Sozialer Neuanfang statt Revolutionen und Bürgerkriege

von Ingo Hagel

 

Im Juni 2011 sprach der Autor Rolf Hochhuth in der Sendung von Harald Schmidt von dem großen Verhängnis der EU, „die nämlich zugunsten der Wirtschaft den Einzelnen immer mehr entrechtet“. Hochhuth sprach von der „Generation ihrer Kinder, meiner Enkel, wenn die nicht eine soziale Revolution lostreten ….,“ und meinte pessimistisch: „Das kann nur auf einem gewaltsamen Wege revidiert werden, durch eine Revolution, und nicht durch parlamentarische freundliche Beschlüsse, die immer liebenswürdig sind und niemals etwas bringen..“

 

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Jürgen Elsässer befragte Rolf Hochhuth dazu in der Zeitschrift COMPACT (7/2011, ein gekürztes Interview findet sich hier):

Jürgen Elsässer: Sie haben neulich in der ARD in der Abschlusssendung von Harald Schmidt zu einer „sozialen Revolution“ aufgerufen. Was wäre das denn für eine Revolution?

Rolf Hochhuth: Ich habe nicht dazu aufgerufen, sondern ich habe aufgrund gewisser geschichtlicher Erfahrungen gesagt: Die wird kommen! Es gibt zwei Kronzeugen allerersten Ranges dafür. Der eine war Fürst Metternich, Botschafter Wiens in Paris vor der Revolution 1789, später dann Österreichs Außenminister; der andere war Talleyrand, Außenminister vor der Revolution und auch noch unter Napoleon. Beide haben mit über 80 ausgesagt, dass noch wenige Wochen, bevor die Leute zur Guillotine geschleift wurden, kein Mensch am Hof von Versailles auch nur eine Gassen-Revolte für denkbar hielt. Die Revolution kam dann – ich verabscheue sie, denn sie war von ekelhafter Grausamkeit, es wurden auch Kinder enthauptet -, aber sie kam so plötzlich wie ein Vulkanausbruch auf Island. Es ist schon interessant, dass die Herrschenden vollkommen umgebungsblind werden! Macht verdummt – ….

Der Grund für diese Revolutionen liegen auch in inkompetenten Regierungen, die dem Finanzkapitalismus nicht Einhalt gebieten wollen

Es ist in der Tat eine Ungeheuerlichkeit, die auch unser inkompetenter und bankrotter Bundestag zugelassen hat, nämlich

  • auf der einen Seite die Deregulierung der Finanzmärkte, die dann die Staaten der Welt in einem irrwitzigen Zockerspiel mit Derivaten, Devisen, Credit Default Swaps und Collateral Debt Obligations in den Ruin trieben,
  • auf der anderen Seite die Verhinderung der Re-Regulierung dieser Finanzmärkte
  • und schließlich die – immer weiter sich vollziehende – Verschuldung von Generationen von Menschen zur Rettung von Banken, die aber aufgrund der aufzuwendenden Summen nicht gerettet werden können (sondern in die Insolvenz gehen müssten).

Als einer der wenigen protestierte zum Beispiel der Abgeordnete Frank Scheffler (FDP) mit Blick auf den Eurorettungsschirm:

„Wir dürfen natürlich auch nicht darauf hinweisen, dass wir am 21. Mai 2010 im Deutschen Bundestag ((bei der Verabschiedung des ersten Euro-Rettungsschirmes, Anm. Redaktion)) zwei Drittel des Steueraufkommens des Bundes für die Staatsschulden anderer Länder verpfändet haben, und dass dies ohne einen Parlamentsvorbehalt und ohne eine rechtliche Grundlage in den europäischen Verträgen vom Deutschen Bundestag durchgewunken wurde.“

Und ein zorniger Altkanzler Helmut Schmidt beklagt sich, es sei „das Wort Investmentbanker nur ein Synonym für den Typus Finanzmanager, der uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten hat ….” Und in der Welt meinte er mit Blick auf „die uferlose Handlungsfreiheit auf den globalen Finanzmärkten“, dass sich dort „intelligente, aber einäugige Idioten“ tummelten, die das Gemeinwohl nicht im Blick haben. „Man muss sie zügeln“, forderte er. „Den Willen dazu erkenne er aber nicht“, schrieb die Welt.

