Rudolf Steiner zur untergehenden bürgerlichen Welt- und Lebensauffassung, die sich selber den Untergang bereitet – Die Menschheit überschreitet eine Schwelle, sie muss hinein in das übersinnliche Erkennen

 

Aus Nummer 192 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Seite 79:

Ich möchte durch eine solche Betrachtung wie die heutige ein Gefühl davon hervorrufen, wie ein innerer Zusammenhang ist zwischen dem, was ersterbende Weltanschauung und wissenschaftliche Richtung der alten Zeit ist, und der noch im Keime befindlichen, heute eigentlich erst auftauchenden Geisteswissenschaft im Sinne dessen, was werden muss gegen die Zukunft hin. Es stoßen aber hart die beiden Dinge aneinander. Und hier beginnt anschaulich zu werden eine tiefe Tragik des modernen Lebens, die wir durch innere Menschenkraft besiegen müssen. Dasjenige, was ich, mag man mir es noch so übel nehmen, die untergehende bürgerliche Welt- und Lebensauffassung nenne, das ist ein letztes Ende, das bereitet sich selber den Untergang. Dasjenige, was heute noch wahrhaftig sehr weit von dem entfernt ist, was es werden soll, was als proletarische Sehnsucht herauftaucht, das hat andere menschliche Untergründe. Während die bürgerliche Weltanschauung untergeht im Ätherleib (der übersinnliche Leib, der allen Lebensvorgängen zugrunde liegt; Anmerkung IH), geht aus dem Astralleib (der übersinnliche Leib, der allen seelischen Vorgängen zugrunde liegt; Anmerkung IH) auf dasjenige, was sich aus der proletarischen Welt entwickelt. 

Anmerkung IH: In Kürze: Das hat damit zu tun, dass die alte untergehende Weltauffassung sich einzig und allein auf  Beobachtung und die denkende Durchdringung der Sinneswelt stützt, in der Zukunft aber immer mehr das auf sich selbst beruhende Denken, das heißt die reale Erfassung einer geistigen Welt eine Rolle spielen wird.

Und ein furchtbar deutlich sprechendes Symbolum der untergehenden Weltanschauung war die Egoistik Max Stirners (deutscher Philosoph; Anmerkung IH). Sie finden sie in ihrem Zusammenhange geschildert in meinem Buche «Die Rätsel der Philosophie».  

Jetzt leben wir in einem Zeitalter, wo wir durchaus versuchen müssen, dasjenige, was aufgeht, nicht nach seiner Außenseite zu beurteilen. Mag es heute da oder dort noch so viel irren, wir müssen dasjenige, was sich heute als soziale Bewegung aus dem Proletariat heraus entwickelt, als das Werden des Zukünftigen anschauen können, gerade vom geistigen Gesichtspunkte des Menschen aus. Wir müssen sehen können: Die Menschheit überschreitet eine Schwelle, sie muss hinein in das übersinnliche Erkennen. Und gerade das ist für den geistig Erkennenden ein scharf sprechendes Mittel, die Richtung zu schauen, dass sich gerade die proletarische Welt in diesen oder jenen Führern, in diesen oder jenen Bonzen, recht sehr materialistisch benimmt und sich wehrt gegen das, was sie einst sein wird. Sie wehrt sich. Sie hat angenommen als letztes Erbstück die bürgerliche Denkungsweise, aber sie ist in der menschlichen Entwickelung dazu berufen, bewusst über die Schwelle zu schreiten, sich herauszuarbeiten aus materialistischem Irrwahn zur wirklichen Erkenntnis des Übersinnlichen. Gerade dasjenige, worauf hier hingewiesen wird, es muss durch Beobachtung eines geistigen Untergrundes so erforscht werden, dass es nicht bloß zu abstraktem Erkennen wird, sondern dass es unserem Willen innerlich Impuls werden kann. Dann werden wir uns zur rechten Zeit in der rechten Weise in diese gegenwärtige soziale Ordnung mit vollem Bewusstsein hineinstellen können. 

 

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