Warum ist die „Philosophie der Freiheit“ Wirklichkeitsphilosophie?

 

von Ingo Hagel

 

In einem vorhergehenden Artikel habe ich bereits darauf hingewiesen, dass Rudolf Steiners „Philosophie der Freiheit“ Wirklichkeitsphilosophie ist. Um diese nicht so ganz einfache Angelegenheit vielleicht etwas verständlicher werden zu lassen, kann man – nur zum Beispiel – diesen dritten Vortrag in der GA 74 noch einmal aufrollen. Ich verkürze das alles hier allerdings fürchterlich und greife einfach zur Behandlung dieser Frage nach der Wirklichkeitsphilosophie einige mir besonders wichtig erscheinende Aspekte heraus – sozusagen als Gerüst, das zur Beantwortung dieser Frage hinleitet. Wer das ausführlicher und viel besser beschrieben lesen will, muss es dann eben in dieser GA 74 nachlesen. Oder in der „Philosophie der Freiheit“ selber. –

Siehe dazu auch hier auf Umkreis-Online. 

 

Es geht also um „die ringenden Scholastiker“ (GA 74 S. 73). 

Es geht um die Entwicklung der sich aus alten Zuständen der geistigen Entwicklung der Menschheit herausringenden Individualität, die aber 

zunächst nicht mehr als solche imstande war, das Erkenntnisleben hinaufzutragen bis zu wirklichem, konkretem Geistinhalt, wie er noch heraufleuchtete im Laufe der Zeit aus dem, was übriggeblieben war von dem Neuplatonismus, was übriggeblieben war von dem Areopagiten und von Scotus Erigena. 

Es geht um (S. 74)

dasjenige, was dazumal als das größte Problem aufging, das Verhältnis des Menschen zur sinnlichen und geistigen Wirklichkeit 

Es geht auch darum,

wie gewissermaßen das Problem zu groß wird selbst für alles das, was an wunderbarer, intensiver Denktechnik zurückgeblieben war aus den Zeiten der eigentlichen Meisterschaft in der Denktechnik, aus den Zeiten der Scholastik. 

Es geht weiter darum (S. 75), dass

der menschliche Verstand etwas Abstraktes geworden ist, etwas, das ihm nicht mehr die geistige Welt repräsentierte, sondern was ihm nur aus der Überlegung gewonnen erschien, aus der sinnlichen Wahrnehmung. 

 

Selbst überragende Geister des 14. Jahrhunderts kehren deshalb nach einer kurzen Periode 

des geistigen Realismus der Hochscholastik wieder zum Nominalismus zurück. Man 

konnte sich nicht mehr vorstellen, daß nur in den Universalien, in den Ideen das gegeben sei, was nun eine Realität ergäbe. 

Eine Realität ergäbe„! – Das heißt: Eine Wirklichkeit ergäbe. Und

nur in den Universalien, in den Ideen

ist das gegeben. Rudolf Steiner wiederholt das noch einmal –

es war ihm also sehr wichtig – und es ist wichtig, und man sollte sich das immer wieder von Neuem klarmachen –

im dritten Vortrag mit Blick auf den Scholastiker Wilhelm von Ockham, der sich nicht mehr vorstellen konnte, 

daß nur in den Universalien, in den Ideen das gegeben sei, was nun eine Realität ergäbe. Er verfiel wiederum in den Nominalismus …  (GA 74, S. 75)

 

Im Grunde genommen wurde dieser sich damals bereits seit längerem entwickelnde Nominalismus, 

das heißt die Auffassung (S. 76), dass nicht mehr 

nur in den Universalien, in den Ideen das gegeben sei, was nun eine Realität ergäbe

sondern dass nur noch in den Sinnesanschauungen, den Wahrnehmungen, den Objekten der Sinneswelt eine Realität läge

nur unterbrochen durch die intensive Gedankenarbeit des Albertus Magnus und Thomas von Aquino und einiger anderer, und gleich fällt die europäische Menschheit wiederum zurück in den Nominalismus, in jenen Nominalismus, der im Grunde genommen ist die Unfähigkeit der sich immer mehr und mehr heraufringenden Individualität des Menschen, das, was er im Geiste als Ideen gegenwärtig hat, zu fassen als eine geistige Realität, es so zu fassen, daß es etwas ist, was lebt in dem Menschen und lebt in einer gewissen Weise auch in den Dingen. Die Ideen werden von Realitäten sogleich wiederum zu Namen, zu bloßen leeren Abstraktionen. 

