiegen. Auf der anderen Seite ist das ehemals wohlhabende Bürgertum – inklusive des ehemaligen Proletariats, das eine Weile am bürgerlichen Wohlstand nippen dürfte – heute dabei abzusteigen.
Anmerkung: Damit entsteht ein ganz neues Proletariat – beziehungsweise ein Prekariat zum Beispiel der Niedriglöhner (rund ein Viertel der deutschen Angestellten!) – das sich aus beiden Gruppen speist: noch nicht aufgestiegenes beziehungsweise wieder absteigendes ehemaliges Proletariat (auch der Menschen mit Migrationshintergrund) sowie in die Armut absteigendes einheimisches ehemaliges Bürgertum.
Man kann heute also nicht mehr aus dem äußeren Anschein (Kleidung, Wohlstand, Haus, Auto und so weiter) auf die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer bestimmten Gruppe (Proletariat oder Bürgertum) schließen. Das heißt aber auch, dass diese Aufgabe, von der Rudolf Steiner mit Blick auf die soziale Frage spricht, heute an Kreise übergegangen ist, die man gemessen an ihrem – noch vorhandenen – Wohlstand nicht zum Proletariat zählen würde.
In den Buchläden kann man viele Biografien entdecken von „Proletariern“, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus sehr einfachen beruflichen Verhältnissen in höchste Positionen der Wirtschaft und der Politik hinaufgearbeitet haben. Genutzt hat das für die Bewältigung der sozialen Frage, wie ich sie hier beschreibe, nichts, weil diese Menschen das dekadente Denken des Bürgertums, in das sie aufstiegen, übernommen haben.
Das trifft auch für den Bereich der unabhängigen Medien des Internets zu: Es gibt dort sehr bürgerlich orientierte Homepages und Beiträge sowie ein paar andere, bei denen ich immer wieder das Gefühl habe, dass sie sich aus gesunden geistigen Instinkten heraus auf das zubewegen, worauf ich in diesem Beitrag hinweisen will.
Heute stehen sich also nicht mehr zwei Gesellschaftsklassen gegenüber (besitzloser Arbeiter gegen reichen Unternehmer beziehungsweise Kapitalisten)
Auch wenn das natürlich vielfach so aussieht – beziehungsweise immer schlimmer wird: Gerade eben bürsteten viele Gazetten die Bevölkerung im Zuge der Armutsstudie von Oxfam mal wieder auf Klassenkampf:
Vom kommenden Jahr an wird das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte des weltweiten Wohlstands besitzen.
Wer glaubt, dieser unverschämte einseitige Wohlstand ließe sich einfach durch Umverteilung ausgleichen, der läuft den sozialistischen Rattenfängern dieser Zeit direkt in die Arme. Durch diese materialistische Denkweise wird die soziale Frage nicht gelöst werden. Die Bestrebungen der globalistischen Gehirnvernebler laufen jedoch gerade darauf hinaus, den geistigen Aspekt der sozialen Frage zu verschleiern und deren Impulse an alte Zeiten des gesellschaftlichen Klassenkampfes anzuknüpfen, die jedoch – wie ich oben angeführte – heute keine Berechtigung mehr haben.
Viel angemessener wäre es heute zu sagen, dass sich eine Bevölkerungsgruppe mit einem dekadenten Denken einer anderen Bevölkerungsgruppe gegenübersteht, die die Keime für ein Denken und für eine Weltanschauung der Zukunft in sich trägt:
Rudolf Steiner: „Die Proletarier sind noch nicht dekadent; sie werden noch begreifen, was gemeint ist mit der spirituellen Welt.“
Wobei mit dem „Proletarier“ das gemeint ist, was ich oben erklärt habe.
Aber gemessen an dem Wenigen, was heute an Verständnis für die Soziale Dreigliederung erreicht geschweige denn umgesetzt worden ist, kann man erahnen, dass dieses „Begreifen“ noch eine ganze Weile dauern wird.
Rudolf Steiner machte immer wieder darauf aufmerksam, dass dieses Proletariat leider das dekadente Denken des Bürgertums übernommen hat (und das trifft bis heute zu). Es muss dieses erst überwinden, bevor die soziale Frage gelöst werden kann. Diese wird jedoch nur auf eine geistige Weise gelöst werden – das heißt im Sinne der Sozialen Dreigliederung.
Dazu schrieb ich in einem der letzten Artikel:
Ein Aufwachen wird letztlich nur darin bestehen können, dass dieser korrupte und bankrotte Parlamentarismus reformiert wird in ein eigenständiges, souveränes, das heißt vom Wirtschaftsleben und seinen Lobbyisten unabhängiges Rechtsleben (Politik), das sich sowohl aus den Angelegenheiten des zweiten sozialen Gliedes der Gesellschaft, nämlich der Wirtschaft, als auch aus den kulturell-geistigen Angelegenheiten des dritten Gliedes einer Gesellschaft (Kultur, Ausbildung, Schule, Universitäten und so weiter) vollständig heraushält.
Dem Wirtschaftsleben als eigenständigem und souveränen Glied eines sozialen Lebens wird man die Politik nicht mehr vorschreiben können, mit wem es Handel treiben darf und mit wem nicht. Wirtschaftssanktionen gegen zum Beispiel Russland wird die Politik nicht mehr anordnen können. Auch Rettungen von Banken und Unternehmen, die ruinös gewirtschaftet haben, wird es nicht mehr geben.
Mehr zur Sozialen Dreigliederung siehe zum Beispiel hier und hier und hier auf Umkreis-Online.
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