von Ingo Hagel
Beide, sowohl das Rechtsleben (Politik) als auch das Wirtschaftsleben schaden durch ihre Verfilzung miteinander der Gesellschaft und deren Menschen. Das letzte große Beispiel dazu sind die völlig hirnlosen Sanktionen gegen Russland, die die – am Gängelband der USA sich befindende – deutsche Politik der mit ihr verbundenen deutschen Wirtschaft auferlegt hat.
Natürlich hat die Politik (das Rechtsleben) auch kein Interesse an einer Aufklärung krimineller Machenschaften innerhalb des Wirtschaftslebens, wenn diese Politik an diesem Wirtschaftsleben selber beteiligt ist. Professor Selenz führt dazu einige Fälle an, zum Beispiel VW (Hervorhebung IH):
Dokumente über verdeckte Millionen-Transfers, Aufstellungen über Vorstandskonten sowie detaillierte Unterlagen zu dem berühmt-berüchtigten Konto 1860 übergibt ein VW-Mitarbeiter 2003 dem LKA Hessen und dem BKA in Wiesbaden. Von dort gehen die Unterlagen an die für VW zuständige Staatsanwaltschaft in Braunschweig. Hauptaktionär von VW ist zu diesem Zeitpunkt das Land Niedersachen – also der Staat. Und was machen die Anwälte des Staates mit den brisanten Dokumenten?
„Die Konzernrevision der Volkswagen AG wurde vom Unterzeichner (StA BS) gebeten, als sachverständige Zeugen eine Stellungnahme zu den vom Anzeigeerstatter erhobenen Vorwürfe abzugeben…“
Um sich keine Rüge für allzu korrektes Arbeiten einzufangen, befragt die Staatsanwaltschaft einfach die Beschuldigten selbst. Vielleicht gab es dafür am Ende sogar Rosen…
Professor Selenz fordert angesichts dieser Missstände die Unabhängigkeit und Weisungsungebundenheit der deutschen Staatsanwaltschaft:
Erfunden hat das einst der Kaiser, damit nicht auch noch die Obrigkeit unter der Arbeit einer allzu korrekten Justiz zu leiden hat. Das fanden die Nazis ebenso perfekt wie unsere Nachkriegs-Politiker. Also behielt man es bei: Jeder Staatsanwalt kann von seinem Vorgesetzten im Einzelfall angewiesen werden, Ermittlungen einzustellen…
Ich unterstütze den Wunsch von Professor Selenz nach einem funktionierenden Rechtsleben (Politik) voll und ganz.
Dieser Wunsch wird jedoch nicht dann seine Erfüllung finden, wenn Staatsanwaltschaft und Justiz getrennt werden, sondern nur dann, wenn die Justiz (das Rechtsleben, die Politik) vom Wirtschaftsleben getrennt wird (und zusätzlich müsste als ein drittes Organ ein eigenständiges und souveränes freies Geistesleben treten).
Anmerkung: Weiter müsste noch eine andere Differenzierung eingeführt werden – die Professor Selenz vielleicht mehr empfindungsgemäß im Auge hat, als dass er an sie bewusst denkt. Dazu jedoch weiter unten.
Denn gerade die „absurdesten Situationen“, die Professor Selenz schildert, rühren aus der Verfilzung von Politik und Wirtschaft. Das beschreibt Professor Selenz selber (Hervorhebung IH):
Deutsche Staatsanwälte kommen in die absurdesten Situationen, wenn es um Vorgänge in polit-kontrollierten Firmen geht. Beispiel WestLB: Die WestLB-Tochter Preussag/TUI macht ab 1997 Mrd.- Verluste, zeigt sie aber nicht in der Bilanz. Im November 2000 wird die Staatsanwaltschaft Hannover detailliert informiert. Die reicht die Fakten sofort weiter an die Generalstaatsanwaltschaft Celle. Es geschieht jedoch nichts. ….
Wollte man die Staatsanwaltschaft –
also die Institution, die die Aufklärung eines Verbrechens betreibt und daran beteiligten Personen in Gewahrsam nimmt) –
von Ihrer Leitung (Politik, Justizminister) unabhängig machen, dann wäre das zu vergleichen damit, dass die Abteilungsleiter einer Firma nicht mehr an die Weisungen der Firmenleitung (Unternehmenschef, Vorstand) gebunden wären. Das macht keinen Sinn und das kann natürlich Professor Selenz, der selber jahrelang – in bester und prinzipientreuester Weise – in der Leitung von großen wirtschaftlichen Unternehmungen verantwortlich tätig war, nicht wollen und meinen.