 

Die menschliche Individualität entwickelt sich also immer stärker, 

ist aber viel zu sehr hinorientiert auf die Sinneswelt, um noch 

das, was er im Geiste als Ideen gegenwärtig hat, zu fassen als eine geistige Realität. 

Diese entgleitet ihr. 

Die große Frage muß immer wieder auftreten: Wie vermitteln uns die Ideen die Wirklichkeit? Aber es ist im Grunde genommen kaum eine Möglichkeit für eine Antwort da, wenn einem die Ideen bloß (nominalistisch; Anmerkung IH) als realitätslose Namen erscheinen. 

Dieser ganze dritte Vortrag in dieser GA 74 ist als eine Antwort zu diesem großen Problem aufzufassen, indem er zu der „Philosophie der Freiheit“ hinführt und diese als eine wirkliche Wirklichkeitsphilosophie darstellt – während alle anderen Philosophien, die versuchten die „Wirklichkeit“ zu behandeln, keine Lösung zu diesem Problem darstellen, sondern in unendlichen Pirouetten und Spitzfindigkeiten nur immer wieder das Problem der eigenen Ohnmacht darstellen, es vertiefen und sich immer weiter darin verrennen.    

 

Allerdings hat oben erwähntes unscheinbare Nebensätzelchen – 

also dass man sich nicht mehr vorstellen konnte:

daß nur in den Universalien, in den Ideen das gegeben sei, was nun eine Realität ergäbe

eigentlich die Sprengkraft, das Potenzial, das gesamte Problem des bis heute immer weiter im Materialismus versinkenden Abendlandes – 

welches nur die Sinneswelt gelten lassen will und nur in ihr etwas sehen kann – 

zu lösen. Ebenso wie die anderen Nebensätzelchen. Man könnte also im Grunde genommen nach der Kenntnisnahme dieser Nebensätzelchen aufhören zu schreiben, sich die Nägel abzukauen und das Gehirn zu verknoten, man könnte befreit und erleichtert aufatmen, weil doch nun alles klar ist – wenn nicht gleichzeitig die Frage entstünde: Ja, schön! Es sind die Ideen, die eine Realität ergeben. Aber wie mache ich das denn, Ideen als eine Realität anzusehen? Wie mache ich das denn, das, was der Mensch 

im Geiste als Ideen gegenwärtig hat, zu fassen als eine geistige Realität?

Wie mache ich das denn, dass mir nicht mehr

die Ideen bloß als realitätslose Namen erscheinen?

Und dann auch noch: „nur“! 

daß nur in den Universalien, in den Ideen das gegeben sei, was nun eine Realität ergäbe.

 

An der Darstellung, Erklärung, Erläuterung dieser Angelegenheit 

hat Rudolf Steiner sein ganzes Leben lang gearbeitet, indem er immer wieder von den verschiedensten Perspektiven aus Hilfestellungen zu deren Verständnis gab. – 

Was zeigt, dass diese Frage eine große ist, dass die Beantwortung dieser Frage sowie der Frage, warum die „Philosophie der Freiheit“ Wirklichkeitsphilosophie ist, nicht so einfach – 

weder für sich zu lösen noch Anderen –

zu vermitteln ist – was wiederum zeigt, das es mit der natürlichen Empfänglichkeit der Menschheit für diese Dinge nicht so unbedingt zum Besten bestellt ist. Wir werden also an dieser Sache wohl noch eine ganze Weile weiter dranbleiben müssen. – 