Zu dieser Verhinderung einer Re-Regulierung dieser Finanzmärkte durch den Staat sagte Peter Gauweiler mit Blick auf die Akteure dieser Finanzmärkte, dass „die demokratischen Staatswächter (dieser) nicht Herr werden und nicht Herr werden wollen.“

Nun, wie gesagt, dieser Parlamentarismus, der die Regulierung (und einiges andere noch dazu) vornehmen müsste, ist eben bankrott und gehört ebenso dereguliert wie die Finanzmärkte..

Die internationale Finanzwelt ist verbrecherisch

Prof. Harald Lesch wurde in der Sendung „Abenteuer Forschung“ sehr deutlich:


„Ich halte große Teile der internationalen Finanzwelt für verbrecherisch. Was da passiert, halte ich für ein Verbrechen. …. Dass einige Wenige sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, und zwar so weit, dass sie gar nicht mehr wissen, wohin mit dem Geld, das halte ich für ein Kapitalverbrechen. …. Strukturen, die sich aufgebaut haben, und die nichts anderes machen als Geld zu vermehren. Und dieses Geld sucht dann wieder Anlagen, um sich zu vermehren. Inzwischen werden Billionen in einem virtuellen Markt gehandelt, den keiner mehr beherrscht, da handeln Computer mit Computern, da wird Geld aus dem Nichts heraus erzeugt, obwohl man immer weiß, von nichts kommt nichts …. Das ist möglicherweise die Realisierung des perfekten Verbrechens. ….“

Aber diese Verbrecher kommen nicht in den Knast, sondern sie und ihre Institutionen (Banken) werden von den Parlamenten gerettet.

 

Keine Veränderungen auf parlamentarischem Wege möglich

Aufgrund seiner verschiedenen Erfahrungen mit dieser parlamentarischen Unfähigkeit und Unwilligkeit glaubt der Staatsrechtler Prof. Schachtschneider nicht mehr an Veränderungen auf parlamentarischem Wege:

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(bei 3:40): „Solange wir keine Opposition haben, eine starke Opposition, ist die Stärkung des Parlamentes auch völlig bedeutungslos. Ein Parlament vollzieht, was die Regierung aufgrund der Absprachen mit anderen Regierungen vorschreiben. Wer bestimmt eigentlich die Politik in Deutschland? Das ist doch am wenigsten der Deutsche Bundestag. Das sind doch ganz andere Kräfte. Ich will gar nicht von den Finanzmärkten sprechen, die einen ganz großen Einfluss haben: Ich meine immer, der materielle Bundeskanzler heißt in Deutschland Josef Ackermann. Aber es gibt ja auch den Einfluss von Nicolas Sarkozy und anderen. Formal muss das Parlament ja seine Rolle spielen. Aber bedeutsam wäre das erst, wenn man wirklich anders wählt.

….

(und bei 6:25): Ich denke, die Bürger werden sich das irgendwann nicht gefallen lassen und dann entweder anders wählen oder auch auf die Straße gehen.

Aufgrund der Schwäche des Rechtssystems und der Politik sieht er die BRD auf dem „Weg in die EU-Diktatur“.

Voraussetzungen für das im Grundgesetz verankerte Recht auf Widerstand des einzelnen Bürgers gegeben

Prof. Schachtschneider hält daher die Zeit gekommen, in der die Voraussetzungen für das im Grundgesetz verankerte Recht auf Widerstand des einzelnen Bürgers gegeben ist, wie er in COMPACT darstellte:

Frage: Wenn die Gefahr der Abschaffung der Demokratie droht, hat jeder Bürger das Recht zum Widerstand – so steht es in Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes. Ist der Zeitpunkt gekommen?