Anmerkung: Über den mutigen und prinzipientreuen Professor Selenz habe ich bereits hier geschrieben (siehe dort auch die Interviews/Clips):
Prof. Hans-Joachim Selenz war Vorstand bei der Preussag AG. Er sollte eine gefälschte Bilanz unterschreiben, der betrügerische Betrag – in Form vorgetäuschter operativer Erträge – beläuft sich auf 2,5 Milliarden DM. Als er dies verweigert, wird er entlassen. Hier berichtet Prof. Selenz von dem Versuch, ihn mit einer Million DM zu bestechen – natürlich steuerfrei nach BAT (= Bar Auf die Tatze). …. Prof. Selenz vermutet, dass er wahrscheinlich der erste Vorstand einer großen DAX Gesellschaft ist, der es abgelehnt hat, eine gefälschte Bianz zu unterschreiben. Die beruflichen Konsequenzen für Selenz waren dramatisch: Er wurde abberufen als Vorstand der Preussag und verlor auch danach noch zweimal seine Position in der Industrie aufgrund von Intrigen. Wie er sagt: „Weil ich die Regeln der Mafia nicht mitgespielt habe.“
Siehe auch diesen Artikel von Professor Selenz auf Umkreis-Online:
Steinbrück, Gabriel und die Transparenz
Selbstverständlich muss eine Strafverfolgungsbehörde innerhalb des Rechtslebens (Politik) die verschiedensten Ober-, Unter-, Abteilungsleiter, Staatsanwälte haben:
Einem Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft eines Landes sind übergeordnet:
– der Staatsanwalt als Gruppenleiter …..
– der Oberstaatsanwalt (als Abteilungsleiter),
– der Leitende Oberstaatsanwalt (als Behördenleiter),
– der Generalstaatsanwalt (Leiter der übergeordneten Behörde),
– der Justizminister oder Justizsenator (Berlin, Bremen und Hamburg) des jeweiligen Landes.
oder, wie es mal in der Süddeutschen zu lesen war: Die Staatsanwälte
sind Justizbeamte, also weisungsgebunden wie jeder Beamte. Diese Gebundenheit ist im Gerichtsverfassungsgesetz von 1879 ausformuliert. Dort heißt es: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“ Der Vorgesetzte des Staatsanwalts ist sein Gruppenleiter, darüber steht der Oberstaatsanwalt, darüber der Leitende Oberstaatsanwalt; der Chef aller Staatsanwälte in seinem Bezirk ist der Generalstaatsanwalt. Der untersteht dem Landesjustizminister.
Und selbstverständlich muss diese Behörde einen obersten Chef haben, der dann nun einmal der Justizminister sein wird, und der gegenüber den verschiedensten Staats- und Oberstaatsanwälten und so weiter weisungsbefugt sein muss. Dass dieser Justizminister seine Weisungen gegenüber den Staatsanwälten im Interesse eines funktionierenden –
und nicht eines korrumpierten –
Rechtslebens und dessen Aufgabe einer Aufklärung von Straftaten –
das heißt im Sinne einer unabhängigen und souveränen Politik ausspricht und nicht im Interesse der mit dieser Politik verfilzten Wirtschaft –
das wird eben davon abhängen, dass Politik und Wirtschaft in souveräne und eigenständige Organisationen beziehungsweise Glieder des gesellschaftlichen Lebens getrennt werden.
Professor Selenz fordert also eigentlich die Soziale Dreigliederung
Professor Selenz, Professor Albrecht, und viele Andere, die diese Aufhebung der Weisungsgebundenheit der deutschen Staatsanwälte gegenüber der Politik fordern, müssen also im Grunde genommen die Soziale Dreigliederung Rudolf Steiners fordern, wenn sie verlangen, dass die Justiz hier in Deutschland wieder ordnungsgemäß funktionieren soll. Das heißt, sie müssen die Trennung von Wirtschaft, Politik (Rechtsleben) und dem kulturellen Leben (freies Geistesleben) – ich habe darüber zum Beispiel hier und hier und hier auf Umkreis-Online geschrieben.
Rudolf Steiner hatte damals erwähnt, dass diese Ideen der Sozialen Dreigliederung nicht etwas persönlich Ausgedachtes sind, sondern das „unbewusste Wollen der europäischen Menschheit ausdrücken.“ Die Forderung von Professor Selenz nach einer Beendigung der Weisungsgebundenheit der deutschen Staatsanwälte entspricht eigentlich der Forderung nach einer funktionierenden Justiz. Und diese Forderung entspricht eben –
gerade aus den von Professor Selenz angeführten Beispielen – mehr davon auf seiner Homepage –
der Forderung nach der Sozialen Dreigliederung, das heißt der Trennung von Wirtschaft und Politik. Damit bestätigt das Anliegen von Professor Selenz das, was Rudolf Steiner als das „unbewusstes Wollen der europäischen Menschheit“ für diese Soziale Dreigliederung beschrieben hat. Die Soziale Dreigliederung vollzieht sich eben, egal was die verschiedenen im Oberstübchen opponierenden Kräfte der sonstigen Schlauköpfe hier in Deutschland dagegen sagen. Und man könnte aus diesen Beispielen lernen, dass viel Unheil von der Welt abgewendet werden könnte, wenn man dieses „unbewusste Wollen der europäischen Menschheit“ nicht nur ein „unbewusstes Wollen“ sein lassen würde, sondern wenn man diese Zeichen der Zeit verstehen würde, und dieses in den Tiefen der Menschen vorhandene Wollen ins helle und klare Bewusstsein heben und – entsprechend handeln würde.
