Rudolf Steiner zum Arbeitsrecht als Menschenrecht


 von Rudolf Steiner

 

 

Auf der anderen Seite muss das Wirtschaftsleben begrenzt sein von dem Rechtsleben, das heißt: Ebensowenig wie die Naturkräfte von der Konjunktur auf dem Warenmarkt abhängen, ebensowenig darf die menschliche Arbeitskraft von der Konjunktur auf dem Warenmarkt abhängen. Wie eine Naturkraft muss aus dem Wirtschaftsleben die menschliche Arbeitskraft herausgenommen und auf den Rechtsboden gestellt werden. Wenn sie auf den Rechtsboden gestellt ist, dann wird auf diesem Rechtsboden sich alles dasjenige entwickeln können, in dem ein Mensch dem anderen gleich ist, in dem sich nur wirkliche Menschenrechte entwickeln, in dem sich auch das Arbeitsrecht entwickeln kann. Maß und Art und Zeit der Arbeit wird festgestellt sein, bevor der Arbeiter in den Wirtschaftsprozess eintritt. Dann wird er als ein freier Mensch demjenigen gegenüberstehen, der dann, wie man gleich sehen wird, nicht der Kapitalist, sondern der Arbeitsleiter, der geistige Mitarbeiter sein wird.

Mag man auch noch so gute Worte sprechen über den sogenannten Arbeitsvertrag (und dazu gehören heute ja auch die Auseinandersetzungen und Bestimmungen zu einem Mindestlohn; Anmerkung IH)solange er ein Lohnvertrag ist, wird daraus immer nur die Unbefriedigtheit des Arbeiters hervorgehen können. Erst dann, wenn nicht mehr über Arbeitskraft Verträge abgeschlossen werden können, sondern lediglich über die gemeinsame Produktion des Arbeitsleiters und des Handarbeiters, wenn lediglich über das gemeinsame Erzeugnis ein Vertrag abgeschlossen werden kann, wird daraus ein menschenwürdiges Dasein für alle Teile hervorgehen. Dann wird der Arbeiter dem Arbeitsleiter gegenüberstehen als der freie Gesellschafter. Das ist es, was der Arbeiter im Grunde genommen erstrebt, wenn er sich auch heute noch nicht ganz klare Vorstellungen davon machen kann. Das ist es, was in der eigentlichen wirtschaftlichen Frage des Proletariats, in der eigentlichen wirtschaftlichen Forderung liegt: Befreiung der Arbeitskraft aus dem Wirtschaftskreislauf, Feststellung des Rechtes der Arbeitskraft innerhalb des zweiten Gliedes des dreigliedrigen sozialen Organismus, des Rechtsbodens.

aus Nr. 333 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 21, (Hervorhebungen und Anmerkung IH)

 

Erstmaliger Verweis auf dieses Zitat erfolgte im Artikel:

Ungerechtfertigte Kapitalismuskritik – Nicht der Kapitalismus, sondern dessen schädliche Auswirkungen müssen verhindert werden, sonst vernichtet man die Gesellschaft