von Ingo Hagel
Die Menschen können heute nur in Kategorien der Wirtschaft denken. Der Staat, die gesamte soziale Gemeinschaft, soll nichts anderes als ein großes Wirtschaftsunternehmen sein – was natürlich nichts anderes heißt, als dass eine solches soziale Gemeinschaft auch wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen ist. Darüber herrscht leider auch bei den Besten der Besten Einmütigkeit. Auch der verdienstvolle Peter Haisenko sitzt diesem leidigen alten Irrtum auf. In einem ansonsten informativen Interview verwies er (bei 11:00) auf Donald Trump. Der führe
„seit Jahren erfolgreich ein Riesenunternehmen. Und was ist letztlich ein Staat anderes als ein Riesenunternehmen? Und der bringt seine Mannschaft mit und alles – Also ich habe da beste Hoffnungen.“
Diese Auffassung von einem Staat als einem „Riesenunternehmen“ ist natürlich falsch hoch drei (und „beste Hoffnungen“ bestehen unter diesen naiven Annahmen keine). Der Beweis dafür ist Peter Haisenko selber. Denn er führt mit seiner Homepage Anderweltonline –
geistreicher Name! – Wollen wir hoffen, dass es den nichtsnutzigen „Eliten“ nicht gelingen wird, diese „anderen“ Weltauffassungen in der nächsten Zeit endgültig in die Unterwelt zu verbannen – selbstverständlich nur, weil die Regierung „gezielte Desinformation zur Destabilisierung eines Staates“ fürchtet, und selbstverständlich nur aus fürsorglichster Liebe um deren Schutzbefohlene –
eben kein Wirtschaftsunternehmen, sondern eine der vielen kleinen Abteilungen der unabhängigen Medien des Internets. Seine Artikel dort werden nicht – wie im Wirtschaftsleben – nur gegen Bezahlung abgegeben, sondern frei dem interessierten Leser zur Verfügung gestellt. Peter Haisenko ist also diesbezüglich nicht ein Teilnehmer des Wirtschafts-, sondern des freien Geisteslebens. Naja, sagen wir mal, unter den heutigen sozialen Verhältnissen, in denen alle immer nur Wirtschaftsleben denken und entsprechend handeln: des vogelfreien Geisteslebens.
Zu diesem geistigen Leben innerhalb einer sozialen Gemeinschaft (Staat, Volk) gehören – neben den Publizisten, Schriftstellern und Medienschaffenden alle Lehrer und Professoren von Schulen und Hochschulen, alle Forscher und Wissenschaftler sowie die Künstler.
Peter Haisenkos Auffassung vom Staat als einem Riesen-Wirtschaftsunternehmen ist exemplarisch für die Auffassung, die sich seit Jahrhunderten im Bürgertum entwickelt hat und heute quer durch alle Schichten dieser Gesellschaft geht.
Sie ist nicht nur das Glaubensbekenntnis „der heutigen Professorenköpfe“, sondern überhaupt der Menschen weitester Kreise, das zeigt wieder einmal obiges Interview mit Peter Haisenko. Wichtig und bedeutsam für das Leben der Menschen soll nur die Wirtschaft sein, und alles andere – Kunst, Wissenschaft, Recht – sind nur „Ideologie“, sind nur wie „Rauch“, der aus dieser Wirtschaft, aus dieser großen Fabrik und „wahren Wirklichkeit“ aufsteigt, wie Rudolf Steiner dazu ausführte:
Das heißt, was in den bürgerlich führenden Kreisen seit drei bis vier Jahrhunderten als eine Lebensauffassung sich entwickelt hat, was aber aus einer gewissen Feigheit die bürgerlichen Kreise sich nicht gestanden haben, das haben sich aus einer Wahrheit heraus die sozialistischen Kreise des letzten halben Jahrhunderts gestanden. Sie haben gesagt: Die wahre Wirklichkeit des sozialen Lebens besteht nur in dem, was wirklich vor sich geht, in den ökonomischen Kräften der Wirtschaft liegt allein das Reale. Was sich in der Menschheit ausbildete als Kunst, Religion, Sitte, als Wissenschaft, als Recht, als Moral, das ist nur etwas wie ein aufsteigender Rauch aus der wahren Wirklichkeit. Das ist bloß Ideologie, das hat keine Wirklichkeit, das hat nur eine Scheinwirklichkeit. – Damit hängt ja für das soziale Streben der sozialistischen Parteien in der neueren Zeit das zusammen, dass diese Parteien sagen: Wir brauchen nur das Wirtschaftsleben umzuändern, dann ändert sich mit dem Wirtschaftsleben auch alles andere. Denn das andere, Moral, Sitte, Recht, Religion und so weiter ist ja nur etwas, was als Rauch aufsteigt, als ein Unwirkliches, als Ideologie, aus dem einzig Wirklichen, aus dem wirtschaftlichen Geschehen.
