von Ingo Hagel
An vielen Stellen führt Rudolf Steiner mit Blick auf die Erlangung übersinnlicher Erkenntnisse aus, dass die Sinnesempfindungen und auch die Erinnerungen während der Meditation völlig zum Erliegen kommen müssen, für die Dauer der Meditation ausgeschaltet werden müssen.
Schon bei der allerersten Stufe einer Erlangung übersinnlicher Erkenntnisse und Fähigkeiten der übersinnlichen Wahrnehmung müssen die Sinne sowie alles das, was über die Sinne durch den Leib vermittelt wird und so weiter so ausgeschaltet werden, dass diese erste Stufe auf dem Einweihungsweg etwas darstellt,
was man nennen kann «in Berührung kommen mit dem Erlebnis des Todes».
In dieser GA 144 gibt es eine der nicht so häufigen Schilderungen dieses Zustandes und seiner Erfordernisse. Liest man sich diese plastische Schilderung Steiners durch, dann können durchaus Zweifel aufkommen, ob man das wirklich will –
Kurz, alles, was uns der physische Leib vermittelt – und alles, was der Mensch im normalen Leben durchmacht zwischen dem Aufwachen und Einschlafen, wird durch den physischen Leib vermittelt – alles das hört auf.
was gesund ist, weil man sich immer fragen muss, ob man die inneren Voraussetzungen für diesen Weg auch erfüllt. –
Und auch aus dem Grunde ist eine Auseinandersetzung um diese Dinge angebracht, weil die Flut der Beiträge im Internet, die sich in durchaus naiver Weise mit Meditation auseinandersetzen, sehr groß ist. –
Diese Schilderungen können durchaus als etwas Abschreckendes empfunden werden.
Sie klingen anders als an so vielen anderen, sehr viel optimistischer klingenden Stellen, die sich anhören, als ob das alles recht einfach zu bewältigen seien. –
Aber man muss sich doch auch immer vor Augen und im Bewusstsein halten, dass Rudolf Steiner diese oft recht einfach erscheinenden Schilderungen eines übersinnlichen Schulungsweges – auch in vielen öffentlichen Vorträgen – nicht deshalb macht, um dafür zu werben, dass Jeder nun ein Okkultist und übersinnlicher Forscher werden soll, sondern weil sehr viele Menschen sich damals fragten, wie und auf welchem Wege solche übersinnlichen Erkenntnisse überhaupt erworben werden können. –
Und tatsächlich sagt vielleicht auch aus diesem Grund Rudolf Steiner in dieser GA 144:
Sie sehen, ich schildere heute von einem etwas anderen Gesichtspunkte aus die Dinge, die öfter beschrieben worden sind, aber wir brauchen jetzt gerade diesen anderen Gesichtspunkt …
Dieser „andere Gesichtspunkt“ wurde deshalb benötigt,
weil diese vier Vorträge dieser GA 144 gleich im Anschluss an die Begründung der Anthroposophischen Gesellschaft, das heißt an die Neubegründung eines wirklichen, modernen Mysterienwesens erfolgten. Es sollte keine Illusionen über diesen Weg des neuen Mysterienwesens geben. Und dieser „andere Gesichtspunkt“ sieht dann auf seiner allerersten Stufe so aus:
In die Nähe des Todes kommen! Da handelt es sich darum, daß ja der Mensch in seinem Wachzustande zwischen der Geburt und dem Tode wirklich fortwährend, insofern er bewußt lebt, in alledem lebt, wovon ich Ihnen doch gerade gesagt habe, es muß überwunden werden, es muß zum bloßen Mittel werden für den Initiierten. Versuchen Sie es sich einmal klarzumachen, worinnen der Mensch auf dem physischen Plane lebt: In seinen Sinneseindrücken und in seinen gewöhnlichen Seelenerlebnissen, das ist das, worinnen er lebt. Das alles muß zum bloßen Mittel werden, sobald der Mensch in das Mysterienwesen eintritt. Was bleibt dann übrig von dem, als was sich der Mensch im gewöhnlichen Leben fühlt ? Nichts bleibt übrig. Alles sinkt hinunter zu einer Wesenhaftigkeit zweiten Ranges. Alles das also, was der Mensch innerlich und dann natürlich auch äußerlich erlebt im gewöhnlichen Leben, muß er abstreifen.
