Prof. Schachtschneider zur Souveränität Deutschlands – Zerstörerische Eingriffe in diese erfolgen durch die Europäische Union und durch unsere eigenen Staatsorgane

Zusammenfassung: Ingo Hagel 

 

Das Interview mit Prof. Schachtschneider zur Souveränität Deutschlands ist hochaktuell. Gerade eben hatte sich der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mal wieder zu Wort gemeldet: „Die Länder müssen Souveränität abgeben“ meinte er, und unterstützte damit den Vorschlag von Finanzminister Schäuble (CDU) , die Befugnisse des EU-Währungskommissars deutlich zu erweitern. Schäuble will dem Haushaltskommissar direkte Zugriffsrechte auf die Haushalte der Euro-Länder übertragen. Draghi: „Ich bin sicher: Wenn wir das Vertrauen in die Euro-Zone wiederherstellen wollen, müssen die Länder einen Teil ihrer Souveränität an die europäische Ebene abtreten“.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

 

 

Begriff der Souveränität ist im Staatsrecht nur unzureichend geklärt

Prof. Schachtschneider verweist auf sein Buch, dessen Anliegen es ist, die Souveränität Deutschlands und die Souveränität der einzelnen Staaten in Europa zu verteidigen. Was heißt denn Souveränität überhaupt? Der Begriff der Souveränität ist im Staatsrecht nur unzureichend geklärt und behandelt. Auch die Volkssouveränität wird heute immer noch missverstanden, denn sie wird gelehrt als eine Herrschaft, die es aber nicht gibt, denn das Volk kann nur frei sein beziehungsweise sollte frei sein. Herrschaft üben immer nur Wenige über die Vielen aus. Aber leider ist das mit der „Herrschaft“ immer noch gängige Vorstellung.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat keinen Souveränitätsbegriff

Auch das Bundesverfassungsgericht hat keinen Souveränitätsbegriff, obwohl dieser Begriff für das Bundesverfassungsgericht sehr wichtig ist. Obwohl es diesen Begriff ständig benutzt, hat es nie geklärt, was Souveränität eigentlich ist. Der Leitsatz für Professor Schachtschneider zur Souveränität ist der, dass souverän ist, wer frei ist. Aber Schachtschneider meint mit dieser Art von Souveränität nicht die Volkssouveränität im allgemeinen Sinne, sondern eine Bürgersouveränität, die Souveränität jedes einzelnen Bürgers, ausgeübt natürlich durch die Bürgerschaft insgesamt. Und das bedarf der bestmöglichen politischen Form, und diese politische Form kann nur die Demokratie sein.

In der politischen Diskussionen ist der Begriff der Souveränität mittlerweile in den Vordergrund gerückt, allerdings scheint auch hier die Vorstellung von Souveränität völlig unklar zu sein.

Schachtschneider führte aus, wenn man Souveränität als Freiheit begreift, dann kann diese Souveränität dem Menschen nicht genommen werden.Denn die Menschen sind frei. Die Freiheit ist mit den Menschen geboren. In der Praxis kann die Freiheit allerdings beschränkt werden,und sie ist in Deutschland beschränkt worden, und sie kann verletzt werden.

Zu Finanzminister Schäubles Aussage, nach der Deutschland noch nie souverän gewesen sei seit dem 8. Mai 1945

Jürgen Elsässer fragt Prof. Schachtschneider zu dieser schockierenden Aussage von Finanzminister Schäuble, nach der Deutschland noch nie souverän gewesen ist seit dem 8. Mai 1945. Hat Wolfgang Schäuble recht damit?

Prof. Schachtschneider ist der Auffassung, dass Schäuble nicht recht hat. Dazu attestiert Schachtschneider Schäuble nur begrenzte juristische Kenntnisse, obwohl Schäuble doch studierter Jurist ist. Denn die Alliierten haben nach der Besetzung Deutschlands 1945 Deutschlands Souveränität nicht aufgehoben, Sie haben Deutschland auch nicht okkupiert, ganz im Gegenteil, alle sind davon ausgegangen – und auch die Alliierten -, dass Deutschland fortbesteht in der Form des Deutschen Reiches von 1871, das Bismarck gegründet hat. Dieses Deutsche Reich hat zwar mit dem Grundgesetz eine neue Verfassung bekommen, aber es ist niemals als solches aufgehoben worden. Alle Kriterien eines eigenen Staates blieben (Volk, eigenes Territorium, in dem eine gewisse Ordnung herrscht und so weiter). Allerdings wurde die Staatsgewalt, genauer gesagt die Regierungsgewalt, nicht vom deutschen Volk, sondern von den Alliierten ausgeübt – wie viele sagen: treuhänderisch für Deutschland. Die Alliierten haben also Kraft ihrer eigenen Souveränität die Staatsgewalt in Deutschland ausgeübt letztlich – in gewissen Grenzen – bis zum Jahr 1990, bis zum Zwei-plus-Vier-Vertrag.

