Wladimir Putins Botschaft an den Westen auf dem Waldai-Forum in Sotchi 2014

 

 von Ingo Hagel

 

Vladimir Putins Rede auf dem Valdai 2014

Am 24. Oktober 2014 hielt der russische Präsident Wladimir Putin auf der 11. Konferenz des Waldai-Klubs in Sotschi eine etwa 40-minütige Ansprache, in der er vor allem auf Fragen der Außenpolitik einging.

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Bereits im Dezember 2014 auf der Seite Zum Zeitgeschehen schrieb ich dazu: Eine bemerkenswerte und herausragende Rede. Es wäre dringend nötig, dass dieser Geist der Offenheit und Ehrlichkeit auch in die Politik des Westens Einzug fände. Denn aus Putins Rede und Intentionen lässt sich etwas machen – aus der Politik des Westens nicht.

Leider ist die Lautstärke der verdienstvollen deutschen Übersetzung im obigen Clip zu leise eingestellt worden. Ich verweise daher auf ein Transkript von Putins Rede auf der Seite Chartophylakeion. Hier der Beginn:

Verehrte Kollegen! Meine Damen und Herren, liebe Freunde! Ich freue mich, Sie auf der 11. Konferenz des Diskussionsklubs “Waldai” zu begrüßen.

Es wurde hier schon gesagt, dass es in diesem Jahr neue Mit-Organisatoren des Klubs gibt. Darunter sind russische Nichtregierungsorganisationen und Fachverbände, führende Universitäten. Außerdem wurde die Idee eingebracht, außer den rein russischen Fragen auch Fragen der globalen Politik und Wirtschaft zur Besprechung einzubringen.

Ich rechne damit, dass diese organisatorischen und inhaltlichen Änderungen die Positionen des Klubs als eine der einflussreichen Diskussions- und Expertenplattformen festigen werden. Dazu rechne ich auch damit, dass der sogenannte Geist von Waldai bewahrt werden kann, und dieser Geist ist die Freiheit, Offenheit, und die Möglichkeit, verschiedenste und dabei offene Meinungen zu vertreten.

In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, dass ich Sie auch nicht enttäuschen werde: ich werde direkt und offen sprechen. Einige Dinge werden Ihnen möglicherweise zu hart erscheinen. Aber wenn wir nicht offen und direkt, ehrlich sagen, was wir wirklich und in Wahrheit denken, dann hat es keinen Sinn, uns in einem solchen Format zusammenzufinden. Dann müsste man sich in irgendwelchen Diplomatenzirkeln versammeln, wo niemand wirklich etwas sagt, und – im Gedenken an die Aussage eines bekannten Diplomaten – kann man nur darauf verweisen, dass Diplomaten eine Zunge haben, um damit nicht die Wahrheit zu sprechen.

Wir versammeln uns hier mit einer anderen Zielsetzung. Wir versammeln uns, um offen zu sprechen. Eine Direktheit und Härte der Einschätzungen braucht man heute durchaus nicht dazu, um miteinander zu zanken, sondern um verstehen zu versuchen, was denn in Wirklichkeit in der Welt vor sich geht, warum sie immer weniger sicher und vorhersagbar wird, weshalb allenorts die Risiken steigen.

Das Thema des heutigen Treffens, der Diskussionen, die hier stattfanden, wurde schon benannt: “Neue Spielregeln oder Spiel ohne Regeln”. Meines Erachtens ist dieses Thema, diese Formulierung durchaus genau, wenn es darum geht, den historischen Scheideweg zu beschreiben, an der wir uns befinden, oder die Wahl, die wir alle zu treffen haben.

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Es hat sich weltweit eine Menge an Widersprüchen angesammelt. Und man muss einander offen fragen, ob wir denn über ein verlässliches Sicherheitsnetz verfügen. Leider gibt es keinerlei Garantien dafür, dass das bestehende System der globalen und regionalen Sicherheit dazu in der Lage wäre, uns vor Erschütterungen zu bewahren. Dieses System ist ernsthaft geschwächt, gebrochen und deformiert worden. Eine schwierige Zeit durchleben internationale und regionale Institutionen der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit.