Daneben muss allerdings noch etwas anderes gefordert werden, und damit komme ich auf die oben kurz erwähnte nötige weitere Differenzierung des gesellschaftlichen Organismus zu sprechen.
Gefordert werden muss nämlich – zusätzlich zur Trennung von Politik und Wirtschaft – nicht die Weisungsungebundenheit der Staatsanwälte sondern die Weisungsungebundenheit der Richter gegenüber der Politik – und damit ein freies Geistesleben.
Nun wird es richtig schwierig, denn die Menschen haben ja schon größte Mühe, sich von diesem alles vereinnahmenden Einheitsstaat innerlich zu verabschieden.
Dieser begräbt wie in einem monumentalen Staatsakt diese drei Glieder des gesellschaftlichen Lebens (Politik, Wirtschaft und freies Geistesleben) unter sich – an dessen Leichenbegängnis man sich jedoch seit so langen Jahrhunderten gewöhnt hat, so dass wir die gesamte Zeit, die Phänomene zeigen es deutlich, tatsächlich an einer gar nicht aufhören wollenden Beerdigung teilnehmen – die Leute, die das so schreiben: BRDigung, haben ja nicht unrecht –
Nun soll auch noch die Gerichtsbarkeit, die Justiz, die doch ganz offensichtlich mit dem Rechtsleben zu tun hat, vom Rechtsleben (der Politik) in das freie Geistesleben verlegt werden.
Nun kann man natürlich sagen, zwar sind die Staatsanwälte nicht unabhängig, sind also weisungsgebunden, die Richter jedoch sind es nicht:
Richter sind, so das Grundgesetz, unabhängig; Staatsanwälte sind es nicht.
Aber man bedenke doch: wie soll ein Richter unabhängig sein, wenn er Teil dieses Einheitsstaates ist, von diesem sein Gehalt bekommt, befördert wird (oder auch nicht, oder erst sehr viel später) und so weiter?
Auch ist die Tätigkeit eines Richters nicht zu vergleichen mit der eines Staatsanwaltes beziehungsweise dem, was Rudolf Steiner Sicherheitsdienst (dazu gehören Polizei und Armee) der Gesellschaft nennt. Rudolf Steiner drückte das einmal so aus:
Gewiss, es wird in Zukunft in einem gesunden sozialen Organismus der Verbrecher zum Beispiel zu suchen sein von dem, was sich im zweiten Gliede, im politischen Gliede ergibt. Wenn er aber gesucht ist, dann wird er abgeurteilt von dem Richter, dem er in einem individuellen menschlichen Verhältnis gegenübersteht.
Die Verurteilung eines Straftäters durch einen Richter, hat immer mit einer Beurteilung dessen Straftaten und dessen individueller Menschlichkeit zu tun. Diese Tätigkeit ist im eminentesten Sinne eine geistig kreative Tätigkeit. Der Richter muss sich in die geistige Konstitution des zu Verurteilen, zu Beurteilen, hineinversetzen – und auch in sein Schicksal, nicht nur das vergangene, sondern auch in dessen mögliches zukünftiges Schicksal. Das geht nicht immer nach dem Schema F (Strafgesetzbuch). Und ich denke, viele Richter werden mir zustimmen, welche Erleichterung, ja Erlösung es wäre, nicht immer nach diesem Schema F urteilen zu müssen, sondern nach ihrem gesunden Menschenverstand.
Also nicht nur Wirtschaft, Politik und das kulturelle, geistige Leben einer Gesellschaft müssen getrennt werden, sondern die richterliche Tätigkeit muss in den Bereich dieses freien Geisteslebens verlegt werden. Noch einmal Rudolf Steiner dazu:
Dann gibt es ein drittes Gebiet, das ist das Gebiet des geistigen Lebens. Zu dem rechne ich alles Religionstreiben, das gar nichts zu tun haben darf mit demjenigen, was Sicherheitsdienst ist (d.h. Polizei und Armee, die in den Bereich der Politik (des Rechtslebens) gehören; Anmerkung IH) und wirtschaftliches Leben; dazu rechne ich allen Unterricht, dazu rechne ich alle übrige freie Geistigkeit, allen wissenschaftlichen Betrieb, und dazu rechne ich auch alle Jurisprudenz. Ohne dass die Jurisprudenz dazu gerechnet wird, ist alles übrige falsch. Sie kommen sogleich zu einer widersinnigen Dreigliederung, wenn Sie nicht so gliedern: Sicherheitsdienst nach dem Prinzip der Gleichheit, wirtschaftliches Leben nach dem Prinzip der Brüderlichkeit, die Gebiete, die ich eben aufgezählt habe: Jurisprudenz, Unterrichtswesen, freies geistiges Leben, religiöses Leben, unter dem Gesichtspunkte der Freiheit, der absoluten Freiheit.
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