Und so leben wir heute immer weiter in diesen Problemen, die dadurch entstehen, dass man immer nur die Wirtschaft sieht:
Man will nur die Wirtschaftsordnung ändern, statt einzusehen, dass man die Abhängigkeit des Geistes- und des Rechtslebens von der Wirtschaftsform aufheben müsse.
Und:
Man ist heute dem (im Bürgertum aufgegangenen; Anmerkung IH) Proletariat gegenüber vielleicht gutmeinend, aber man ist nicht objektiv ehrlich, wenn man ihm nicht begreiflich macht, dass die Programme, zu denen es sich bekennt, es nicht zu dem Heile führen, das es erstrebt, sondern zum Untergange der europäischen Kultur, mit deren Untergang sein eigener Untergang besiegelt ist. Man ist heute nur ehrlich gegenüber dem Proletariat, wenn man in ihm Verständnis dafür erweckt, dass es, was es unbewusst anstrebt, nimmermehr mit den Programmen erreichen kann, die es zu den seinigen gemacht hat. Das Proletariat lebt in einem furchtbaren Irrtume.
Denn ein Staat ist eben kein Unternehmen!
Der Staat, die Politik darf nur in den Rechtsstaat als solchen hineinwirken können, nicht in die Wirtschaft, und nicht in das freie Geistesleben. Die Wirtschaft muss losgelöst sein vom Rechtsstaat und der Politik. Heute sind Politik und Wirtschaft unheilvoll miteinander verfilzt, und die letztere gehorcht dem Staat (Primat der Politik über die Wirtschaft) oder der Staat subventioniert die Wirtschaft oder macht Gesetze, wie es diese haben will.
Und drittens brauchen wir eben ein wirkliches freies Geistesleben. Dieses hat ebenfalls nichts mit einem Unternehmen, mit einem Zweig der Wirtschaft zu tun, ganz im Gegenteil ist das freie Geistesleben völlig auf die Produktivität der Wirtschaft – sowie auf die finanzielle Unterstützung von Privatpersonen – angewiesen. Von dort müssen die Ressourcen und Mittel kommen, um ein freies Geistesleben zu unterhalten. Es sind Überschussmittel, Überschusskräfte aus den Erträgnissen der Wirtschaft.
Wenn ein Staat wirtschaftlich so schwach ist, dass er kaum die eigenen Leute ernähren kann, dann steht es natürlich auch mit einem freien Geistesleben schlecht. Wenn aber ein Staat, eine soziale Gemeinschaft wirtschaftlich stark ist, und trotzdem nur die Wirtschaft im Sinn hat und keinen Sinn hat für ein freies Geistesleben, dann steht es nicht nur mit diesem Staat und dieser sozialen Gemeinschaft, sondern auch mit dem freien Geistesleben schlecht.
An den künstlerischen Erzeugnissen des Geisteslebens erfreut man sich vielleicht zur Erholung in der Freizeit.
Sie sind nur so etwas wie eine seelische Ganzkörpermassage, die Verspannungen löst, damit man am nächsten Tag wieder malochen kann. Keinesfalls ist man heute geneigt, die Kunst als das anschauliche Hereinleuchten einer geistigen in diese sinnliche Welt zu begreifen. Kunst soll heute einfach nur unterhalten – und dementsprechend wird sie nachgefragt oder auch nicht. Damit ist sie – ähnlich wie zum Beispiel Rotwein – zu einem reinen Wirtschaftsfaktor degradiert worden. Aber das entspricht ja genau dem, was Peter Haisenko glaubt zu wissen. Alles ist Wirtschaft.