Deutschland hat die volle Souveränität

Schachtschneider verweist weiter auf den Deutschlandvertrag, der bereits 1952 geschlossen worden war, aber erst 1955 in Kraft trat. Deutschland hatte mit diesem Vertrag bereits die Hoheitsrechte eines souveränen Staates zugestanden bekommen, auch wenn es sich dabei wohl teilweise um ein sibyllinische Formulierungen handelte. Es hieß nicht: „die Souveränität“, sondern es handelte sich nur um die Hoheitsrechte eines souveränen Staates. Offenbar unterschied man damals diesen souveränen Staat Deutschland von der Souveränität Deutschlands als solcher. Die West-Alliierten behielten sich damals die Verantwortung für Deutschland vor, für Deutschland als Ganzes, für Berlin, und für einen Friedensprozess. Und im Zuge dieser Wiedervereinigung steht eben drinnen im Zwei-plus-Vier-Vertrag, dass dieses wiedervereinigte Deutschland die volle Souveränität habe. Und dieser Begriffe der „vollen Souveränität“ ist nun einmal der völkerrechtliche Begriff für die Souveränität.

Friedensvertrag mit Deutschland

Jürgen Elsässer: Wenn das nun wirklich ernst gemeint gewesen wäre mit der „vollen Souveränität“, hätten denn dann die Alliierten nicht gleichzeitig einen Friedensvertrag mit Deutschland schließen müssen?

Prof. Schachtschneider weist darauf hin, dass dieser Friedensvertrag tatsächlich immer ausstand. Und es ist ein Gebot des Völkerrechtes, nach einem Krieg einen Friedensvertrag zu schließen. Tatsächlich wurde dieser bis heute noch nicht geschlossen. Schachtschneider verweist auf die Schwierigkeiten mit Blick auf das Problem des geteilten Deutschlands: Man wusste nicht, mit wem man diesen Friedensvertrag schließen sollte.

Jürgen Elsässer: Aber ab dem 3. Oktober 1990 gibt es doch eine gesamtdeutsche Regierung, und die wäre doch der Ansprechpartner für einen solchen Friedensvertrag gewesen?

Schachtschneider erwiderte, dass das in der Tat bis heute nicht geschehen ist. Und das ist auch ein Defizit des Zwei-plus-Vier-Vertrages. Die Lehre sagt dazu, dass es nicht mehr nötig sei, weil der Sache nach Friedensverhältnisse bestehen. Viele hielten daher die Forderung nach einem Friedensvertrag für Deutschland für obsolet, aber Schachtschneider teilt diese Auffassung nicht. Denn Deutschland ist offiziell noch Feindstaat. Er verweist auf die Feindstaatenklausel in der UNO-Charta. Diese Feindstaatenklausel gibt den Ländern erhebliche Rechte, falls Deutschland eine Politik gemacht hat, von der man meint, sie gefährde in Nachfolge des Zweiten Weltkrieges die friedlichen Verhältnisse. Und darunter kann man natürlich manch eine Politik subsumieren.

Feindstaatenklausel kein Widerspruch zur Souveränität Deutschlands

Aber Schachtschneider weist darauf hin, dass die Feindstaatenklausel keinen Widerspruch darstellt zur Souveränität, denn auch ein eventueller Feind ist natürlich durchaus souverän. Und die Souveränität Deutschlands ergibt sich aus der Staatseigenschaft Deutschlands und insbesondere daraus, dass Deutschland freie Bürger hat, auch wenn das nicht in jeder Weise gelebt wird. Trotzdem meint Schachtschneider, es wäre besser, wenn die Feindstaatenklausel aufgehoben würde.

