Rudolf Steiner: Staatenabgrenzungen haben wenig zu tun mit den Interessen des Wirtschaftslebens

 

 

Aus Nr. 24 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 21, (Hervorhebungen IH):

 

INTERNATIONALE LEBENSNOTWENDIGKEITEN UND SOZIALE DREIGLIEDERUNG 

Eine Einwendung, die oft gegen die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus gemacht wird, ist, dass ein Staat, der diese Dreigliederung durchführt, seine internationalen Beziehungen zu anderen Staaten stören müsse. Welche Bedeutung dieser Einwand hat, wird man nur erkennen, wenn man das Wesen der internationalen Staatenverhältnisse in der Gegenwart ins Auge fasst. Am auffälligsten für eine dahingehende Beobachtung ist, dass die wirtschaftlichen Tatsachen in der neuesten Zeit Gestalten angenommen haben, die mit den Staatenabgrenzungen nicht mehr im Einklange stehen. Die geschichtlichen Bedingungen, aus denen sich diese Staatenabgrenzungen ergeben haben, haben wenig zu tun mit den Interessen des Wirtschaftslebens, das die in den Staatsgebieten lebenden Völker führen. Die Folge davon ist, dass die Staatsleitungen die internationalen Beziehungen herstellen, für deren Herstellung das naturgemäßere wäre, wenn sie durch die wirtschaftenden Personen oder Personengruppen unmittelbar zustande käme. Ein Industriebetrieb, der ein Rohprodukt eines auswärtigen Staates braucht, sollte zum Erhalt dieses Rohproduktes nichts anderes nötig haben, als sich mit der Verwaltung desselben auseinanderzusetzen. Und alles, was zu dieser Auseinandersetzung gehört, sollte sich nur innerhalb des Wirtschaftskreislaufes abspielen. Man kann sehen, dass in der neuesten Zeit das Wirtschaftsleben Formen angenommen hat, die auf ein solches Abschließen in sich selbst hinweisen. Und dass in dieses in sich geschlossene Wirtschaftsleben, das allmählich dahin strebt, über die ganze Erde hin eine Einheit zu werden, die staatlichen Interessen sich hineinstellen als störendes Element. Was haben die historischen Bedingungen, unter denen England die Herrschaft über Indien bekommen hat, zu tun mit den wirtschaftlichen Bedingungen, aus denen heraus ein deutscher Fabrikant Waren aus Indien bezieht?  

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