 

Die Schwierigkeit des zu Vermittelnden liegt auch darin begründet, 

dass der Antwortgeber auf etwas verweisen muss, was für den, der aus seinem alten, nominalistischen, materialistischen Bewusstsein heraus – 

das nur die Dinge der Sinneswelt als Realitäten kennt –

eine Antwort sucht, nicht vorhanden ist. Und dass der, der eine Antwort sucht, in dieser eine ebensolche überhaupt sehen kann, das muss sich erst entwickeln. Und es entwickelt sich dadurch, dass man sich durch die Beschäftigung mit diesen Antworten ein Wahrnehmungsorgan für den Inhalt derselben erarbeitet. 

Will man erklären, wie Ideen, die in der heutigen Zeit nur abstrakt und tot aufgefasst werden, in ihrer lebendigen geistigen Realität aufzufassen sind, dann ist man gezwungen, auf Etwas deuten zu müssen, was für den Anderen, der sich erst zu dieser lebendigen Realität hinentwickeln muss – wenn er will – erst entstehen muss. Die Auffassungsmöglichkeit des Bewusstseins, des Geistes – 

wie man so schön sagt, aber es ist ja in diesen modernen Bewusstseinen kein wirklicher Geist drin – der muss ja erst noch hineinkommen – 

sind heute eben so derart beschränkt, dass noch nicht einmal wirkliche Antworten als solche aufgefasst und erkannt werden können. –

Wir werden also auch aus diesem Grund – sowie natürlich auch aus verschiedenen anderen Gründen – an dieser Sache wohl noch eine ganze Weile weiter dranbleiben müssen. –

Das Alles beleuchtet auch, warum viele Leute, die sich aus den huschigen Vorstellungsgewohnheiten der heutigen sogenannten modernen Zeit nach schnellen und leichten Antworten suchen, aber sich nicht innerlich vom Fleck bewegen, das heißt geistig sich weiterentwickeln wollen, von dem, was die Anthroposophie bietet, oft so enttäuscht sind – beziehungsweise nicht wissen, was sie eigentlich damit anfangen sollen. 

 

Um aber hier in diesem Artikel noch einen weiteren Grund – 

es gibt ja noch sehr viele andere Gründe – 

warum die „Philosophie der Freiheit“ Wirklichkeitsphilosophie ist, zu behandeln, gehen wir noch einmal zu diesem dritten Vortrag in dieser GA 74 zurück, in dessen weiterem Verlauf Rudolf Steiner seine philosophische Auseinandersetzung mit dem Nominalismus und dem daraus folgenden Kantianismus schildert GA 74 (S. 96):

Diese Auseinandersetzung mit dem Kantianismus habe ich versucht zuerst in meiner kleinen Schrift «Wahrheit und Wissenschaft» (GA 3; Anm. IH) schon vor Jahren, in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts in meiner kleinen Schrift «Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung» (GA 2; Anm. IH) und dann wiederum in meiner «Philosophie der Freiheit» (GA 4; Anm. IH). Nur ganz kurz und ohne Berücksichtigung dessen, daß die Dinge ja, wenn man sie kurz darstellt, scheinbar schwer sind, möchte ich den Grundgedanken, der in diesen Büchern lebt, einmal vor Sie hinstellen. 

Diese Bücher gehen aus davon, daß allerdings in der Welt der Wahrnehmung, die um uns herum sich ausbreitet, nicht unmittelbar die Wahrheit gefunden werden kann. Man sieht in einer gewissen Weise, wie in der menschlichen Seele sich festlegt der Nominalismus, wie er die falsche Konsequenz des Kantianismus annehmen kann, aber wie Kant durchaus nicht sah das, womit einmal Ernst gemacht wurde in diesen Büchern, Das ist, daß eine Betrachtung der Wahrnehmungswelt selbst, wenn sie ganz sachlich und gründlich angestellt wird, zu der Erkenntnis führt: Diese Wahrnehmungswelt ist nicht etwas Ganzes, diese Wahrnehmungswelt stellt sich dar als etwas, das wir verwirklichen. 