Angesprochen wurde auch die Problematik, die Feindstaatenklausel zu nehmen, um einen eventuellen Widerstand Deutschlands gegen die Euro-Rettung zu brechen, indem deutsches Vermögen im Ausland beschlagnahmt wird

NATO ist ein Rechtsproblem

Zur Souveränität gehört auch die Verteidigungsfähigkeit. Schachtschneider bekräftigt, Deutschland sei alleine nicht verteidigungsfähig. Dies ist für ihn ein Grund, warum es Sinn macht, dass Deutschland in der NATO ist. Allerdings sieht er in der NATO ein Rechtsproblem, weil er diese als Verteidigungsbündnis für zu stark hält. Derartige Bündnisse gefährden andere Völker. Auch die Verteidigungsfähigkeit muss im Rahmen bleiben, jedenfalls in dem Rahmen, der Angriffskriege ausschließt. Und die NATO übersteigt diesen Rahmen auf jeden Fall.

Jürgen Elsässer spracht die Problematik an, dass Deutschland mit den Amerikanern zum Beispiel in Afghanistan kämpfen muss.

Deutschland Kriegs-Einsätze sind Angriffskriege – Wer dazu beiträgt, ist zu bestrafen

Schachtschneider meinte, Deutschland müsse gar nichts, wir dürfen eigentlich auch nicht, denn es sind Angriffskriege in seinen Augen, und Viele sehen das ebenso. Auch ist ein Angriffskrieg nach Art. 26 des Grundgesetzes verboten. Wer dazu beiträgt, ist zu bestrafen, auch das steht im Grundgesetz. Und das NATO-Bündnis kann uns dazu nicht zwingen.

Bundeswehr nur berechtigt zur Verteidigung

Schachtschneider verweist auf die neue NATO-Doktrin, die sich nun verantwortlich fühlt für den Weltfrieden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese neue NATO-Doktrin akzeptiert als eine Weiterentwicklung des Bündnisses. Aber rechtlich ist diese Doktrin nicht zu akzeptieren, denn das Verbot des Angriffskrieges im Grundgesetz steht in jedem Fall über dieser NATO-Doktrin. Gemäß Grundgesetz ist die Bundeswehr nur berechtigt zur Verteidigung. Zudem verletzen Angriffskriege das Gewaltsverbot der Vereinten Nationen. Schachtschneider hält daher die Mitgliedschaft in der NATO für mittlerweile rechtswidrig.

Jürgen Elsässer fragt, ob durch diese Wandlung der NATO von einem Verteidigungsbündnis zu einem Aggressionsbündnis die völkerrechtliche Grundlage für den Beitritt Deutschlands zu diesem Bündnis entfallen ist.

Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO inzwischen rechtswidrig

Schachtschneider stimmte hinzu, er würde das auch so sehen. Die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO sei inzwischen rechtswidrig geworden. Er würde allerdings nicht so weit gehen, in einem Ausscheiden Deutschlands aus der NATO einen feindlichen Akt zu sehen.

Völkerrechtliche Relevanz von Geheimverträgen – Die Kanzlerakte

Jürgen Elsässer spricht eine Frage an, die im Internet offenbar viele bewältigt, nämlich die Frage nach möglichen Geheimverträgen und deren Relevanz. Jürgen Elsässer spricht die sogenannte Kanzlerakte an. Was allerdings im Internet als Kanzlerakte als PDF herumgereicht wird, ist eine primitive Fälschung. Aber was ist zum Beispiel mit den geheimen Dokumenten, die zu unterschreiben offenbar Willy Brandt vor seiner Kanzlerschaft gezwungen war, wie Egon Bahr berichtet? Sind Geheimverträge überhaupt völkerrechtlich bindend, egal was darin steht?

Diese Frage wird von Prof. Schachtschneider verneint. Kein Geheimvertrag hat irgendeine Völkerrechtliche Verbindlichkeit. Eine Verifikation solcher Verträge oder überhaupt irgendwelcher Verträge setzt in Deutschland die Zustimmung beider Häuser voraus, das heißt also sowohl des Bundesrates als auch des Bundestages. Es gibt keine Zustimmung zu Verträgen ohne Ratifikation beziehungsweise ohne Zustimmung durch das Parlament und den Bundespräsidenten. Also kein Geheimvertrag hat irgendeine völkerrechtliche Verbindlichkeit. Dennoch können Geheimverträge geschlossen werden und sind immer wieder geschlossen worden, und es ist Praxis, dass sich Regierungen nach diesen geheimen Verträgen richten. Aber das heißt ja eben nur, dass viel Politik gemacht wird, die nicht öffentlich gemacht wird –  entgegen dem Grundgesetz und entgegen dem demokratischen Prinzip.