Schachtschneider: Allemal. So habe ich auch Anfang Juli vor dem Bundesverfassungsgericht argumentiert: Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ist in Gefahr. Durch die Griechenland- und Euro-Rettungsaktionen werden wichtige Rechtsgrundsätze ruiniert, wie etwa die Eigentumsgewährleistung, das Sozialstaatsprinzip, das Rechtsstaatsprinzip. Die demokratischen Institutionen werden entmachtet und es gibt keine Gewaltenteilung mehr. …. Jedenfalls hat diese politische Ordnung mit unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung längst nichts mehr zu tun, und deshalb hat jeder Bürger nach dem Grundgesetz das Recht zum Widerstand. Damit will ich nicht zum Kampf mit Kalaschnikows aufrufen, das würde auch nichts bringen. Es geht um Demonstrationen, Wahlenthaltung oder die Wahl freiheitlicher Parteien. Dieser Prozess ist in den Ländern um uns herum im vollen Gange, er wird schließlich auch auf Deutschland übergreifen.

Mittlerweile sind die Revolutionen bereits im Gange

Bundespräsident Wulff erwähnt zwar

„die Empörung vieler junger Menschen an vielen Orten der Welt, wenn sie sich aufregen, dass es aus ihrer Sicht nicht fair zugeht und dass zum Teil ihre Zukunftschancen bereits in der Gegenwart verbraucht werden.“

Richtiges Verständnis hört sich jedoch anders an! Oder was soll dieses verklausulierende „aus ihrer Sicht“ sagen? Dass diese Sicht der jungen Menschen nicht die Sicht der Regierenden ist? Solche noch nicht einmal halb- sondern viertel- und achtel-herzigen Äußerungen werden nicht zu einer Lösung der Situation und Verhinderung der Revolutionen beitragen.

So warnte denn auch bereits Ver.di-Chef Frank Bsirske vor sozialen Unruhen in Deutschland.

Und Gerhard Wisnewski beobachtete bereits die „Anfänge der deutschen Revolution“. Jedoch sind es offenbar sehr dubiose Netzwerke, die diese in Europa vorbereiten.

In England und Berlin haben die Aufstände bereits begonnen

Es ist nur folgerichtig, dass, wo der Staat Verbrechen und Krieg durch finanzkapitalistische Mittel zulässt von höchster Stelle aus, dann auch die Haltung des Volkes eine andere wird. Mittlerweile haben wir Plünderungen in England und das Abfackeln von Autos in Berlin. Die Nachdenkseiten schreiben dazu (Hervorhebungen IH):

„Die Gewalt in Großbritannien ist ein Symbol für das Scheitern der konservativen Ideologie in ihrer wertelosen Ausprägung. …. Indem diese Konservativen die Herrschaft der Märkte und der Selbstbereicherung als Organisationsprinzip der Ökonomie gepredigt haben, haben sie zugleich ihre sonst so hoch gehaltenen eigenen Werte ruiniert. Indem sie ihre Herrschaft mithilfe von rücksichtslosen Medienunternehmern wie Murdoch durchgesetzt und gefestigt haben, haben sie die Lebensgrundlagen demokratischer Willensbildung zerstört. …. Unsere Gesellschaften sind ziemlich weit gehend zerstört. Deshalb wird der Neuanfang nicht leicht sein. Aber es geht nichts daran vorbei, wenn man die Welle der Gewalt nicht zur Dauererscheinung werden lassen will.