Wodurch entstand denn eigentlich die Schwierigkeit des Nominalismus? Wodurch entstand der ganze Kantianismus? Dadurch, dass die Wahrnehmungswelt genommen wird, dann beobachtet man die Wahrnehmungswelt und breitet über sie durch das Seelenleben die Ideenwelt aus. Nun hat man die Anschauung, als ob diese Ideenwelt die äußeren Wahrnehmungen abbilden sollte. Aber die Ideenwelt ist im Innern. Was hat diese im Innern des Menschen befindliche Ideenwelt mit dem, was da draußen ist, zu tun? Diese Frage konnte Kant nicht anders beantworten als dadurch, daß er sagte: Also stülpen wir eben über die Wahrnehmungswelt die Ideenwelt drüber, machen wir die Wahrheit. – So ist die Sache nicht. Die Sache ist so, daß, wenn wir die Wahrnehmung unbefangen betrachten, sie ein Nichtfertiges ist, überall ein Nicht-in-sich-Abgeschlossenes.  Das versuchte ich streng zu beweisen zunächst in meinem Buche «Wahrheit und Wissenschaft», dann in meinem Buche «Philosophie der Freiheit». Die Wahrnehmung ist überall so, daß sie als ein Nicht-Abgeschlossenes erscheint. Indem wir uns hereingestellt haben in die Welt, indem wir hereingeboren sind in die Welt, spalten wir die Welt. Die Sache ist so, daß wir den Weltinhalt gewissermaßen hier haben (es wurde gezeichnet). Indem wir uns als Mensch hineinstellen in die Welt, spalten wir rechts den Weltinhalt in die Wahrnehmung, die uns von außen erscheint, und in die Ideenwelt, die uns im Innern der Seele erscheint. Dadurch, daß wir in der Welt sind, spaltet sich für uns die Welt in eine Wahrnehmungswelt und in eine Ideenwelt. Wer diese Spaltung für eine absolute ansieht, wer einfach sagt: Da ist die Welt, da bin ich —, der kann gar nicht hinüber mit seiner Ideenwelt in die Wahrnehmungswelt. Aber die Sache ist so: Ich schaue mir die Wahrnehmungswelt an; die ist in sich überall nicht fertig, der fehlt überall etwas. Ich selber bin aber mit meinem ganzen Sein aus der Welt, der auch die Wahrnehmungswelt angehört, herausgestiegen. Da schaue ich in mich selber hinein: was ich durch mich selber erblicke, das ist gerade das, was der Wahrnehmungswelt fehlt. Ich muß das, was, indem das Ich in die Welt hineingetreten ist, sich in zwei Glieder auseinandergelegt hat, durch mein eigenes Dasein vereinigen. Ich erarbeite die Wirklichkeit. Dadurch, daß ich geboren bin, erzeugt sich der Schein, indem sich das, was eins ist, in zwei gliedert, in Wahrnehmung und Ideenwelt. Dadurch, daß ich lebe, daß ich werde, daß ich mich entwickle, bringe ich die zwei Strömungen der Wirklichkeit zusammen. Ich in meinem Erkenntniserleben arbeite mich in die Wirklichkeit hinein. Ich würde niemals zu einem Bewusstsein gekommen sein, wenn ich mir nicht abgespalten hätte durch mein Hereingehen in die Welt die Ideenwelt von der äußerlichen Wahrnehmungswelt. Aber ich würde niemals die Brücke zur Welt finden, wenn ich dasjenige, was ich mir abgespalten habe, die Ideenwelt, nicht wiederum in Vereinigung brächte mit dem, was ohne diese Ideenwelt eben keine Wirklichkeit ist. 

