von Ingo Hagel
Eines der Grundprobleme des heutigen sozialen Lebens besteht in der Übermacht der Wirtschaft und des Finanzwesens über das politische und das Rechtslebens sowie das Geistesleben. Letztere sind nicht frei und unabhängig, sondern befinden sich fest im Griff der Wirtschaft und der Finanzwelt. Ein solches gesellschaftliches System wird im Gegensatz zur Demokratie (Herrschaft des Volkes) Plutokratie (Herrschaft des Geldes) genannt. Bevor etwas zur Lösung dieses Problems gesagt wird, ist es nötig, sich über Lage und Zustand des gesellschaftlichen Schlachtfeldes einen Überblick zu verschaffen.
Bereits in einem vorigen Artikel hier auf Umkreis-Online (Wir sind jetzt ein Imperium …) wurden dazu speziell mit Blick auf Amerika etliche Phänomene geschildert. Natürlich ist dieses Problem nicht auf den anglo-amerikanischen Raum beschränkt, es hat jedoch dort seinen Ursprung. Es ist daher mit Blick auf unsere Verhältnisse in Europa aufschlussreich, was der in obigem Artikel bereits erwähnte ehemalige Wirtschaftskiller John Perkins (bei 5:00) sagt: dass nämlich Amerika gar keine Demokratie ist, also nicht vom vom Volk regiert wird, sondern von Konzernen geleitet wird. Er nennt dies (in Anlehnung an das Wort Democracy) Corporatocracy, also „Herrschaft der Konzerne“. Es ist diese Corporatocracy, die Amerika (und große Teile der Welt) regiert, nicht die Regierungen und nicht der Präsident der USA. Die Regierungen und die Präsidenten der USA wechseln, das ist aber völlig unerheblich, denn konstant bleibt im Hintergrund die Corporatocracy, also die Macht der Finanzwelt und der Konzerne (Hervorhebungen IH):
John Perkins: „Die Corporatocracy besteht aus einer Gruppe von Individuen, die unsere größten Unternehmen leiten. Und sie handeln in der Tat wie die Herrscher dieses Empires. Sie kontrollieren unsere Medien, entweder durch Besitz oder durch Werbung, sie kontrollieren die meisten unserer Politiker, denn sie finanzieren deren Wahlkampf, entweder durch die Firmen oder durch private Zuwendungen, die von den Unternehmen kommen. Sie sind nicht gewählt, sie haben keine beschränkte Amtszeit, sie sind niemandem Rechenschaft schuldig, und an der obersten Spitze der Corporatocracy kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob diese Person nun für ein privates Unternehmen oder die Regierung arbeitet, denn da ist ein dauernder Wechsel. Man hat also einen Kerl dort, der im einen Moment Präsident einer großen Baufirma wie Halliburton ist, und im nächsten Moment ist er der Vizepräsident der USA (gemeint ist Dick Cheney; Anmerkung IH). Oder der Präsident, der im Ölgeschäft war (gemeint ist George Bush Sen.; Anmerkung IH). Und das trifft zu, egal ob man nun Demokraten oder Republikaner ins Amt bringt. Man hat dieses Hin- und Herwechseln wie durch eine Drehtür. Und irgendwie ist unsere (eigentliche; Anmerkung IH) Regierung für eine große Zeit unsichtbar, und deren Maßnahmen, Strategien werden in der einen oder der anderen Art durch unsere Unternehmen durchgeführt. Und dann wieder werden die Strategien der Regierung im Grunde geschmiedet durch die Corporatocracy. Das ist eine sehr vertraute Beziehung (zwischen diesen beiden Gruppen; Anmerkung IH). Dies ist keine Verschwörungstheorie. Diese Leute müssen nicht zusammenkommen um etwas auszuhecken, denn sie arbeiten alle unter einer Grundvoraussetzung, und die lautet, dass sie ihren Profit maximieren müssen, unabhängig von den sozialen und den Kosten der Umwelt.“
Auch Prof. Max Otte bestätigt in seinem Buch „Die Krise hält sich nicht an Regeln“ dieses Vorgehen und präzisiert es am Beispiel der Insidergeschäfte des ehemaligen US Vizepräsidenten Dick Cheney (Hervorhebungen IH):
„Es mag durchaus gut sein, wenn ein erfahrener Unternehmer in die Politik geht. Aber es kann auch gewaltig in die Hose gehen. Im schlimmsten Fall nimmt es sogar korruptionsähnliche Züge an. Der ehemalige US Vizepräsident Dick Cheney liefert dafür ein Beispiel. In seiner Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender des Energiekonzerns Halliburton verdoppelte er annähernd den Auftragswert von Regierungsprojekten, an denen Halliburton beteiligt war, nämlich von 1,2 Milliarden Dollar auf 2,3 Milliarden Dollar. Und während seiner Zeit als Vizepräsident erhielt Halliburton einen 2 Milliarden Dollar schweren Auftrag für den Wiederaufbau im Irak ohne Ausschreibung. Das ist reine Plutokratie (Herrschaft des Geldes; Anmerkung IH). Man muss da schon sehr aufpassen.“
In diesem Sinne ist es auch bemerkenswert, was der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Prof. Joseph Stieglitz in einem Interview in der ZEIT auf die Frage antwortete, warum Reiche in den USA kaum Steuern zahlen: dass nämlich die Reichen die Politik kaufen:
Prof. Stiglitz: „Sie zahlen nicht nur kaum Steuern, sie haben auch alle wirtschaftlichen Gewinne der vergangenen zwölf Jahre für sich vereinnahmt! Der Mehrheit der Amerikaner geht es heute schlechter als vor zwölf Jahren, sie haben überhaupt nicht vom Wachstum profitiert. In unserem heutigen politischen System können die Reichen im Grunde genommen die Politik kaufen, die sie wollen – durch Wahlkampfspenden, Lobbyismus und so weiter. Es ist für sie rentabler, in die Politik in Washington zu investieren als in die Realwirtschaft“ (Hervorhebung IH).