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Vielleicht ist die Einzigartigkeit der Vereinigten Staaten, die Art, auf die sie ihre Führungsrolle ausüben, etwas für alle wirklich Gutes, und ihre allgegenwärtige Einmischung in alle Angelegenheiten dieser Welt bringt in Wirklichkeit Ruhe, Wohlergehen, Fortschritt, Gedeihen und Demokratie – und wir sollten uns einfach entspannen und es genießen?

Ich erlaube mir zu sagen, dass es sich nicht so verhält. Es ist ganz und gar nicht so.  ……

 

Nun schrieb Kai Ehlers eine ausführliche Würdigung zu dieser bedeutenden Rede:

Wladimir Putins Botschaft an den Westen auf dem Waldai-Forum in Sotchi

Es war ein beachtlicher Auftritt mit dem Anspruch, eine globale Alternative zu präsentieren. Michael Gorbatschow erklärte, die Rede habe ihn erschüttert, und versuchte der deutschen Regierung als deren Ehrengast zum Jahrestag des Mauerfalls wegen der von ihr betriebenen gegenwärtigen russlandfeindlichen Politik ins Gewissen zu reden. Viele vom Putin-Bashing der zurückliegenden Monate ermüdete Menschen fühlen sich durch die Rede ermutigt. Mit seinem Blitzbesuch bei Fidel Castro am Rande der erfolgreichen Gründung einer eigenen Entwicklungsbank seitens der BRICS-Staaten setzte Putin ein bemerkenswertes Signal. 

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Putins Rede soll hier unter drei Gesichtspunkten erörtert werden: was Putin gesagt hat, worin er sich widerspricht und schließlich, was er nicht gesagt hat; dies alles sehr knapp. Wer ins Detail gehen möchte, was unbedingt zu empfehlen ist, möge die Rede in Gänze selbst lesen, ebenso übrigens auch die oben zitierte Rede Obamas vor der UNO. 

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In seiner Rede auf dem Waldai-Forum erhebt Putin nicht mehr nur Klage, er weist die unipolare Weltordnung der USA unmissverständlich als nicht mehr hinzunehmende Verunsicherung der Welt zurück, er kritisiert die USA und ihre „Satelliten“ dafür, unter der Vorgabe die Weltordnung sichern zu wollen, faktisch  Chaos, Unruhe und Konflikte zu stiften, um die eigene Hegemonie zu erhalten. 

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Und selbstbewusst offeriert Putin in der Rede als mögliche Alternative die gleichberechtigte Kooperation autonomer Großregionen, die nicht mehr bereit sind, sich dem Diktat der USA zu beugen, die nicht mehr bereit sind, die Anarchisierung der globalen Ordnung, die Zerstörung nationaler Souveränität Schwächerer durch einen einzigen Hegemon weiter hinzunehmen. Die Frage der Souveränität, so Putin, werde heute „geradezu zur wichtigsten Frage der Erhaltung der weltweiten Stabilität“, wenn verhindert werden solle, dass immer mehr Staaten aus Angst vor Übergriffen glaubten, sich durch Anschaffung von Massenvernichtungswaffen schützen zu müssen.

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Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rede als das, was sie tatsächlich ist, als Vorstoß für ein Krisenmanagement, das die zerstörerischen Auswirkungen des Niederganges der US-Hegemonie zu mildern versucht, indem es eine neue globale Sicherheitsordnung vorschlägt. Dies allerdings immerhin! Sie könnte  ein Zeitfenster für Alternativen öffnen. Entwicklungsspielraum. Hier darf man Putin zustimmen, wenn man Konflikte nicht scheut, sogar gratulieren und danken. Das Machtmanagement ist seine Stärke. Da macht ihm keiner aus der Riege der gegenwärtigen „Kollegen“ etwas vor. Einen Ausweg aus der globalen Krise des Kapitals weist die Rede jedoch definitiv nicht. Den müssen andere finden.