Schweizer Schokolade 

 

von Stella Hagel

 

Die Mutter kocht in der Küche Mittagessen. Die drei Buben dekorieren das Wohnzimmer und führen Konversation mit Tante und Onkel aus der Schweiz. Diese haben natürlich Schweizer Schokolade mitgebracht. Jeder der Buben hat eine für sich, und ich als ihre Tante gehe davon aus, dass sie nun groß genug sind und selbstverständlich wissen: Schokolade gibt es erst nach dem Mittagessen! Doch die Buben kamen hungrig aus der Schule, und da das Essen noch nicht fertig ist, steckt sich Ossian ein Stückchen in den Mund. Ich: „Ossian! Doch nicht vor dem Mittagessen!“ Ossian: „Nein, tu ich auch nicht.“ Ich: „Und was war das eben?“ Ossian: „Och, das war nur ein Stück.“ Severin schiebt sich jetzt auch ein Stück in den Mund, Ossian ebenfalls noch eins. Tante ziemlich empört: „Hört mal, Ihr esst ja jetzt doch schon die Schokolade vor dem Essen, und die Mama kocht gerade, und Ihr habt wieder keinen Hunger mehr.“ Die Tante kennt eben diese besonderen Pappenheimer. Diese lächeln sie freundlich an. „Wir essen doch gar keine Schokolade.“ Die Tante: „Ich hab’s doch ganz genau gesehen.“ Und dann erbost: „Na, Ihr könnt mal froh sein, dass ich nicht Eure Mutter bin.“ Ossian lächelt ganz liebreizend: „Nein, das sind wir aber nicht.“ Ich: „Was seid Ihr nicht?“ Ossian: „Wir sind nicht froh, dass Du nicht unsere Mutter bist.“ Sie lieben ihre Mama heiß und innig und haben ihre Tante auch gern, das weiß ich. Trotzdem verstehe ich im Moment nicht, was er meint: „Wieso, seid Ihr da nicht froh? Gerade habe ich Euch doch etwas verboten?“ Ossian: „Du hast ja auch recht, dass Du uns das verbietest.“ Tante verständnislos: „Ihr habt aber doch gar nicht gern, wenn man Euch etwas verbietet, wieso seid Ihr dann nicht froh?“ Severin: „Nein, weil Schokoladeessen vor dem Mittagessen nicht gesund ist.“ Er schiebt sich noch ein Stück in den Mund. Kieran, der am Klavier sitzt, auf dem er während der Debatte herumgeklimpert hat, dreht sich jetzt um: „Du verbietest uns ja nichts, um es zu verbieten, Du willst ja nur nicht, dass wir etwas tun, was für uns nicht gesund ist.“ „Genau“, lächelt Ossian. „Deshalb sind wir auch nicht froh, dass Du nicht unsere Mutter bist.“ Freundlich und völlig einverstanden mit mir lächeln drei Augenpaare mich liebevoll an, und zwei der Buben stecken sich ganz harmlos ein weiteres Stück Schokolade in den Mund.