Zerstörerische Eingriffe in unsere Souveränität durch die Europäische Union

Jürgen Elsässer: Wenn ich sie richtig verstanden habe, ist die deutsche Souveränität nach 1945 zwar eingeschränkt gewesen, aber wirklich zerstörerische Eingriffe in unsere Souveränität haben wir erst in neuerer Zeit erfahren, und zwar nicht über die NATO oder die USA sondern durch die Europäische Union erfahren.

Prof. Schachtschneider: Ja, das muss man leider so sehen. Allerdings hebt die europäische Integration die deutsche Souveränität nicht auf, obwohl es leider immer an der Grenze ist. Aber sie verletzt diese Souveränität in erheblichem Maße. Diese Verletzungen können soweit gehen, dass die Souveränität letztlich überhaupt nicht mehr gelebt werden kann.

Souveränitätsverletzungen werden von unseren eigenen Staatsorganen bewirkt

Allerdings könnte Deutschland jederzeit aus der Europäischen Union aussteigen, das Austrittsrecht ist ja im Lissabon Vertrag festgelegt. Auch existiert ja das Prinzip der ständigen Freiwilligkeit in der Europäischen Union. Und selbst verständlich kann Deutschland auch eigenständig aus der Währungsunion aussteigen. Dieses steht nicht nur im Maastricht-Urteil, sondern wurde auch im letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. September betont. Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass diese Souveränitätsverletzungen von unseren eigenen Staatsorganen bewirkt werden – also nicht nicht nur von außen, sondern auch von innen. Deutschland selbst verletzt die Grundprinzipien seiner eigenen Verfassung. Im übrigen ist die gesamte europäische Rechtssetzung souveränitätswidrig, denn sie ist nicht demokratisch legitimiert.

Faktische Entmachtung Deutschlands

Noch viel schlimmer ist, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes so einflussreich ist. Es wird eine faktische Entmachtung Deutschlands betrieben. Auch der ESM ist nochmals eine Steigerung der Souveränitätsverletzungen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt das immer damit, dass das Parlament, womit immer Bundesrat und Bundestag gemeint sind, dem allem zugestimmt hat. Aber diese Staatsfinanzierung, die durch den ESM angestrebt werden, sind schlichtweg souveränitätswidrig. Es ist mit der Souveränität nicht zu vereinbaren, dass Gelder in Anspruch genommen werden zur Finanzierung fremder Staaten. Auch die Übertragung der Währungshoheit auf Organe, auf die wir keinen bestimmenden Einfluss haben, widerspricht dem Souveränitäts-Gedanken. Deutschland hat seine alte Währung aufgegeben, ohne dass überhaupt je ein neuer europäischer Staat geschaffen worden ist. Das ist natürlich mit irgendeinem Souveränitäts-Gedanken niemals zu vereinbar. Und alle Rettungsmaßnahmen, wie sie auch alle heißen, gehören mit dazu zu diesem Souveränitätsverletzungen. Und der Gedanke, dass das Parlament diesem allem ja zugestimmt hat, rechtfertigt diese Verletzung der Souveränität in keiner Weise.

Prof. Schachtschneider ist der Ansicht, dass die durch die EZB betriebene Geldmengenerweiterung und so weiter letzten Endes zu einer Währungsreform und damit zu einer weitreichenden Enteignung der Bürger führen wird.

Perspektiven eines demokratischen Widerstandes

Jürgen Elsässer sprach die Perspektiven eines demokratischen Widerstandes an. Er sieht vom Staats-, Völker- beziehungsweise Verfassungsrechtlichen her drei mögliche Positionen: Die erste geht auf eine neue Verfassung: Man könne darauf drängen, dass Art. 146 des Grundgesetzes endlich umgesetzt wird und eine neue Verfassung im Volksabstimmung vorgelegt wird. Das Problem dabei ist, dass Schäuble, die SPD und andere diese Verfassungsfrage nutzen wollen, um das Grundgesetz auf die europäische Ebene zu überführen.