 

Nun könnte man allerdings – das Obige grotesk verkürzend – ausrufen: 

Was? Und das soll nun die Antwort und der Grund sein, warum die „Philosophie der Freiheit“ Wirklichkeitsphilosophie ist? Bloß weil ich nun weiß, dass ich zu der Wahrnehmung Begriffe und Ideen hinzufügen muss – was ich doch sowieso den ganzen lieben langen Tag mache! – dadurch, dass ich auf diese Weise „zwei Strömungen der Wirklichkeit“ zusammenbringe, soll nun die „Philosophie der Freiheit“ Wirklichkeitsphilosophie sein? 

Natürlich nicht. Denn die „Philosophie der Freiheit“ ist nicht dadurch Wirklichkeitsphilosophie, dass man Etwas weiß, sondern dass man Etwas in der richtigen Weise zu tun weiß. Und dazu gehört zum Beispiel auch, dass man dieses durch die Kantsche Philosophie aufgeworfene Problem des unerreichbaren „Dings an sich“ an sich selber in der richtigen Weise an sich selber zu erleben und anzuschauen weiß – und dadurch erst langsam und allmählich zu einer Überwindung dieser völlig schrägen, bizarren, unrealen, nicht wirklichkeitsgemäßen – 

aber weitest verbreiteten und die menschlichen Gesellschaften von innen heraus zerstörenden – 

Weltanschauung kommt. 

 

War man denn nicht selber auch – wie der Philosoph Kant – immer davon überzeugt, 

dass da draußen das „Ding an sich“ ist, die Welt, und hier bin ich, und ich füge subjektiv und –

durch Erziehung, Schule, Ausbildung, Universitäten und sogenanntes modernes Leben –

konventionell-angelernt irgendwelche nominalistischen Begriffs- und Infozettelchen an diese Dinge an? So dass das, was als Begriffe und Ideen im menschlichen Bewusstsein auftaucht – 

eigentlich nur etwas ist, was im menschlichen Geiste, ich möchte sagen, um der bequemen Zusammenfassung des Daseins willen lebt als Name, als Worte. (GA 74 S. 76)

 

Man wird sich immer wieder mit dieser GA 74 zur Philosophie des Thomas von Aquin, 

man wird sich immer wieder mit diesen Vorträgen zur „Philosophie der Freiheit“ als Wirklichkeitsphilosophie, auch mit der „Philosophie der Freiheit“ selber, und so weiter und so fort beschäftigen müssen, bis man –

ganz langsam und allmählich und nach einem ereignisreichen Leben, in dem vielleicht wirklich etwas passiert und geschehen ist, und das nicht einfach nur vergangen ist – 

zu dem Erlebnis kommt, welchem grandiosen Irrtum man da so lange in seinem Leben aufgesessen ist. Aber nur dieses Erlebnis führt zu der realen Überwindung dieser kantschen Philosophie. Das ist dann nicht mehr nur eine abstrakte Überzeugung im Kopf, sondern das ist dann Erfahrung, Selbstanschauung, Selbsterkenntnis und – vielleicht – Selbstüberwindung geworden. Und Anthroposophie und die „Philosophie der Freiheit“ möchten nicht zu fanatischen, dogmatischen Überzeugungen führen – bloß weil man Irgendwas gelesen hat – sondern zu inneren Erlebnissen, Erfahrungen und Anschauungen – also: Verwandlungen.   

 

Es ist eben eine durch und durch verdorbene bloße Meinung, die nichts mit der Realität zu tun hat, zu glauben, 

die Welt und der erkennende Mensch seien zwei ganz verschiedene Dinge ohne irgendeinen Bezug zueinander, so als ob sie aus völlig unterschiedlichen Weltenrichtungen kämen, die gar nichts miteinander zu tun hätten. Diese Art von Gegenüberstellung von Mensch und Welt, die dem ganzen kantschen philosophischen Konstrukt zugrunde liegt, die existiert eben überhaupt nicht. Aber was passiert, ist eben Folgendes:   

Indem wir uns hereingestellt haben in die Welt, indem wir hereingeboren sind in die Welt, spalten wir die Welt.

