von Ingo Hagel
Der Verdächtige und die diversen Tatortkommissare schauen sich die Sache genau an. Da ist also der der Tat verdächtige Softwareentwickler. Quälendlang starrt er auf die Videoaufnahme, in der diese Frau von ihrem Geschlechtspartner eine Plastiktüte über den Kopf gezogen bekommt und beim Verkehr gewürgt wird (bei 2:00).
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He, was ist das denn für ein perverses Zeug? Snuff-Videos? Der Kommissar (ernst): „Ja, Snuff-Videos.“ Kriegt man das im Supermarkt? Nein, das kriegt man nur auf diversen Tauschbörsen im Darknet. Ok, jetzt hab ich‘s. Und dass ich da natürlich nicht mit meiner normalen IP-Adresse reingehe, sondern anonymisiert über „overlaying Netzwerktechniken, meistens TOR“, das erfahre ich dann auch gleich im Tatort. Wieder was dazugelernt. Ich wusste es doch: Fernsehen bildet!
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Die Frau wird später tot aufgefunden. Der Softwareentwickler ist, wie sich schließlich herausstellt, unschuldig. Aber warum sagt er dann nicht nach zwei Sekunden des Anschauens von diesem Mist: „Was soll das? Warum muss ich mir das angucken? Nehmt das weg! Macht das aus!“ Na klar! Dann hätte der Fernsehzuschauer nicht die Gelegenheit, sich zu „informieren“. Unser Tatverdächtiger hockt also – alles nur für uns – ziemlich apathisch da und guckt und guckt und tut so, als ob er morgens einen etwas zu großen Schluck aus der Tranquilizer-Pulle genommen hätte. Der Zuschauer muss sich ebenfalls diesen Schrott angucken – und die nachfolgende wirre Geschichte ebenfalls – wenn er nicht rechtzeitig den Weg zum Stromunterbrecher seines Multimediagerätes findet. – Na, das war mal wieder ein feiner Fernsehabend.
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Update
Es werden alle Register gezogen, alle Klischees bedient und die schwarz-weiß-Malerei übertüncht, wie so oft, die Realität. Aufgeklärte und zu Empathie fähige Rezipienten reagieren auf diese Produktionen zunehmend mit Verstörung, insbesondere dann, wenn die fiktionale Beeinflussung der öffentlichen Meinung dem Faktencheck nicht standhält.
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