Viele denken vielleicht, das sei „vielleicht“ nur in Amerika so, aber „bei uns“ sei das alles ganz anders. Prof. Otte ist da anderer Meinung. Er sagte in folgendem Clip (bei 1:17) als er zu dem Versagen der Politik gefragt wird (Hervorhebungen IH):
Prof. Otte: „Natürlich, wir haben in vielen Fällen keine funktionierende Demokratie mehr, da bin ich ja schon öfter öffentlich mit gewesen, wir haben eine Technokratie, einen Expertokratie. Wir sind leider von der Demokratie schon ein Stück weg.“
Frage: Wird die Politik von der Wirtschaft regiert?
Prof. Otte: „Ja, die Wirtschaft gibt in vielen Fällen mittlerweile den Ton an. Da kann die Politik, die ab und zu sagt, jetzt kommen wir aber wieder mal ein bisschen, dagegen stänkern, aber eigentlich regiert die Wirtschaft.“
In folgendem Clip (bei 12:30) wurde Prof. Otte zu dem Problem einer Herrschaft der Finanzen befragt (Hervorhebungen IH):
Prof. Otte: Wir haben eine Herrschaft der Finanzoligarchie, oder generell nenne ich das konsequent praktizierten Neoliberalismus. Neoliberalismus heißt ein System, in dem der Staat fast nichts mehr macht, der Staat hat noch ein paar repräsentative Funktionen, aber die organisierten Interessengruppen setzen sich durch und argumentieren und schneiden sich ihr Stück vom Kuchen ab. Und dann ist klar, dass sich die Stärksten am meisten abschneiden, und die zweitstärksten am zweitmeisten und die drittstärksten am drittmeisten. Und wer ist die Stärkste? Das ist die Bankenlobby. Wer sind die Zweitstärksten in Deutschland? Das ist die Automobilbranche. So! Wir kommen da zu einer …. zumindest Oligarchie, also Herrschaft der Konzerne, der Staat redet an gewissen Bereichen noch symbolisch mit, damit das Volk ruhig bleibt, aber viele Entscheidungen werden natürlich mittlerweile durch Konzerne getroffen ….“
Im diesem Clip wird Prof. Otte gefragt (bei 7:00), inwiefern die (Finanz-) Krise ein Symptom des Systemversagens ist:
Prof. Otte: Ja, wir leben nicht mehr in einem vernünftig gestalteten Wirtschaftssystem, so wie ich es mir vorstelle: soziale Marktwirtschaft, ein System, in dem der Bürger und der Staat letztlich die Regeln vorgeben, Wir sind wirklich in einem System, in dem sich die starken Wirtschaftsakteure selber die Regeln schreiben, zu eigenen Gunsten, die Finanzbranche schreibt sich Regeln, die für die Finanzbranche gut sind, aber nicht für die Wirtschaft insgesamt. Da müsste die Politik an den Regeln mithelfen und Regeln machen, die für alle gut sind. Das haben wir nicht. ….“
In dem oben erwähnen Buch von Max Otte „Die Krise hält sich nicht an Regeln“ wird Prof. Otte gefragt, ob die Wirtschaftswissenschaft und die Ökonomen heute zum Wohle der Menschen arbeiten oder zum Wohl der Geldvermehrung. Prof. Otte (Hervorhebungen IH):
„In unserem momentanen System stellen Sie eine tragende Säule der Finanzbranche und der Großindustrie dar. Es gibt sicherlich viele Wirtschaftswissenschaftler, die Idealisten sind, die glauben, dass sie zum Wohle der Menschen arbeiten – einige tun das auch -, aber in Summe stützt die Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler doch das herrschende System. Und wenn man behauptet, dieses System sei das Beste für alle Menschen, dann ist das aus meiner Sicht falsch. Dieses System ist grundlegend reformbedürftig. Wenn die Wirtschaftswissenschaft diese Reformen verhindert, dann arbeitet sie gegen die Menschen.“
Prof. Otte nennt Beispiele:
„In diesem Punkt ist die Politik gefordert, die Instrumente des Leerverkaufs zu begrenzen und strenger zu regulieren. Ungedeckte Leerverkäufe sollte man etwa verbieten. Auch das Computertrading, bei dem das Vermögen in kurzen Zeiten vielfach gedreht wird, halte ich für absolut schädlich.“
Auch Heiner Flassbeck (er war von 1998 bis 1999 Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, und später ab 2005, Honorar-Professor an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik) gibt in seinem Buch Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts ein Beispiel für die Machenschaften dieser Finanzindustrie – gegen die der Staat nicht einschreiten will. Im Kapitel „Die Goldmann-Sachs-Story oder die Bank als Wettbüro“ sagt er (Hervorhebungen IH):
„Was so fundamental schief läuft an den Finanzmärkten, zeigte sich vor einiger Zeit sehr deutlich beim Fall Goldmann Sachs. Gegen die US-Investmentbanker wurde nämlich Anklage erhoben, weil die amerikanische Aufsichtsbehörde vermutete, dass die Bank Finanzprodukte nur erfunden hatte, um einem bestimmten Hedgefonds einen riesigen Gewinn zu verschaffen. Inzwischen hat man sich allerdings „geeinigt“: gegen die Zahlung von 500 Millionen Dollar wurde das Verfahren eingestellt; „Peanuts“ gegen Gerechtigkeit!
Dennoch ist der Fall sehr interessant. Die Anklageschrift der amerikanischen Finanzaufsichtsbehörde SEC liest sich wie die Karikatur eines Bankgeschäfts. Da wirkt Goldman Sachs als Wettbüro in dem unter Beteiligung eines Hedgefonds ein mieses Produkt zusammengestellt wird, das dann mithilfe einer von den Emittenten des Papieres bezahlten Ratingagentur dummen Kunden, in dem Fall vor allem deutschen Landesbanken, untergejubelt wird, während die Hedgefonds auf den Totalverlust des Papieres wetten.
Dieser Betrug erregte große Empörung. Trotzdem habe ich nirgendwo die eigentlich wichtige Frage gelesen, nämlich welchen Sinn solche Geschäfte haben sollten, selbst wenn sie legal wären und unter weniger konspirativen Umständen ausgetüftelt würden. Denn was soll es eigentlich bringen, ein bestimmtes „Produkt“ in die Welt zu setzen, es an einen „Dummen“ zu verkaufen, und gleichzeitig auf sein Scheitern zu wetten? Üblicherweise wird gesagt das diese Spekulationen auf niedrige Preise nötig seien, um die „wahren Preise“ an den Finanzmärkten zu finden. Doch in diesem Fall zeigt sich, dass das Wetten an den Finanzmärkten überhaupt nichts mit dem finden von Preisen zu tun hat. Denn der Preis für dieses Produkt, Abacus genannt stand ja in dem Augenblick fest, als es die deutschen Landesbanken gekauft haben. ….. Nur ein Insider konnte wissen, welcher Mist an Hypotheken in diesem Papier steckt. Insofern war es nicht ein Insidergeschäft sondern nach allen menschlichen Maßstäben eindeutig ein Insiderbetrug.“
Zurück zum Buch von Prof. Otte. Statt diese kriminellen finanziellen Machenschaften zu beenden, hat die Politik versagt:
Prof. Otte: „Der Kardinalfehler ist aber, dass wir es unterlassen haben, eine wirksame Regulierung des Finanzsektors in Angriff zu nehmen. Im Prinzip ist nirgendwo etwas passiert, weder bei den Eigenkapitalregeln noch bei den Regulierungen von Produkten, von Märkten oder von Akteuren. Alles, was bisher unternommen wurde, ist bloße Augenwischerei. Zusammengefasst kann man es auf eine einfache Formel bringen: das akute Feuerlöschen und die anschließende Notfallbehandlung (der Finanzkrise 2008; Anmerkung IH)waren halbwegs in Ordnung, aber die folgenden Präventionsmaßnahmen und die strukturellen Maßnahmen verdienen ein klares Ungenügend.“
Und zur Rolle der Deutschen Bank und ihrem Chef Josef Ackermann sagt Prof. Otte:
„Herr Ackermann ist, habe ich mir sagen lassen, ein hoch kultivierter Mensch. Er hat in New York Gesangsstunden bei einem Opernsänger genommen, mag Literatur, er ist ein Familienmensch, und im Rahmen seines Jobs erfüllt er nur die Erwartungen, die in ihn gesetzt werden, aber er ist dennoch Teil eines toxischen Systems. Die Deutsche Bank ist etwas schneller und etwas besser als andere, spielt aber trotzdem die Spielchen auf den ungezügelten Finanzmärkten mit. Dieses hypertrophe Finanzsystem ist nur dazu da, um eine Spekulationswirtschaft zu fördern, in dem die Klugen die Dummen und die Schnellen die Langsamen fressen. Und die Deutsche Bank ist klug und schnell, deswegen ist Ackermann ja auch gewählt worden. Aber er und die deutsche Bank haben extrem schädliche Entwicklungen ausgelöst. Nehmen Sie zum Beispiel die Tatsache, dass die Deutsche Bank der IKB viele toxische Produkte verkauft hat, und erst dann die Bankenaufsicht informiert hat, nachdem sie ihre eigenen Produkte abgeladen hatte. Oder dass die Hypo Real Estate, in der die deutsche Bank extrem engagiert war, vom Staat „gerettet“ wurde, und deshalb auf indirektem Wege Milliarden an die deutsche Bank gingen, obwohl Herr Ackermann Staatshilfen explizit nicht in Anspruch nehmen wollte. Oder schauen Sie nach Griechenland: durch die stark volatilen Finanzmärkte bekam das Land erst die Möglichkeit, sich extrem zu verschulden. Die Banken hätten ja auch schon viel früher einen Schlussstrich unter die Kreditvergabe ziehen können. Aber als die Katastrophe offenbar wurde, flog Ackermann sofort nach Athen und wollte die Regierung beraten. Meine Schlussfolgerung: er spielt dieses häufig schändliche Spiel mit, weil er an der Spitze einer Bank steht, die nach den Spielregeln der Finanzmärkte spielen muss. Und er tut es anscheinend mit Genuss.“
Gregor Gysi forderte in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag, dass den Banken diese unseriöse Zockerei und spekulativen Wetten verboten werden müssten. Aber die Regierung tut nichts diesbezüglich. Warum?
Gregor Gysi: „Ich glaube, die Antwort auf die Frage, warum wir das alles nicht machen, ist ziemlich einfach. Das liegt daran, dass Sie abhängig sind von den Banken. Die Deutsche Bank ist einfach zu mächtig. Nicht Sie bestimmen, was die Deutsche Bank macht, sondern die Deutsche Bank bestimmt, was Sie machen.“
Darauf antwortete Kanzlerin Merkel zustimmend: „Genau!“
Wer nun glaubt, die Deutsche Bank sei doch eine DEUTSCHE Bank, kann von Prof. Otte eines anderen belehrt werden:
Prof. Otte: „Die deutsche Bank ist ein angelsächsischer Bankbetrieb. Sie ist die einzige Bank in Deutschland, die sich wirklich voll auf das neue Geschäftsmodell bestürzt hat, und es auch beherrscht. Ich halte das für sehr bedenklich.“
Auch Altbundeskanzler Helmut Schmidt bestätigt dies, und ist daher der Auffassung, dass Mitarbeiter dieser Bank nicht mehr in Regierungsgeschäfte einbezogen werden dürfen:
„Die Deutsche Bank ist also keine deutsche Bank mehr. Als Bundesregierung kann man nicht wiederholen, was Kanzler Adenauer anlässlich der Londoner Schuldenkonferenz gemacht hat und was zwanzig Jahre später anlässlich des G-6- Gipfels (später G7) ich gemacht habe: nämlich zu großen internationalen Konferenzen einen Sprecher der Deutschen Bank zu schicken und nicht den eigenen Minister.“
Man darf also getrost annehmen, dass über eine ahnungslose oder willfährige Bundeskanzlerin und ihre Regierung Konzerne und die Finanzwelt die deutsche Politik bestimmen.
