Durch die Meditationsübungen, die zur imaginativen Erkenntnis führen sollen, wird das gesamte seelische Innenleben des Menschen verwandelt. Ebenso werden verwandelt die Beziehungen der Menschenseele zur umliegenden Welt. Es handelt sich ja darum, daß Meditieren in dem Sinne, wie es in den letzten Vorträgen hier gemeint war, besteht in einem Konzentrieren aller Seelenkräfte auf einen bestimmten, leicht überschaulichen Vorstellungskomplex. Es ist wichtig, daß man dies ins Auge faßt: ein leicht überschaulicher Vorstellungskomplex, ein solcher, auf den das Geistig-Seelische des Menschen in der unmittelbaren Gegenwart alle Aufmerksamkeit verwenden kann, so daß während des Ruhens der Seele auf diesem Vorstellungskomplex nichts in sie einfließt von irgendwie unterbewußten oder unbewußten oder irgendwie aus der Erinnerung herauf spielenden Seeleneindrücken.
Man muß, wenn die imaginative Erkenntnis in der richtigen Weise herbeigeführt werden soll, beim Meditieren den ganzen Vorstellungskomplex, dem man sich mit allen Seelenkräften hingibt, so vor sich haben wie etwa ein mathematisches Problem, so daß in das Meditieren nichts hineinspielt von gefühlsbetonten Vorstellungen oder von willensdurchzogenen Vorstellungen. Wenn man sich einem mathematischen Problem hingibt, weiß man in jedem Augenblick, daß man mit der Seelentätigkeit in dem verharrt, was man unmittelbar vor dem Seelenauge hat. Man weiß, daß nichts Emotionelles, nichts Gefühlsmäßiges, keine Reminiszenzen aus dem verflossenen Leben in das hineinkommen dürfen, was man sich vorstellt und was zur Urteilsfällung in dem betreffenden Problem führt. In einer solchen Seelenverfassung muß man auch sein bei dem richtigen Meditieren.
Dann ist es am besten, wenn man sich möglichst einem solchen Vorstellungskomplex hingibt, der einem ganz neu ist, von dem man weiß, daß man ihn ganz gewiß noch niemals gedacht hat. Denn wenn man einfach aus der Erinnerung etwas heraufholen würde, so könnte man ja gar nicht wissen, was da alles an unbewußten, gefühlsmäßigen Impulsen hineinspielt. Es ist daher für den Meditanten außerordentlich gut, wenn er sich von einem erfahrenen Geistesforscher raten läßt, denn dieser wird darauf sehen, daß der Meditierende einen Vorstellungsinhalt habe, über den er ganz gewiß bisher nicht gedacht haben kann, so daß dasjenige, was nunmehr meditiert wird, zum ersten Male in das Bewußtsein eintritt, nichts Erinnerungsmäßiges, nichts von Instinktivem hineinspielen kann und nur das Geistig-Seelische bei diesem Meditieren engagiert ist.
Wenn dann eine solche Meditation, die an einem Tage nur kurz zu sein braucht, immer wiederholt wird, dann kommt endlich ein Seelenzustand zustande, der den Menschen ganz deutlich fühlen läßt: Jetzt lebst du in einer inneren Tätigkeit, die sich losgelöst hat von dem physischen Leibe; jetzt lebst du in einer Tätigkeit, die anders ist, als wenn du deine Denktätigkeit oder deine Gefühls- oder Willenstätigkeit innerhalb des physischen Leibes auslösest. – Was einem da besonders entgegentritt, das ist, daß man deutlich fühlt: Man lebt in einer von der physischen Körperlichkeit getrennten Welt. – Man lebt sich eben allmählich in die ätherische Welt hinein und das fühlt man daran, daß der eigene Organismus, der physische Organismus, den Charakter einer relativen Objektivität annimmt. Man schaut gewissermaßen von außen auf diesen physischen Organismus hin, so wie man sonst vom Innern dieses physischen Organismus auf äußere Gegenstände schaut. Aber was sich im inneren Erleben zeigt, daß das Meditieren von Erfolg begleitet war, das ist, daß die Gedanken gewissermaßen dichter werden, daß sie nicht nur den Charakter tragen, den sie sonst haben, nämlich den des Abstrakten, sondern daß man in den Gedanken etwas erlebt, was ähnlich ist den Wachstumskräften, die einen vom kleinen Kinde zum erwachsenen Menschen gemacht haben, oder den Kräften, die täglich in einem tätig sind, wenn der Stoffwechsel den Leib versorgt.
Das Denken nimmt durchaus einen realen Charakter an. Und gerade weil das Denken einen realen Charakter annimmt, so daß man sich jetzt in dem Denken fühlt, wie man sich früher in seinen Wachstumsprozessen oder in seinen Lebensprozessen gefühlt hat, gerade aus dem Grunde muß dieses imaginative Denken auf die eben beschriebene Art erworben sein. Denn wenn man es so erworben hätte, daß Unbewußtes, vielleicht sogar Körperliches beim Meditieren mitgespielt hätte, so würden jene Kräfte, jene Realitäten, die man jetzt im übersinnlichen Denken erlebt, auch wiederum zurückspielen in den physischen und in den ätherischen menschlichen Organismus. Sie würden sich dort vereinigen mit den Wachstumskräften, mit den Ernährungskräften und man würde, indem man dann in einem solchen realen Denken verharrt, seinen physischen und seinen ätherischen Organismus verändern. Das darf aber auf keine Weise sein! Alle Tätigkeit, die man zum Ziele dieser imaginativen Erkenntnis ausführt, alle diese Kräfte müssen lediglich angewendet werden auf das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt und sie dürfen in keiner Weise eingreifen in den physischen oder ätherischen Organismus. Diese beiden müssen völlig unverändert bleiben, so daß der Mensch, wenn er sich eine dahingehende Fähigkeit erwirbt, indem er jetzt gewissermaßen mit seinem Denken in der ätherischen Welt schwebt, zurückblickt mit seinem Denken auf seinen unveränderten physischen Leib. Der ist so geblieben, wie er war; da greift dieses ätherische Denken nicht ein.
Man fühlt sich also mit diesem ätherischen Denken ganz außerhalb seines physischen Leibes, aber es muß dieses Außerhalbstehen stets durch freie Willkür wieder abgewechselt werden können mit dem völligen Drinnenstehen im physischen Organismus. Wer in der richtigen Weise durch Meditation das imaginative Erkennen herbeigeführt hat, der muß in dem einen Augenblick in diesem ätherischen Denken sein können, das sich innerlich wie ein Wachstums-, wie ein Ernährungsprozeß erlebt und sich durchaus wie etwas Reales innerlich fühlt, und er muß im nächsten Augenblicke wieder, indem dieses Denken verschwindet, zurückkehren können in seinen physischen Leib und mit seinen Augen so sehen können, wie er gewöhnlich sieht, muß mit seinen Ohren so hören können, wie er sonst hört, muß so tasten können wie sonst. Dieses in völlig freier Willkür mögliche Hin- und Herschweben zwischen einem Sein im physischen Leibe und außerhalb desselben im Ätherischen muß stets herbeigeführt werden können. Dann ist ein richtiges imaginatives Denken erreicht. …
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