Auch Jürgen Elsässer sieht in den Plünderungen in England eine folgerichtige Imitation eines global betriebenen Verbrechertums:

Die Plünderer kopieren das Muster der Finanz-Heuschrecken: Wie die Hedge-Fonds seit zwanzig Jahren über den Globus ziehen, produktive Firmen aussaugen und ganze Volkswirtschaften zerstören, so brandschatzen die Banden in London, Liverpool und Manchester eine Straße nach der anderen und klauten sich die Markenartikel zusammen. In beiden Fällen wird mit maximaler Unverschämtheit vorgegangen und Widerstand im Bedarfsfall mit Gewalt gebrochen (erinnert sei an die Economic Hit Men, die Wirtschaftskiller, von denen Insider John Perkins in seinem gleichnamigen Buch schreibt (s. dazu hier und hier auf Umkreis-Online; Anmerkung und Hervorhebung IH). In beiden Fällen geht es nicht mehr um Wertschöpfung durch Arbeit, sondern um Wertaneignung durch Diebstahl – also um den Übergang von einer Produktions- zu einer Plünderungsökonomie, vom Kapitalismus zum Kannibalismus.

Aber er kritisiert die Ideenlosigkeit in diesen und anderen Protestbewegungen:

Europa wird in diesem Sommer von Aufständen und Protestaktivitäten ohne Plan und Strategie heimgesucht. Dies trifft nicht auf Griechenland zu, wo unter Führung einer disziplinierten KP der Protest nur in Ausläufern chaotisch ist und ansonsten immerhin ein Ziel – Austritt aus der EU – fixiert wird. Aber sonst? Was sollen die „Shopping Riots“ in London? Das Rumhängen und Campen auf öffentlichen Plätzen wie in Madrid? Die Autobrennerei in Berlin? Nirgends werden Forderungen formuliert, das Ganze ist nur Happening und/oder Kriminalität, die Träger haben mit der arbeitenden Bevölkerung überhaupt nichts zu tun. Alle diese amorphen Bewegungen sind offen für Agents Provocateurs jeder Sorte und wollen nichts wissen von DER entscheidenden Frage, die die Massen wirklich berührt: die Frage des kollabierenden Euro, der drohenden Euro-Diktatur, der Rettung unserer Ersparnisse UND unserer Demokratie.

Auch Webster Tarpley kritisiert die Occupy Wall Street Bewegung in New York und deren neueste Deklaration für ihre Ideenlosigkeit.

Dieses Dokument bietet keine Analyse der momentanen wirtschaftlichen Krise. Stattdessen stellt es eine lange Liste von Beschwerden dar, von denen viele begründet sind, andere nicht. Aber am wichtigsten ist, dass dieses Dokument keine einzige konkrete Forderung, Maßnahme oder Programm-Punkt enthält, für den die Protestler im Interesse des amerikanischen Volkes kämpfen wollen. In diesem Sinne ist das Dokument ein Beleg für moralische und intellektuelle Impotenz. Es quengelt und bringt Beschwerden vor, tut aber nichts, um den in vielen Bereichen verbreiteten Verdacht zu bekämpfen, die Occupy Wall Street Bewegung werde von Soros unterstützt (als Mittel zur Wiederwahl von Obama; Anmerkung IH).

Aber auf der anderen Seite meinte Jürgen Elsässer richtig,

ist es vielleicht doch ein Fortschritt, wenn sich Andersdenkende erstmal ohne politische Vorgaben und Forderungen treffen, und zwar nicht nur im Internet, sondern auch im wirklichen Leben. So entsteht zwar keine Revolution, aber immerhin ein politisches Kraftfeld, das nicht von den Etablierten kontrolliert wird. Die werden zwar sofort ihre Einfussagenten losschicken – in New York haben sich bereits Soros und Obama angeschleimt! -, um die Zeltrebellen in ihre Richtung zu ziehen. Aber die Chancen, dieser Einflussnahme zu trotzen, stehen auf den „Volksversammlungen“ vermutlich viel besser als im Bundestag.

Könnte es sein, dass diese Menschen fernab von allen geschliffenen politischen und ökonomischen Strategien noch von anderen Dingen auf dem Grunde ihrer Seelen (unbewusst) bewegt werden? Ähnlich ist es in Deutschland mit der neuen Piratenpartei, die in Berlin aus dem Stand 8,9 Prozent der Stimmen gewann, aber aufgrund ihrer politischen Ungeprägtheit vom Spiegel verständnislos „die Weiß-noch-nicht-Partei“ genannt wurde.