Dem Menschen fließen dadurch von zwei Seiten her die Wirklichkeitselemente zu: von der Seite der Wahrnehmung und von der Seite der Erkenntnis, der Begriffe, der Ideen.

 

Und diese Spaltung der Welt, die sich vollzieht, indem wir als wahrnehmende und erkennende Wesen 

aus einer geistigen Welt in diese Sinneswelt hineingeboren werden, und sie dadurch für uns auseinanderfällt in die Dualität von Wahrnehmung und Begriff, diese Spaltung wird im Erkenntnisprozess wieder aufgehoben dadurch, dass man sich aus diesem bedrückenden Erleben einer entweder naiven oder unrealen Nur-Wahrnehmungswelt durch das aktive Hinzufügen von Begriffen und Ideen befreit:

Ich muß das, was, indem das Ich in die Welt hineingetreten ist, sich in zwei Glieder auseinandergelegt hat, durch mein eigenes Dasein vereinigen. Ich erarbeite die Wirklichkeit. Dadurch, daß ich geboren bin, erzeugt sich der Schein, indem sich das, was eins ist, in zwei gliedert, in Wahrnehmung und Ideenwelt. Dadurch, daß ich lebe, daß ich werde, daß ich mich entwickle, bringe ich die zwei Strömungen der Wirklichkeit zusammen. Ich in meinem Erkenntniserleben arbeite mich in die Wirklichkeit hinein.

 

Des öfteren habe ich ja darauf hingewiesen, dass die Menschen glauben, 

dass sie das doch den ganzen Tag lang machen: Wahrnehmung und Begriff zusammenzubringen. Aber wenn das wirklich in dem oben angeführten Sinne geschähe, dann hätten wir eben nicht nur diese und reale und unwirkliche materialistische Naturwissenschaft –

die glaubt, mit den Gesetzen der physikalischen, chemischen und mechanischen Welt die Rätsel der lebendigen Welt lösen zu können –

sondern dann hätten wir eine goetheanistische Naturwissenschaft, und wir hätten zum Beispiel eine spirituelle Medizin, eine lebendige Pädagogik und so weiter. Ganz zu schweigen von dem, was vielleicht noch am einfachsten zu verstehen ist: Wir hätten eine Soziale Dreigliederung. 

 

Aber gerade die Tatsache, dass von diesem Letzteren, 

das doch eigentlich noch am einfachsten zu verstehen ist, nichts an Verständnis im gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen, geistigen, politischen Leben der Menschen zu sehen ist, kann man ermessen, wie nicht wie in diesem Artikel beschriebenen neuen Sinn, sondern nur immer weiter im alten Sinne –

indem es völlig automatisch im Menschen vor sich hindenkt, unbewusst, passiv, nicht erlebt, unreflektiert, schattenhaft, willenlos und lieblos, getrieben durch eine Macht, die nicht der Mensch selber ist – und die Menschen glauben, das sei Denken – und auch noch: dass es ihr Denken sei! –

dieses so merkwürdige Bewusstsein der sogenannten modernen Menschen zustandekommt. Dieses offenbart sich allerdings, je weiter sich die menschlichen Gesellschaften in dieser Richtung entwickeln, immer mehr und deutlicher als eine Art absurdes – und grausames – Kasperletheater, dargestellt von Handpuppen, bei denen man nicht weiß, wer sie führt – und die unwidersprochen den größten zusammenhanglosen Quatsch von sich geben können, weil das Publikum geistig nicht in der Lage ist, diesen Quatsch als solchen zu erkennen. So wird aus einer sozialen Gemeinschaft von Leuten, die sich nicht hinentwickeln wollen zu einer wahren Wirklichkeitsphilosophie, eine völlig unwirkliche, gespensterhafte, aber nicht weniger sich tatsächlich und zum Anfassen sich vollziehende sogenannte „moderne Welt“.   

  

  

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