Dagegen fordert Prof. Otte einen starken, vom Wirtschaftsleben unabhängigen und durchsetzungsfähigeren Staat, den wir allerdings nicht mehr haben. In seinem Buch „Die Krise hält sich nicht an Regeln“ wurde er gefragt: „Als die Commerzbank teilverstaatlicht wurde, wurden bei den Managergehältern Obergrenzen festgelegt. Die hat Vorstandschef Martin Blessing ganz nebenbei wieder ausgehebelt. Können wir die neue Bescheidenheit nicht mit ein bisschen mehr Nachdruck einfordern?“
Prof. Otte: „Natürlich könnten wir das, wenn wir einen durchsetzungsfähigeren Staat hätten. Dann stünde Herr Blessing jetzt ohne Job da. Denn er hat sich nicht an sein Wort gehalten. Ihn dafür in die Wüste schicken, könnte der Eigentümer, also der Staat, allerdings nur dann, wenn er sich nicht selber in die Hände der Finanzoligarchie begeben hätte. Der Staat muss Regeln aufstellen und deren Einhaltung überwachen. Ausrufungszeichen. Denn freiwillig lässt sich niemand das Gehalt beschneiden. Wir kleben in diesem System der Gier und der exzessiven Topgehälter fest. Da kann man nicht auf die Selbstreinigungskräfte des Marktes hoffen.“
Auch in einem Interview im Deutschlandfunk kritisiert Otte die Entscheidungs- und Durchsetzungsschwäche des Staates gegenüber den Banken anlässlich der Verhandlungen der Griechenland-Finanzkrise (Hervorhebungen IH):
Prof. Otte: „ … Es ist absurd, da von einer privaten oder von einer freiwilligen Beteiligung privater Gläubiger (gemeint sind die Banken; Anmerkung IH) zu sprechen. Wenn ein Schuldenschnitt her muss, oder auch nur eine weiche Umschuldung, also eine Verlängerung der Laufzeiten der Anleihen, dann muss man das beschließen. Dann muss ein Plan her und dann muss ein systemischer Plan her und dann müssen alle Gläubiger in die Pflicht genommen werden. Das Problem ist, was wir in dem Beitrag vorhin gehört haben, dass natürlich jetzt schon ein Drittel dieser Anleihen abgestoßen wurde, und man kann vermuten oder weiß es zum Teil auch, dass sie mittlerweile eben von der EZB aufgekauft wurden.“
Auf die Frage, ob denn ein Vorrang der Politik nicht gegen die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten verstoße, sagte er:
„Nein! Die Politik muss in einem solchen Fall ordnen, sie muss ordnend eingreifen, sie muss Rahmenbedingungen schaffen, sie muss dem Recht Geltung verschaffen, dem Recht zum Beispiel, dass Banken und Finanzdienstleister, die sich verzocken mit Anleihen, dafür auch haften müssen. Das sind elementare Rechtsgrundsätze. Es ist eher anders herum, dass die Politik von der Finanzbranche und den Finanzdienstleistern gekapert worden ist und jetzt Spezialinteressen bedient.“
Die Aussagen von Prof. Otte haben Gewicht. Denn er hat mit seinem bereits 2006 veröffentlichten Buch „Der Crash kommt“ frühzeitig auf die Finanzkrise aufmerksam gemacht und damit einen gesunden Sinn und tiefersehenden Blick für die krankhaften Zustände des Weltfinanzsystems bewiesen, wie ihn zu dieser Zeit kaum einer hatte. Damals hat das jedoch keinen interessiert. Das Buch wurde erst ein Bestseller, als die Finanzkrise da war. Aber da war es bereits zu spät. – Es ist daher eine merkwürdige und bezeichnende Signatur für dieses Deutschland, dass sich keine deutsche Universität um diesen klarblickend-vorausschauenden, mutigen, kenntnisreichen und Mann gerissen und ihm für ihre Studenten die roten Teppiche ausgerollt hat: Prof. Otte hat es nun weit weg nach Graz in die österreichische Steiermark verschlagen. Er nahm 2011 einen Ruf an die Karl-Franzens-Universität in Graz an, sagt Wikipedia. Schade für Deutschland und seine Studenten!
Aber Prof. Otte steht mit seinem Urteil nicht alleine da. Vor kurzem veröffentlichte Wolfgang Hetzer ein Buch über die kriminellen Hintergründe der Finanzkrise: „Finanzmafia – Wieso Banker und Banditen ohne Strafe davonkommen“. Die Welt schreibt:
„Hetzer ist Europas oberster Korruptionsbekämpfer. Seit 2002 leitet Hetzer die Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel. Zuvor war Referatsleiter im Bundeskanzleramt, zuständig für die Aufsicht über den BND in den Bereichen Organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und strategische Überwachung der Telekommunikation.“
Hetzer ist also ein Mann, der sich auskennt und weiß, wovon er spricht. Die Welt fragte ihn: Wen genau klagen Sie an?
Hetzer: Da sind die Täter in der Finanzindustrie, die diese Wetten abschließen. Und da sind ihre Helfer in der Politik, die ihnen diese Wetten ermöglichten und nichts unternehmen, um die Investmentbanker in die Schranken zu weisen. Die Liste der Verfehlungen der Politik ist lang.
….
Weil offenbar nicht mehr die notwendige Kompetenz in der Ministerialbürokratie vorhanden ist, ließ die Regierung diese Gesetzgebung von den Anwälten der Finanzindustrie betreiben. Das heißt, die Politik gibt ihr wichtigstes Kerngeschäft auf, nämlich die sachverständige Gesetzgebung.
….