Rudolf Steiners Rat zur Vermeidung von Revolutionen

Rolf Hochhuth hat mit den von ihm erwähnten Revolutionen ein historisch begründetes Gespür ausgesprochen, mit dem er nicht alleine dasteht. Aber muss die von ihm angenommene Unausweichlichkeit zutreffend sein? Bereits Rudolf Steiner wies ja (in GA 24) darauf hin, dass Revolutionen nicht zwangsläufig auftreten, sondern immer dann, wenn das, was sich in der Entwicklung der Welt vollziehen will, unterdrückt wird (Hervorhebung IH):

Wenn die wirtschaftlich Mächtigen in der Lage sind, ihre Macht zur Erringung von Rechtsvorteilen zu gebrauchen, so wird sich bei den wirtschaftlich Schwachen der Widerstand gegen diese Vorteile entwickeln. Und dieser muss, wenn er genügend stark geworden ist, zu revolutionären Erschütterungen führen. Ist durch das Vorhandensein eines besonderen Rechtsbodens das Entstehen solcher Rechtsvorteile unmöglich, so werden solche Erschütterungen nicht eintreten können. Was von diesem Rechtsboden aus fortwährend geschieht, wird ein geordnetes Ausleben der Kräfte sein, die sich ohne denselben in den Menschen ansammeln und zu gewaltsamen Entladungen führen. Wer Revolutionen vermeiden will, der muss an die Errichtung einer gesellschaftlichen Ordnung denken, durch die im Flusse der Zeit geschieht, was sich sonst in einem weltgeschichtlichen Augenblick vollziehen will.

Revolutionen sind also nur dann unausweichlich, wenn Veränderungen nicht zugelassen werden, und man ideenlos einfach so weiter macht im sozialen Organismus.

Notoperationen

In der Tat stehen angesichts der ernsten Weltwirtschaftskrise einige Notoperationen an, um das Schlimmste für die Menschen zu verhindern. Nehmen wir an, diese Notoperationen und Regulierungen des Finanzsektors würden tatsächlich durchgeführt – anstatt die Welt an einen übergeschnappten Finanzkapitalismus zu verfüttern – und das Schlimmste könnte damit fürs erste abgewendet werden. – Oder nehmen wir den schlimmeren Fall an, dass diese Revolutionen, sozialen Unruhen, Bürgerkriege etc. kommen, und nach 66 Jahren des Friedens in Europa als erneute Welterschütterung ihr grausames Werk verrichten.

Was soll denn dann nach diesen Revolutionen kommen?

Machen wir mit dann unserer gepriesenen (sogenannten) freien Marktwirtschaft inklusive aller parlamentarischen, gesellschaftlichen etc. „Errungenschaften“, die uns in dieses Dilemma geführt haben, einfach so weiter? Und dann dümpelt dieses politische, wirtschaftliche und geistige System wieder eine Weile so vor sich hin, bis es dann unausweichlich – wie das jetzige System – wieder auf die nächste Revolution zusteuert?

Kann man denn im Ernst glauben, dass eine eventuelle Restaurierung der gesellschaftlichen Verhältnisse Deutschlands (nach der Revolution) zum Beispiel hin zu den seligen Zeiten eines deutschen Auenlandes zu Zeiten des Ludwig Erhardschen Wirtschaftswunders ein prickelndes Ziel darstellt, das irgendeinen der jungen Hobbits hinter dem Ofen hervorlocken könnte? Oder stünden nicht auf den Gebieten des Wirtschaftslebens, des Staatslebens (Politik und Rechtsleben) und des Geisteslebens umfassende Änderungen an, die zum Beispiel anders als unser lächerlicher Bundes-Parlamentarismus (mit einer Wahl alle vier Jahre….) den Menschen wirklich eine – und zwar täglich in den einzelnen Lebensgebieten und Berufen zu vollziehende – Teilhabe am gesellschaftlichen und demokratischen Leben ermöglichten?

