Wer überhaupt seelische Vorgänge beobachten kann, der findet, daß eine Erinnerungsvorstellung als Vorstellung durchaus eine Neubildung ist, daß sie sich in ähnlicher Weise bildet, wie sich die Wahrnehmungsvorstellung bildet; nur, daß das eine Mal der Vorgang von außen nach innen, das andere Mal von innen nach außen verläuft, daß das eine Mal die Veranlassung als Wahrnehmung deutlich vor das Bewußtsein tritt, das andere Mal dem Bewußtsein als ein innerer, an den Organismus geknüpfter Vorgang verborgen bleibt. Wir wollen einmal diese Tatsache, die ich ja nur skizzenhaft charakterisieren konnte, hinstellen und wollen jetzt zur Betrachtung der imaginativen Erkenntnis zurückgehen. Ich habe beschrieben, wie die imaginative Erkenntnis dadurch ausgebildet wird, daß der Mensch zunächst Übungen macht, die ihn befähigen, in einer solchen Weise innerlich bildlich vorzustellen, wie er vorstellt, wenn er erinnert. Diese Übungen habe ich beschrieben in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß». Durch diese Übungen kommt man zu der Fähigkeit imaginativen Erlebens. Man kommt dazu, daß man solche innere vorstellungsähnliche Erlebnisse mit Bildinhalt hat, die nicht an persönlich erlebte Tatsachen erinnern, sondern die durch ihre eigene Wesenheit den Stempel tragen, daß sie Bilder sind von einer Wirklichkeit, die zunächst dem gewöhnlichen Bewußtsein verborgen ist, von einer Wirklichkeit, die wir eine geistige Wirklichkeit nennen können.
Wenn man nun aber mit diesem Bilderbewußtsein herangeht an denjenigen Akt, den ich jetzt eben charakterisiert habe, dann stellt er sich in einem etwas andern Lichte dar. Man erkennt, wie sich das vorstellende Wahrnehmen und das erinnernde Vorstellen gegenüber der Fähigkeit des Imaginierens ausnehmen. Da bekommt man vor allen Dingen durch die Fähigkeit der imaginativen Erkenntnis ein besonderes inneres Erleben von dem Vorstellen, von dem Denken selber. Reflektiert man mit dem gewöhnlichen Bewußtsein, so kommt man nicht weit. Der Mensch muß sich schon philosophisch geschult haben, um überhaupt noch etwas festhalten zu können, wenn er zum Objekte das Vorstellen, das Denken selber haben will. Wer sich nicht mit philosophischer Schulung abgibt, der wird ungeduldig werden, wenn man ihm zumutet, er solle das Denken irgendwie selber denken. Sogar Goethe pries sich glücklich, daß er niemals über das Denken gedacht hat. Man kann sich das gerade aus der Natur Goethes heraus sehr gut erklären. Goethe, der, wie ich es in diesen Betrachtungen charakterisiert habe, nach Anschaulichkeit strebte, war es so zumute, wie es einem Fische sein müßte, wenn er aus dem Wasser in die Luft käme, wenn er, Goethe, aus seinem gegenständlichen Elemente in dieses Element des reinen Denkens hineinkam, in dem er nicht geistig atmen konnte, weil es ganz und gar seiner Natur widerstrebte.
Aber man kann allerdings und muß auch das Denken selbst erfassen, sonst kommt man nicht zu einer abschließenden philosophischen Anschauung. Es mag nicht jedermanns Sache sein, aber des Philosophen Sache ist es gewiß. Nun aber wird das, was man im gewöhnlichen Bewußtsein als das Denken, als das Vorstellen erfassen kann, was da einen außerordentlich abstrakten, blassen Charakter annimmt, bei dem man nicht lange verweilen mochte, für die imaginative Erkenntnis dichter, anschaulicher, ja, man möchte sagen, es nähert sich das Vorstellen und Denken, das früher abstrakt geistig ausgesehen hat, der materiellen Anschaulichkeit.
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