Die Politik hat sich von der Finanzwirtschaft am Nasenring über die Weltbühne ziehen lassen. Die Finanzwirtschaft hat ihre Interessen in Milliarden-Höhe bei der Politik durchgesetzt. Zu diesem Ergebnis kam die vom US-Kongress eingesetzte Kommission zur Aufklärung der Umstände, die zur Finanzkrise geführt haben.
….
„Man glaubt den Politikern kaum noch. Die Menschen erkennen eine kleptokratische Kultur unter den Eliten. Sie fühlen sich betrogen von Versagercliquen in Politik und Wirtschaft. Ich fürchte, dass Auswirkungen dieses Zorns auf den europäischen Zusammenhalt nicht auszuschließen sind“ (Hervorhebungen IH).
Ein weiteres Symptom für den maroden Zustand unseres Staatswesens und sozialen Gefüges beschreibt ein Artikel im Focus, der das Buch von Frank Wehrheim vorstellt. Wehrheim war Steuerprüfer in höchsten Finanzkreisen. Er wurde entlassen, weil er überaus fähig und daher für diese Kreise höchst unbequem war. Wieder einmal entsteht also der Eindruck, diese Destabilisierung, Außer-Kraft-Setzung, Lähmung des Staates, diese Bewegung weg von einem starken Staat zu einem, der in den Händen der Finanzwelt knetbares Wachs ist, das ist kein Zufall, das hat System. Der Staat ist längst unterlaufen und wirksam im Griff der Finanzmafia – wie Hetzer oben sagt.
Ganz deutlich wird diese Tatsache, dass der Staat von den Konzernen und der Finanzwelt unterlaufen und gekapert worden ist, an dem Buch von Sascha Adamek und Kim Otto „Der gekaufte Staat“. Es beschreibt, wie Konzernmitarbeiter in den Ministerien die Gesetzesentwürfe zu Gunsten ihrer Arbeitgeber verfassen. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch schreibt dazu (Hervorhebungen IH):
„Sie schreiben Gesetze. Sitzen in Ministerien. Bezahlt von Konzernen. Früher nannte man das Korruption. Mehr als hundert Vertreter deutscher Großkonzerne haben in Bundesministerien eigene Schreibtische bezogen. Bezahlt werden sie von den Unternehmen. Sie arbeiten an Gesetzen mit und sind politisch immer am Ball. Die Recherchen der Autoren veranlassten den Bundesrechnungshof, ihre Prüfer erstmals in alle Bundesministerien zu schicken. Denn die Unabhängigkeit staatlicher Entscheidungen ist in Gefahr – und damit die Demokratie selbst. …. Wer regiert Deutschland? In den Bundesministerien für Finanzen, Wirtschaft, Gesundheit, Verkehr, Umwelt, Bildung und Forschung, im Innen- und Außenministerium sowie im Bundeskanzleramt sitzen Vertreter folgender Konzerne und Lobbyverbände (Auswahl): BASF – Bayer – BDI – Bertelsmann Stiftung – BP – Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft – Bundesverband Deutscher Banken – Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands – DaimlerChrysler – Deutsche Bank – Deutsche Telekom – Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt – Dresdner Bank – E.ON – EADS – Fraport – Hauptverband der Deutschen Bauindustrie – HSH Bank – IBM – Lufthansa – Morgan Stanley – PricewaterhouseCoopers – Robert-Bosch-Stiftung – Roland Berger – SAP – Schenker – Siemens – Thyssengas – Verband der chemischen Industrie – Verband forschender Arzneimittelhersteller – Vivento – Wingas – Wintershall …. Lobbyismus war gestern. Die Politik ist längst unterwandert.“
Auch der Verfassungsrechtler Prof. Schachtschneider, sicher „der profundeste und einer der wenigen Kenner des Brüssler Ermächtigungsgesetzes und Kläger vor dem bundesdeutschen und dem österreichischen Verfassungsgericht gegen den Lissabonner Vertrag“ der mit Kollegen beim Bundesverfassungsgericht gegen den Euro-Rettungsschirm sowie gegen die Griechenland-Hilfe klagt, kritisiert scharf den Einfluss der Finanzmärkte auf die Politik (Hervorhebungen IH):
„Die Finanzmärkte üben den Druck aus und bestimmen die Politik. Die Eurointegrationisten sind Gefangene ihrer Ideologie, ihres Europawahns. Die wichtigsten Politiker Deutschlands sind der Schweizer Josef Ackermann und der Franzose Nicolas Sarkozy (das ist natürlich ironisch gemeint, obwohl es als Faktum zutrifft; Anmerkung IH). Das Argument der Systemrelevanz von Geldhäusern und Euroländern ist an den Haaren herbeigezogen. Keinesfalls ist es ein Rechtsprinzip. „Erpresst“ werden die Völker von ihren Regierungen. Das ist nur möglich, weil sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten weit von der Demokratie entfernt haben.“
Ich habe hier auf Umkreis-Online ja bereits auf seine ernsten Worte dazu hingewiesen. Aufgrund der Schwäche des Rechtssystems und der Politik sind wir bereits auf dem „Weg in die EU-Diktatur“, wie der Titel eines Vortrages von Prof. Schachtschneider heißt.
