von Ingo Hagel
Da steht zu Beginn des vierten Kapitels von Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ – rekapitulierend und vorausschauend:
Durch das Denken entstehen Begriffe und Ideen. Was ein Begriff ist, kann nicht mit Worten gesagt werden. Worte können nur den Menschen darauf aufmerksam machen, daß er Begriffe habe.
Diese Inhalte einleitend hier in einem Kapitel der „Philosophie der Freiheit“ mit der Überschrift:
Die Welt als Wahrnehmung.
Ist das nicht doch etwas unangebracht? Immerhin ist das Buch doch voller Worte aus schwarzen Druckbuchstaben. Nein! Denn seit dem dritten Kapitel sowie dessen Zusatz zur Neuausgabe 1918 könnte klar sein, dass es sich in der „Philosophie der Freiheit“ eigentlich überhaupt nur um das Denken als Beobachtung, also als Wahrnehmung handelt. Zur
Welt als Wahrnehmung
gehört das beobachtete Denken dazu. –
Vielleicht ersteinmal „nur“ als Wahrnehmung der Gedanken der „Philosophie der Freiheit“, die aber immer in dieser neuen Realität etwas Übersinnliches sind. – Wollen wir also mal in diesem Sinne sehen, das heißt wahrnehmen, was daraus sonst noch Alles werden kann. –
Es ist erstaunlich und bemerkenswert, dass Rudolf Steiner dieses Kapitel mit diesem Namen:
Die Welt als Wahrnehmung
bei dem es also um die Wahrnehmung geht, mit diesen Sätzen zum Denken, zu Begriffen und Ideen anfängt:
Durch das Denken entstehen Begriffe und Ideen. Was ein Begriff ist, kann nicht mit Worten gesagt werden. Worte können nur den Menschen darauf aufmerksam machen, daß er Begriffe habe. –
Diese Worte könnten als die Zweitüberschrift aufgefasst werden, das heißt als das Erlebnis- und Einstimmungs-Motto dieses Welt-Wahrnehmungs-Kapitels:
Die Welt als Wahrnehmung.
Und was diese Worte ausdrücken und worauf sie hinweisen, das ist die Erkenntnis-Grundlage für dieses Kapitel. Diese wortlosen Begriffe liegen daher all dem zugrunde, was bereits im dritten Kapitel, aber eben auch hier im vierten Kapitel und natürlich auch in allen weiteren Kapiteln dieser „Philosophie der Freiheit“ behandelt wurde und wird.
Man beachte diesbezüglich besonders das fünfte Kapitel der „Philosophie der Freiheit“ mit dem Titel:
Das Erkennen der Welt
Was für einen Sinn hat ein naives Wahrnehmen der Welt ohne ein Denken als Wahrnehmung? Keinen, denn das gewöhnliche Denken entlang der Sinneswelt ist nur ein im Kopf gedachtes totes Bild von Etwas, keine Wirklichkeit! Erst das beobachtete Denken hat die Qualität und Substanzialität, von der aus sich die Wirklichkeit ergibt, und von der aus man mit Berechtigung auch in weitere Gebiete der Wirklichkeit vorstoßen kann. –
Auf dem Gebiet des beobachteten, das heißt sinnlichkeitsfreien Denkens hat der naive Wahrnehmungsrealismus allerdings seine Berechtigung. Siehe dazu Rudolf Steiners Zusatz zum fünften Kapitel der „Philosophie der Freiheit“ (GA 4, S. 103):
Dem Denken gegenüber kann der Mensch auf dem naiven Wirklichkeitsstandpunkt verbleiben. …
„Durch das Denken entstehen Begriffe und Ideen. …„
Dieser Satz ist erstmal eine Wiederholung des vorhergehenden, dritten Kapitels, beziehungsweise er knüpft daran an, und wir können uns an die verschiedensten dort geschilderten Aspekte denkend erinnern. Also – nur zum Beispiel – daran, dass man durch das bloße Anstarren eines Pferdes nicht den Begriff desselben erfassen kann (drittes Kapitel, S. 39):
So wenig wir durch das bloße Anstarren eines Pferdes uns einen Begriff von demselben machen können, ebensowenig sind wir imstande, durch bloßes Denken einen entsprechenden Gegenstand hervorzubringen.
Aber bereits mit dem zweiten Satz in diesem vierten Kapitel
… Was ein Begriff ist, kann nicht mit Worten gesagt werden …
werden wir auf die spirituelle, lebendige Perspektive eines – und zwar eigentlich wortlosen – Pferde-Begriffes verwiesen –
nur zum Beispiel – denn da wird im vierten Kapitel gleich auch noch auf den Begriff des Baumes hingewiesen, der dann natürlich auch in Wirklichkeit wortlos ist. –
Rudolf Steiner verweist den Leser mit Pferd, Baum und so weiter also auf eine wortlose Begriffswelt, die sich permanent in diesem im gewöhnlichen Leben und gewöhnlichen Bewusstsein abspielt.
Das Alles ist in der „Philosophie der Freiheit“ in schwarze, griffige
und fest umrissene Druckbuchstaben gekleidet, die wir uns also erst einmal verflüssigen und verlebendigen müssen. Denn wenn gesprochene Worte nicht sagen können, was ein Begriff ist, dann können gedruckte Worte noch viel weniger die wortlosen Realität der Begriffe darstellen. Aber weisen kann man:
Worte können nur den Menschen darauf aufmerksam machen, daß er Begriffe habe.
Nirgendwo in der „Philosophie der Freiheit“ ist eine Aufforderung zu finden,
dieses Denken in Worten zu überwinden – oder Anleitung, auf irgendetwas Anderes, Wortloses überzugehen –
abgesehen selbstverständlich von der „Philosophie der Freiheit“ selber. –
Es liegt also im Auffassen und Erleben des einzelnen Studierenden dieser „Philosophie der Freiheit“, ob und wie weit er mit diesem zarten Hinweis etwas anfangen kann. Aus diesem „etwas“ wird sich dann das Weitere ergeben. Damit ist man dann allerdings dabei, das gewöhnliche Bewusstsein, in dem sich die „Philosophie der Freiheit“ abspielt, zu überschreiten. Die „Philosophie der Freiheit“ fordert die Entwicklung dieses wortlosen Denkens nicht, noch behandelt sie diese näher. Aber sie weist darauf hin, dass da aus dem gewöhnlichen Bewusstsein heraus sich noch ganz andere Denkdimensionen andeuten. Sie ergeben sich einfach aus dem sachgemäßen Beobachten des Denkens, dem Denk-Thema und Titel –
nicht nur des dritten Kapitels: Das Denken im Dienste der Weltauffassung –
und in Gemäßheit eines zunehmenden Verständnisses dieses Buches.
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