Für Menschen, die so denken, bedeuten auch die Wissenschaft und deren Ergebnisse nicht mehr als die Grundlage für die Technik und damit für die Wirtschaft („Damit der Laden brummt“). Und die Produkte von Schriftstellern und so weiter bieten bestenfalls nur eine Orientierung, wohin dieser Einheitsstaat aus Wirtschaft und Technik, Politik sich denn hinbewegen soll – sowie die Grundlage für die Rekrutierung von möglichst smartem und gut funktionierendem technischem Nachwuchs (aus Schulen und so weiter). Dass die höchste Aufgabe der Wissenschaft jedoch die ist, den Geist herauszuarbeiten, der dieser Welt, dieser Natur und dem Menschen zugrundeliegt, davon wollen die Menschen heute noch nichts wissen.
Dieser „absolute Unglaube an alles, was der Mensch als Geistiges produzieren kann“
hat seinen Grund in einer unbewussten Furcht der Menschen vor dem Geistigen:
Furcht, Mutlosigkeit, Feigheit, das ist es, wovon die moderne Menschheit beherrscht ist. Und wenn diese moderne Menschheit sagt: Wirtschaft ist das Handgreifliche, was alles bewirkt – so ist diese Anschauung dadurch entstanden, dass man sich fürchtet vor dem, was unsichtbar ist, was nicht handgreiflich ist. Dem will man sich nicht nähern, das will man vermeiden, das biegt man zur Ideologie, zur Fata Morgana um. Und man biegt es deshalb zur Ideologie, zur Fata Morgana um, weil man sich davor fürchtet. Ein Furcht-, ein Angstpunkt ist die moderne soziale Weltanschauung in bezug auf diejenigen Punkte, die ich Ihnen charakterisiert habe.
Aber:
Der Mensch strebt danach, zu erkennen, was er ist als Mensch, was er wert ist als Mensch, welche Kraft er hat, was seine Würde ist als Mensch. Der Mensch strebt danach, sich als Menschen selber anzuschauen, endlich zu einem Bilde seines eigenen Wesens zu kommen. Man kann nicht zu einem Bilde des Menschen kommen, wenn man innerhalb der Sinneswelt stehenbleiben will, denn der Mensch erschöpft sich nicht in der Sinneswelt, der Mensch ist nicht bloß ein sinnliches Wesen.
Heute sagen die Menschen: Ah bah! Das brauchen wir doch nicht, eine übersinnliche Anschauung vom Menschen. Was für ein Quatsch!
Der Mensch soll einen geistigen, übersinnlichen Ursprung haben? Was für ein Unsinn! – Nun gut, mit dieser Ablehnung konnte die Menschheit eine Weile existieren. Aber wir sind mittlerweile an dem Punkt angekommen, wo die alten geistigen Reserven vergangener Zeiten, durch die die Menschen diese den Geist ablehnende Haltung seelisch überleben konnten, erschöpft und aufgebraucht sind. Ohne eine erneuerte geistige Auffassung vom Menschen, ohne eine neue Erkenntnis des Übersinnlichen, werden sich diese herrschenden bürgerlichen Schichten –
wozu natürlich auch die nachgerückte Schicht des Proletariats gehört, die heute (noch) wohlhabend wie noch nie in ihrer Geschichte mit Auto und Häuschen weite Teile der Bevölkerung ausmacht –
nicht nur immer weiter sich selber den Untergang bereiten:
Und hier beginnt anschaulich zu werden eine tiefe Tragik des modernen Lebens, die wir durch innere Menschenkraft besiegen müssen. Dasjenige, was ich, mag man mir es noch so übel nehmen, die untergehende bürgerliche Welt- und Lebensauffassung nenne, das ist ein letztes Ende, das bereitet sich selber den Untergang. Dasjenige, was heute noch wahrhaftig sehr weit von dem entfernt ist, was es werden soll, was als proletarische Sehnsucht herauftaucht, das hat andere menschliche Untergründe.