Also denken Sie sich: Das blaue Himmelsgewölbe wird durchsichtig, hört auf, ist nicht mehr da, alle Grenzen, welche die Farben an der Oberfläche der Dinge bilden, hören auf, sind nicht mehr da, die Töne der physischen Welt hören auf, sind nicht mehr da, was der Tastsinn erlebt, hört auf, ist nicht mehr da. Aber ich bitte zu berücksichtigen, daß dies Erlebnis wird! Also zum Beispiel das Gefühl, mit seinen Füßen auf einem festen Boden zu stehen, was ja nichts anderes ist als ein Ausdruck des Tastsinnes, hört auf, und der Mensch fühlt so ähnlich, als wenn der Boden unter ihm fortgezogen würde, und er auf nichts stünde. Aber er kann auch nicht hinab, und er kann auch nicht hinauf zunächst. Und so ist es mit allen Eindrücken. Kurz, alles, was uns der physische Leib vermittelt – und alles, was der Mensch im normalen Leben durchmacht zwischen dem Aufwachen und Einschlafen, wird durch den physischen Leib vermittelt – alles das hört auf. …
Liest man also die verschiedenen Ausführungen Rudolf Steiners zu einem reinen, leibfreien Denken –
zum Beispiel der „Philosophie der Freiheit“ –
– das ja die Grundlage für jede Erlangung übersinnlicher Erkenntnisse darstellen muss, wie Rudolf Steiner im Nachtrag zur GA 10 ausführt – also zu seinem Buch: „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“
dann kann man doch die Empfindung haben, dass vielleicht dieses leibfreie, reine Denken der „Philosophie der Freiheit“ doch irgendwie noch „ganz gemütlich“ zu verlaufen scheint –
und gemütlich kann ja Alles erscheinen, was innerhalb des passiven, bequemen, man könnte sagen: faulen gewöhnlichen Bewusstseins geschieht. Rudolf Steiner (in der GA 316 S. 151/152):
Dass die Leute heute alles begreifen wollen mit dem Verstand, ist das Entsetzlichste.
…
Was ist das für eine Schwachmatikusbetätigung, die wir im gewöhnlichen intellektuellen Denkakt vollbringen! Das ist die größte Schwäche des Menschen, intellektuell tätig zu sein. Da trägt er nur Begriff an Begriff heran. –
weil es doch noch nicht in dem Sinne leibfrei ist wie der Zustand, den Rudolf Steiner dort in der GA 144 –
als allererste zu erlangende Stufe der Einweihung –
beschreibt. Und diese allererste zu erlangende Stufe der Einweihung –
In die Nähe des Todes kommen! … Aber ich bitte zu berücksichtigen, daß dies Erlebnis wird! –
ist eben nur die allernächste, die erste. Danach kommen noch andere und weitere Stufen, die diese Leibfreiheit noch in ganz anderer Weise realisieren.
Hat man überhaupt diese Überschusskräfte, von denen Rudolf Steiner in diesem Vortrag mehrmals spricht,
die man haben muss, um diesen Weg in der richtigen Weise beschreiten zu können?
Man muß bis zu dem Punkt kommen, wo einem eigentlich die Außenwelt alle Macht versagt, und muß es in seinem Innern so weit gebracht haben, daß man in diesem Momente durch Trainierung seines Selbstvertrauens, durch Trainierung seiner Selbstsicherheit und seiner Geistesgegenwart und anderer innerlicher Tugenden – «Tugenden» jetzt als Tüchtigkeit gemeint – innere Kraft, innere Energie hat, so daß man in dem Augenblick, wo einem die Welt genommen wird, einen Überschuss von innerer Energie zur Verfügung hat.
Das heißt so verschiedene Erlebnisse in der physischen Welt müssten einem die Sicherheit und das Selbstvertrauen gegeben haben, dass man diesen
Überschuss von innerer Energie zur Verfügung hat,
bevor man weitere Schritte in Richtung dieser ersten Stufe der Einweihung macht. Und dazu gehört die dort in diesem Vortrag von Rudolf Steiner erwähnte Eigenschaft der Furchtlosigkeit:
Daher gehört zu den Vorbereitungen für den Weg hinauf in die höheren Welten die Aneignung einer gewissen Furchtlosigkeit.
Aber nicht jeder Mensch muss ein okkulter, übersinnlicher Forscher werden –
wie immer mal wieder hier auf Umkreis-Online dargestellt. Aber die Erkenntnisse der übersinnlichen, okkulten Forschung müssen in die Bewusstseine der Menschen dieser Zeit hinein. Und diese Erkenntnisse können verstanden werden (GA 144 S. 78):
In die Kräfte, die vorzugsweise der Bewusstseinsseele angehören, muß der Mensch Wissen aufnehmen, innerliches spirituelles Wissen, spirituelle Erkenntnis. Überwinden muß der Mensch die zwei Gebiete, die Parzival durchmacht: überwinden muß er die «Dumpfheit» und den «Zweifel» in seiner Seele. Denn wenn er mitnehmen würde Dumpfheit und Zweifel in die spätere Inkarnation, so würde er mit ihnen nicht zurecht kommen. Wissend muß der Mensch werden in bezug auf die spirituellen Welten. Nur dadurch, daß sich in der Menschenseele das Leben ausbreitet, das Wolfram von Eschenbach Saelde nennt und das kein anderes Leben ist als das, welches spirituelles Wissen über die Bewusstseinsseele ergießt, nur dadurch kann die menschliche Seelenentwickelung von dem fünften Zeitraum an in den sechsten wirklich fruchtbar hinüberschreiten.
Das gehört zu den Ergebnissen der neueren Mysterien; das sind die gewichtigen, bedeutsamen Ergebnisse, die aufgenommen werden müssen aus den heutigen Mysterien, die eine Nachwirkung des Gralmysteriums sind. Das ist aber auch so, daß es – ungleich allem älteren Mysterienwissen – wirklich auch allgemein verstanden werden kann. Denn nach und nach müssen eben überwunden werden die unbewußten und toten Kräfte der Seele und des Organismus durch eine starke Durchdringung der Bewusstseinsseele mit spirituellem Wissen, das heißt mit verstandenem, begriffenem spirituellen Wissen, nicht mit einem auf Autorität gebauten Wissen.
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