Zweite Möglichkeit: Verteidigung des Grundgesetzes im Wissen, dass eine Volksabstimmung zu einer neuen Verfassung nur eine Verschlechterung bringen würde.

Dritte Möglichkeit: Wir stellen uns auf die alte Verfassung von 1871, um mit Bezug darauf die demokratischen Kräfte zu sammeln. Das Problem dabei ist, dass es sich dabei um die Reichs-Verfassung handelt, und es gäbe dann eine Menge von mindestens skurrilen Leuten, die dann irgendwelche verrückten Reichsregierungen gründen. – Also: Neue Verfassung, oder verteidigen wir das Grundgesetz, oder gehen wir zurück auf 1871?

Die Verfassung steht nicht zur politischen Disposition

Professor Schachtschneider meinte, wir könnten uns jederzeit ein neues Verfassungsgesetz geben. Er unterscheidet allerdings Verfassung und Verfassungsgesetz. Die Verfassung selber steht nicht zur politischen Disposition. Die ist mit uns geboren, das ist die Freiheit, das sind die aus der Freiheit folgenden Rechte, wozu auch das Eigentum des Bürgers gehört, und natürlich auch die Souveränität selbst der Bürgerschaft insgesamt. Jedes Verfassungsgesetz muss sich im Rahmen dieser Verfassung, mit der wir geboren wurden, bewegen. Und von daher wäre die alte Verfassung von 1871 ungeeignet, auch schon daher, weil sie nicht demokratisch war. Aber die Verfassung von 1919 wäre da schon eher geeignet. Diese war demokratisch, aber unser heutiges Grundgesetz weicht von dieser Verfassung nicht sehr ab. Im Gegenteil, das Grundgesetz setzt die Verfassungspolitik der Reichsverfassung von 1919 fort. Daher ist das Grundgesetz schon völlig in Ordnung, und Schachtschneider würde eher zur zweiten Möglichkeit tendieren: Also die Verteidigung des Grundgesetzes. Man sollte das Grundgesetz verteidigen, weil die Gefahr eines gänzlich neuen Verfassungs-Gesetzes in der gegenwärtigen Lage äußerst groß ist. Deutschland würde sich in einem solchen Falle selber abschaffen. Das Grundgesetz würde in einem solchen Falle geöffnet werden für einen neuen Staat, für einen Unionsstaat und einem neuen Volk, dem Unions-Volk.

Propagandamaschine in Deutschland

Auch sei er überhaupt nicht so sicher, wie diese Abstimmung dann ausgehen würde. Die Propagandamaschine in Deutschland dürfte einen sehr großen Einfluss haben, und vermutlich wird man den Menschen in Deutschland durch Verängstigung sehr nahe bringen, dass es gut ist für sie und für ihr gutes Leben, wenn sie diesen neuen Verfassungsgesetzen zustimmen würden. Diese Gefahr ist äußerst hoch. Besser wäre es, wenn wir wieder zurück finden zu unserem alten Grundgesetz, das heißt die Souveränitätsverletzungen müssen abgestellt werden.

Verhinderung von Volksentscheiden ist ein klarer Verfassungsverstoß

Prof. Schachtschneider plädiert sehr für Volksentscheide, und das Grundgesetz selber gibt ja die Grundlage dafür. Es ist ja eine Verletzung der inneren Souveränität der Bürger, dass diese Volksentscheide nicht verwirklicht werden in Deutschland. Das Grundgesetz sagt klar, dass die Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. Aber diese Abstimmungen finden nicht statt. Das ist ein klarer Verfassungsverstoß, das muss korrigiert werden. Aber dafür brauchen wir den Artikel 146 (Beschluss einer neuen Verfassung) nicht sondern einfach nur Verfassungstreue der Staatsorgane. Und dann könnten wir durchaus mittels der Volksentscheide viel Politik machen.