Soziale Dreigliederung statt Revolutionen und Bürgerkriege

Rudolf Steiner hat ein solches gesellschaftliches System als Soziale Dreigliederung bereits vor über 90 Jahren konzipiert (s. zum Beispiel hier, hier, hierund hier auf Umkreis-Online).

Von dieser Sozialen Dreigliederung sagte er (in GA 186):

Ich habe den verschiedenen Leuten, zu denen ich im Lauf der letzten Jahre von diesen sozialen Impulsen als von einer Notwendigkeit gesprochen habe, die Sache in der folgenden Weise dargestellt. Ich habe gesagt: Das, was hier gemeint ist (die Dreigliederung des sozialen Organismus; Anmerkung IH), und was ganz und gar kein abstraktes Programm ist, das will sich durch die historischen Impulse in den nächsten zwanzig bis dreißig Jahren in der Welt verwirklichen. Sie haben die Wahl – so konnte man dazumal zu den Leuten, die noch die Wahl hatten, sprechen; heute haben sie sie nicht mehr -, entweder Vernunft anzunehmen und sich auf solche Dinge einzulassen, oder aber zu erleben, daß die Dinge sich durch Kataklysmen, durch Revolutionen in der chaotischsten Weise verwirklichen werden. Eine andere Alternative gibt es eben für diese Dinge im Verlauf des weltgeschichtlichen Geschehens nicht. Und heute ist einmal die Anforderung, daß solche Dinge verstanden werden, die den wirklich in der Welt wirksamen Impulsen entnommen sind. Heute ist eben nicht die Zeit, wie ich wiederholt betont habe, in der jeder sagen kann: Ich glaube, dass dies oder jenes geschieht oder geschehen soll, – sondern heute ist die Zeit, wo nur derjenige wirksam etwas über die Notwendigkeiten der Zeit zu sagen vermag, der in der Lage ist, das anzuschauen, was sich im Laufe der Zeit verwirklichen will. …. Und ich will heute …. nur noch kurz wiederholen, dass es sich darum gehandelt hat, dass diese Konfusion der sozialen Struktur, welche allmählich zu diesen katastrophalen Ereignissen der letzten Jahre in der ganzen Welt geführt hat, dass diese Konfusion ersetzt werden muss, einfach ersetzt werden muss durch jene Dreigliederung der sozialen Struktur …. Sie haben gesehen, dass diese Dreigliederung darauf hinausläuft, dass dasjenige, was bisher in konfuser Weise der einheitlichen, scheinbar einheitlichen Staatsorganisation zugrunde lag, dass das in getrennte Gebiete sich auflösen muss. Es wird sich auflösen in die drei Gebiete, von denen ich das erste bezeichnet habe als das der politischen oder Sicherheitsordnung; das zweite als das Gebiet der sozialen Organisation, der wirtschaftlichen Organisation; das dritte als das Gebiet der freien geistigen Produktion (Hervorhebungen IH).

Zudem legte er an anderer Stelle (GA 24) den Menschen ans Herz, dass die Gedanken, die er zur Dreigliederung des sozialen Organismus vorbrachte,

„nicht die eines einzelnen Menschen sind, sondern dass sie das unbewusste Wollen der europäischen Menschheit ausdrücken.“

Dies bedeutet, diese Gedanken liegen auf dem Grunde unser aller Seelen, auch wenn viele Menschen das nicht wahrhaben wollen. Das, was man aber nicht wahrhaben will, existiert trotzdem und drängt zur Verwirklichung. Wenn die Menschen diesem ihrem eigenen Wollen nicht zuhören und immer wieder in die falsche Richtung arbeiten, dann müssen natürlich Revolutionen kommen. Aber unausweichlich sind sie nicht. Vielleicht wäre es auch daher einmal wert, über die Ziele und Perspektiven der von Rudolf Steiner dargestellten Dreigliederung nachzudenken. Die Zeichen, die uns heute wieder dazu auffordern, sind wahrlich ernst genug.