Sondern überhaupt wird das gesamte soziale Leben der Menschen leiblich, seelisch und geistig verkommen und barbarisieren.
Die Menschen werden also immer mehr am eigenen Leib spüren, was es heißt, ungeistig zu leben.
Sie werden diese ungeistige Lebenshaltung immer weniger aushalten können. Nicht nur, dass die Gesellschaften Europas, die nur auf die Wirtschaft gebaut ist, zusammenbrechen werden, sondern der Mensch selber wird unter der Last dieser materialistischen und ungeistigen Lebensauffassung zusammenbrechen.
Wir sind eben über 120 Jahre nach den Hilfestellungen, die Rudolf Steiner den Menschen gegeben hat, an dem Punkt, in dem die Menschen in den Konsequenzen dieser Ablehnung zu leben haben. Die Zurückweisung des Geistigen, des Übersinnlichen ist nicht nur eine Frage der Weltanschauung, der Lebenseinstellung, die man – ganz privat – so oder auch anders haben könnte, sondern es wird ganz bestimmte reale Konsequenzen hervorbringen.
Und zu diesen Konsequenzen wird ja nicht nur das einzelne kleine Leben des einzelnen Menschen gehören,
oder das Leben und die Lebensqualität bestimmter Schichten hier in Deutschland, die vielleicht schon halb durch den Rost gefallen sind (Niedriglöhner, Hartz IV-Empfänger und so weiter), sondern zu diesen Konsequenzen einer Ablehnung einer geistigen Weltauffassung –
wozu natürlich auch die Ablehnung einer geistigen sozialen Auffassung im Sinne der Sozialen Dreigliederung gehört (mehr dazu zum Beispiel hier und hier und hier – sowie an vielen anderen Stellen hier auf Umkreis-Online) –
wird der große Kampf zwischen dem Osten und dem Westen gehören, zwischen dem Orient und dem Okzident, wenn nicht eine neue Art des Begreifens von Wirtschaft, von Politik (Rechtsleben) und der Notwendigkeit eines freien Geisteslebens kommt:
Was in den letzten vier bis fünf Jahren als Waffenkampf geschehen ist (1. Weltkrieg; Anmerkung IH), das ist nur der Anfang von Ereignissen, die sich auf einem ganz anderen Gebiete abspielen werden, die aber in ihrer Art auch noch nicht in der Menschheit dagewesen sind. Wir stehen nicht am Ende – das sagt sich nur eine oberflächliche Betrachtung der Menschheitsentwickelung -, wir stehen am Ausgangspunkte der größten Kämpfe, der geistigen Kämpfe der zivilisierten Welt. Und alle Sorge müssen wir darauf wenden, diesen Kämpfen gewachsen zu sein. Orient und Okzident drohen immer mehr und mehr, in den nächsten Zeiten seelenhaft einander gegenüberzustehen. Denn Orient und Okzident haben sich nach zwei ganz verschiedenen Richtungen hin entwickelt. Will man in diese Dinge hineinschauen, dann muss man sich gewisse Erscheinungen der Gegenwart tiefgründlich als Rätsel vorlegen.
Daher wird es gar nichts nützen, wenn Deutschland sich dem Osten nur insofern freundlich verhält, indem es zum Beispiel nur mit ihm Handel treibt, das heißt zum Beispiel keine Russlandsanktionen mehr ausspricht und so weiter. Letztlich wird es Deutschland und Europa in seinem Überlebenskampf gegenüber sowohl dem Osten als auch dem Westen nur nützen, wenn der Osten und der Westen ganz real merken, dass ein positives und fruchtbares soziales und geistiges Signal von diesem Deutschland und von diesem Europa ausgeht, das nicht nur darauf aus ist, als Staat (und schließlich als Vereinigte Staaten von Europa) ein Riesenwirtschaftsunternehmen zu betreiben, einzig und allein Wirtschaft im Sinn zu haben, sondern das dem gesamten sozialen Organismus der Welt solche geistigen Impulse entgegenbringt, die schützenswert sind. Deutschland nur als Exportweltmeister wird nicht als schützenswert angesehen werden.
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