Der Parteienstaat hat uns doch in diese Misere hinein gebracht – Deutschland hat eine Einheitspartei

Prof. Schachtschneider ist sehr für Volksentscheide, weil sie ein tragfähiges Gegengewicht zum Parteienstaat wären. Der Parteienstaat hat uns doch in diese Misere hinein gebracht, und von einem Parteienstaat ist auch nichts anderes zu erwarten. Was wir hier haben ist ja praktisch politisch eine Einheitspartei, wir haben keine wirkliche Opposition in Deutschland. Und das ist nun mal ein Problem der inneren Strukturen der Parteien, die gekennzeichnet sind durch Führung und Gefolgschaft. Das war schon immer so und ist schon von anderen kritisiert worden. Es ist diese problematische innere Struktur der politischen Parteien, die aufgebrochen werden muss zugunsten von mehr Bürgerlichkeit und Bürgerrechten. Und insofern plädiert Schachtschneider für die Verteidigung des Grundgesetzes und nicht dafür, dass man unbedingt Art. 146 des Grundgesetzes heranziehen muss, um das Unrecht abzuwehren.

Wir sind in einer Widerstandslage

Natürlich sind wir in einer Widerstandslage, das Unrecht ist allzu groß, diese Verfassung wird verletzt von den politischen Organen. Prof. Schachtschneider ist aber dafür, dass der politische Widerstand nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit ausgeübt wird, also möglichst friedlich. Und da gibt es durchaus Möglichkeiten, das bedarf keines neuen Verfassungs-Gesetzes.

Das demokratische Prinzip ist in der Bürgerschaft zu wenig entfaltet

Das eigentliche Problem ist eben, dass das demokratische Prinzip zu wenig entfaltet ist, weil es völlig überlagert wird durch diese festgefügten Parteien. Hier gibt es durchaus Instrumente, die Schachtschneider für verfassungswidrig hält, zum Beispiel die 5 Prozent Klausel im Verhältniswahlsystem – die allerdings auf europäischer Ebene bereits gefallen ist. Wäre diese Klausel auch in Deutschland abgeschafft, dann hätten wir wenigstens mal eine Chance, dass sich auch einmal andere Gruppierungen in den Bundestag begeben könnten, dass einmal völlig andere Kräfte dort zur Geltung kommen.

Erhebliche Verständnisschwierigkeiten innerhalb des Grundgesetzes – Dieses ist keine Herrschaftsordnung sondern eine Freiheitsordnung

Schachtschneider weist noch auf erhebliche Verständnisschwierigkeiten innerhalb des Grundgesetzes hin. So finden wir zum Beispiel dauernd diese Herrschaftslehre, das Grundgesetz wird immer als eine Herrschaftsordnung angesehen. Es ist jedoch eine Freiheitsordnung, das Wort Herrschaft kommt im Grundgesetz nicht vor. Demokratie ist kein Herrschaftssystem sondern ein Freiheitssystem. Das muss einmal deutlich gemacht werden. Das muss auch bis zu den Gerichten vordringen, die diesbezüglich immer noch eine Abwehrhaltung haben. Das muss gelebt werden. Man muss versuchen, als Bürger auch Bürgergerecht zu leben. Das tun noch zu wenige. Der Grund dafür liegt auf der einen Seite im Parteienstaat, und auf der anderen Seite im weltweiten Internationalismus, der keine Chance bietet, Demokratie, den Rechtsstaat und den Sozialstaat zu verwirklichen.

Schachtschneider plädiert für ein Verlassen der Europäischen Union

Schachtschneider plädiert daher für ein Verlassen der Europäischen Union, um dann aufgrund von neuen Verträgen ein neues Europa zu bauen, ein friedliches Europa souveräner Völker, „l’Europe d’Etats“, wie es de Gaulle gesagt hat. Dazu sind wir verpflichtet in Europa, zu einem guten Miteinander, aber nicht zu einer Europäischen Union, die in der Tendenz diktatorisch ist gerade auch in der klar staatswidrigen Rettungspolitik, die nicht nur Deutschland erheblich schadet sondern vor allen Dingen den Nehmervölkern schadet, indem es diese völlig ruiniert und in die Rezession, in die Deflation und in die politische Instabilität treibt. Was man da macht mit den Griechen, Portugiesen, bald mit den Italienern und Spaniern, das ist schweres Unrecht, und da sollte Deutschland sich nicht dran beteiligen.

Jürgen Elsässer fasst noch einmal zusammen: Die Perspektive ist also Verteidigung des Grundgesetzes, Austritt aus der Europäischen Union und gemeinsames Bauen an einem Europa der Vaterländer, wie dies Charles de Gaulle gesagt hat.

 

s. dazu auch:

Wer oder was ist die BRD? Gibt es die überhaupt? Andreas Clauss zur Souveränität Deutschlands