Der Kopp-Verlag schreibt zum Inhalt seines Vortrages (Hervorhebungen IH):
„Die Details des Lissabonner Vertrages sind so erschreckend, dass der renommierte Staatsrechtler Prof. Schachtschneider davon spricht, dass sich Deutschland auf dem Weg in eine Brüsseler Diktatur befindet. Er sieht das im Grundgesetz festgelegte Recht auf Widerstand erfüllt, das das Grundgesetz jedermann garantiert und zur Pflicht macht, um gegen diejenigen vorzugehen, die das Grundgesetz abschaffen wollen. Und genau das betreiben Bundestag und Bundesregierung. Im jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird dem auch noch zugestimmt. Der Marsch in den EU-Einheitsstaat und die Auflösung der nationalen Souveränität gehen weiter. Die Karlsruher Richter haben kein Wort und noch nicht einmal ein Komma am Lissabonner Vertrag kritisiert. Zu den ausufernden Befugnissen, welche die EU bislang an sich gezogen hat, steht in dem Urteil kein kritisches Wort. Dieser Vertrag kommt einem Ermächtigungsgesetz gleich. Das Volk wir entmachtet. Warum lassen sich die Karlsruher Richter die Machtentfaltung des Europäischen Gerichtshofes bieten? Auch den polizeistaatlichen Ermächtigungen im Lissabonner Vertrag ist das Karlsruher Gericht in keiner Weise entgegengetreten. …. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts macht den Weg frei für eine EU-Diktatur. Jetzt hilft nur noch radikale Umkehr! Ein Volk, das ein europäisches Europa gestalten will, muss aus der EU ausscheiden.“
Auch aus diesen Worten geht noch einmal hervor, dass auch auf höchster Ebene – nämlich der des Bundesverfassungsgerichtes – der Staat beziehungsweise die gesetzgebende Abteilung desselben (Justiz) kapituliert hat vor der absolutistischen Machtentfaltung einer undemokratischen zentralen Brüsseler EU-Diktatur, die mit ihrem Ziel einer zentralen Wirtschaftsregierung (s. zum Beispiel hier, hier und hier) alle geistige Freiheit und Selbstbestimmungsmöglichkeit der Völker beseitigen wird.
Aber wie soll es weitergehen?
Was sich in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten vollzogen hat, ist ein immer stärkeres Überhandnehmen der Wirtschaft und des Finanzwesen über das politische und Rechtsleben sowie das Geistesleben. Dies wird aus den oben geschilderten Beispielen deutlich. Sie ließen sich ohne Schwierigkeiten erweitern und illustrieren den Bankrott unseres sozialen und gesellschaftlichen Systems. Immer mehr Menschen wird es klar, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Aber wie soll es denn weitergehen? Vorschläge zu einer umfassenden und grundsätzlichen Therapie findet man – neben aller vorhandenen Einzelschilderungen der Krankheitssymptome – leider kaum.
Viele Beobachter und Kommentatoren der düsteren weltpolitischen Vorgänge wollen nur einzelne kleinere oder größere Stellschrauben (meistens vor allem im Wirtschaftsbereich) neu justieren; und ansonsten soll alles andere so bleiben wie es ist. Das wird nicht funktionieren. Denn genau dieser Weg hat ja die Menschheit immer weiter ins Verderben geführt.
Was also in Zukunft erreicht werden muss ist die Trennung dieser drei Glieder (Wirtschaft, Rechts- und politisches Leben, Geistesleben) in voneinander unabhängige und selbständige Gebiete. Nur in einer solchen grundlegenden und umfassenden Neuregelung des gesamten sozialen Systems mit Bezug auf diese drei Glieder (Wirtschaftsleben, politisches- und Rechtsleben, Geistesleben), die als freie und voneinander unabhängige konstituiert werden müssen, wird etwas Fruchtbares und Heilsames entstehen können. Diese Unabhängigkeit der drei Glieder wird nicht zu einer Zersplitterung sondern zu einer wirklichen und gesunden Einheit des gesellschaftlichen Ganzen führen. Rudolf Steiner hat ein solches System als Soziale Dreigliederung bereits vor 90 Jahren dargestellt. Es ist heute so aktuell wie damals. Und hier sollte darauf hingewiesen werden, dass die Phänomene der Zeit diese Soziale Dreigliederung deutlich fordern.
Natürlich kann die Soziale Dreigliederung hier nicht umfassend dargestellt werden (andere Aspekte dazu sowie einige Links finden sich in einem früheren Artikel von mir).Abschließend sei jedoch eine Schilderung der drei Glieder des sozialen Organismus aus Rudolf Steiners Buch „Die Kernpunkte der sozialen Frage“ (Hervorhebungen IH):
„Eines dieser Glieder ist das Wirtschaftsleben. Hier soll mit seiner Betrachtung begonnen werden, weil es sich ja ganz augenscheinlich, alles übrige Leben beherrschend, durch die moderne Technik und den modernen Kapitalismus in die menschliche Gesellschaft hereingebildet hat. Dieses ökonomische Leben muss ein selbständiges Glied für sich innerhalb des sozialen Organismus sein, so relativ selbständig, wie das Nerven-Sinnes-System im menschlichen Organismus relativ selbständig ist. Zu tun hat es dieses Wirtschaftsleben mit all dem, was Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsum ist.
Als zweites Glied des sozialen Organismus ist zu betrachten das Leben des Öffentlichen Rechtes, das eigentliche politische Leben. Zu ihm gehört dasjenige, das man im Sinne des alten Rechtsstaates als das eigentliche Staatsleben bezeichnen könnte. Während es das Wirtschaftsleben mit all dem zu tun hat, was der Mensch braucht aus der Natur und aus seiner eigenen Produktion heraus, mit Waren, Warenzirkulation und Warenkonsum, kann es dieses zweite Glied des sozialen Organismus nur zu tun haben mit all dem, was sich aus rein menschlichen Untergründen heraus auf das Verhältnis des Menschen zum Menschen bezieht. Es ist wesentlich für die Erkenntnis der Glieder des sozialen Organismus, dass man weiß, welcher Unterschied besteht zwischen dem System des Öffentlichen Rechtes, das es nur zu tun haben kann aus menschlichen Untergründen heraus mit dem Verhältnis von Mensch zu Mensch, und dem Wirtschafts-System, das es nur zu tun hat mit Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsum. Man muss dieses im Leben empfindend unterscheiden, damit sich als Folge dieser Empfindung das Wirtschafts- von dem Rechtsleben scheidet, wie im menschlichen natürlichen Organismus die Tätigkeit der Lunge zur Verarbeitung der äußeren Luft sich abscheidet von den Vorgängen im Nerven-Sinnesleben.
Als drittes Glied, das ebenso selbständig sich neben die beiden andern Glieder hinstellen muss, hat man im sozialen Organismus das aufzufassen, was sich auf das geistige Leben bezieht. Noch genauer könnte man sagen, weil vielleicht die Bezeichnung „geistige Kultur“ oder alles das, was sich auf das geistige Leben bezieht, durchaus nicht ganz genau ist: alles dasjenige, was beruht auf der natürlichen Begabung des einzelnen menschlichen Individuums, was hineinkommen muss in den sozialen Organismus auf Grundlage dieser natürlichen, sowohl der geistigen wie der physischen Begabung des einzelnen menschlichen Individuums. Das erste System, das Wirtschaftssystem, hat es zu tun mit all dem, was da sein muss, damit der Mensch sein materielles Verhältnis zur Außenwelt regeln kann. Das zweite System hat es zu tun mit dem, was da sein muss im sozialen Organismus wegen des Verhältnisses von Mensch zu Mensch. Das dritte System hat zu tun mit all dem, was hervorsprießen muss und eingegliedert werden muss in den sozialen Organismus aus der einzelnen menschlichen Individualität heraus.
Ebenso wahr, wie es ist, dass moderne Technik und moderner Kapitalismus unserm gesellschaftlichen Leben eigentlich in der neueren Zeit das Gepräge gegeben haben, ebenso notwendig ist es, dass diejenigen Wunden, die von dieser Seite her notwendig der menschlichen Gesellschaft geschlagen worden sind, dadurch geheilt werden, dass man den Menschen und das menschliche Gemeinschaftsleben in ein richtiges Verhältnis bringt zu den drei Gliedern dieses sozialen Organismus. Das Wirtschaftsleben hat einfach durch sich selbst in der neueren Zeit ganz bestimmte Formen angenommen. Es hat durch eine einseitige Wirksamkeit in das menschliche Leben sich besonders machtvoll hereingestellt. Die andern beiden Glieder des sozialen Lebens sind bisher nicht in der Lage gewesen, mit derselben Selbstverständlichkeit sich in der richtigen Weise nach ihren eigenen Gesetzen in den sozialen Organismus einzugliedern. Für sie ist es notwendig, dass der Mensch aus den oben angedeuteten Empfindungen heraus die soziale Gliederung vornimmt, jeder an seinem Orte; an dem Orte, an dem er gerade steht. Denn im Sinne derjenigen Lösungsversuche der sozialen Fragen, die hier gemeint sind, hat jeder einzelne Mensch seine soziale Aufgabe in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft.“