Aus Nr. 54 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 395:
Nun folgen Sie mir, ich möchte sagen, für einen kurzen Augenblick in die eisigen, aber nicht minder wichtigen Gedankenregionen, aus denen Fichte das Wesen des Selbstbewusstseins geholt hat. Ich schildere nicht mit seinen eigenen Worten, denn das würde hier zu schwer sein, aber doch mit Andeutungen, die deshalb nicht weniger die Wahrheit enthalten. Ich möchte das sagen, was er seinerzeit vor seine Jenenser Studenten hingezaubert hat: Eines gibt es für jeden, worin ihm sich das «Ding an sich» ankündigt, worin er sich zum Ausdruck bringt, das ist das eigene Innere. Blicke da hinein und du wirst etwas entdecken, was du zunächst sonst nirgends entdecken kannst. – Wir sehen, dass Fichte wusste, dass nicht ein jeder das entdeckt, was er da zu entdecken hat, denn er sagt ein sehr schönes, wenn auch für die meisten Menschen grobes Wort. Er sagt: Wenn die Menschen wirklich zur Selbsterkenntnis kommen könnten, so würden sie das Bedeutsamste in sich finden. Aber es gibt wenige, die dazu kommen, denn sie halten sich lieber für ein Stück Lava auf dem Monde als für ein selbstbewusstes Wesen. – Was ist für unsere Zeit das Selbstbewusstsein? Der eine stellt es dar als ein Konglomerat von Gehirnatomen. Aber darauf ausgehen, sich selbst zu erkennen, das tut er nicht. Es macht nicht viel Unterschied, ob man sagt, Konglomerat von Gehirnatomen oder Molekülen oder ein Stück Lava auf dem Monde. — Hier macht Fichte klar darauf aufmerksam, dass jene Erkenntnis des Inneren, welche bloß beobachten will, wie es ist, nicht die richtige Erkenntnis des Inneren ist. Denn das Sein des Menschen in seinem Inneren unterscheidet sich von jeglichem andern Sein. Wodurch unterscheidet es sich? Es unterscheidet sich dadurch, dass zum Sein des Menschen Entschluss gehört, Tat gehört. Das ist eisige Gedankenregion, aus der wir bald in blumige Gefilde kommen wollen. Fichte nennt Selbsterkenntnis nicht ein Brüten in sich hinein, nicht ein Sich-Anschauen, nein, sie ist für Fichte Tat, Tathandlung. Das ist ein Wort, das einen von der falschen Selbsterkenntnis hinführt zur wahren Selbstentwickelung. Der Mensch kann nicht einfach in sich hineinschauen, um zu erkennen, was er ist. Er hat sich das selbst zu geben, was er werden soll. Er hat sich in das Göttliche der Welt hineinzuversenken und aus dem Wesen der Gottheit die Funken zu holen, durch die er sein eigenes Selbst fortwährend anzufachen hat. Einen Stein betrachten wir. Er ist, was er ist. Wir erkennen ihn. Die Pflanze betrachten wir. Sie ist, was sie ist. Selbst unseren eigenen Leib, unseren Äther- und Astralleib betrachten wir. Sie sind ebenso das, was sie sind. Der Mensch ist erst das, was er selbst aus sich macht, und eine intime Tätigkeit, nicht eine tote Erkenntnis ist die Selbsterkenntnis. Indem Fichte das Wort Tathandlung gebraucht, sagt er etwas, was in dieser bedeutungsvollen Art nur noch von der alten Vedantaphilosophie gesagt ist. Er hat den Punkt erreicht, der eben von den Anthroposophen wieder gesucht wird. Oft und oft habe ich es hier gesagt, dass die Anthroposophie zeigen will, wie der Mensch sich hinaufringt zum Göttlichen, wie sie die im Menschen selbst schlummernde göttliche Kraft anregen soll, womit dann der Mensch auch das Göttliche um sich herum gewahr wird. Ganz dasselbe erstrebt Fichte. Die falsche Selbsterkenntnis, sagt er, bestünde darin, dass man sagt: Blicke in dich hinein, in dir findest du den Gott. – Die richtige Selbsterkenntnis sagt etwas anderes. Sie sagt: Wenn du in dich hineinbrütest, so wäre es so, wie wenn du in dein eigenes Auge hineinschautest. Das ist aber nicht die Aufgabe des Auges. Wir lernen das Licht durch das Auge kennen. So lernen wir auch durch die Seele das Licht des Ich kennen. Mit dem Auge lässt sich das Erwecken des inneren Selbst vergleichen. Ebensowenig wie Sie in dem Organismus die Seele finden, in dem Auge das Licht, ebensowenig finden Sie in sich selbst den Gott. Aber wir finden die Möglichkeit, die Organe auszubilden, um diesen Gott zu finden. Die Tätigkeit im Ich, die unsere Geistorgane ausbildet, das ist das Sein, das sich der Mensch selbst gibt. Das ist die Tathandlung, das ist Fichtes Selbsterkenntnis. Von diesem Punkte geht es von Stufe zu Stufe bei Fichte hinauf. Lebt man sich ganz ein, erzieht man sich zu seinen Gedanken, dann findet man einen gesunden Einlass in die Anthroposophie, und keiner wird es jemals zu bedauern haben, wenn er in die kristallklaren Gedankengänge Johann Gottlieb Fichtes sich einlebt, denn er findet den Weg zum geistigen Leben.
Oder siehe zum Beispiel auch hier:
Aus Nr. 117 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 153:
Wenn man diese anthroposophische Bewegung charakterisieren will von diesem Gesichtspunkte aus, so muss man so sagen: Ihr Charakter ist dieser, dass sie den Menschen hinführt, in rechtem Sinn dasjenige zu erfassen, was man das menschliche Ich, das innerste Glied der menschlichen Wesenheit nennt. Ich habe schon öfter darauf aufmerksam gemacht, dass Fichte mit Recht gesagt hat, die meisten Menschen würden sich lieber für ein Stück Lava im Monde halten als für ein Ich. Und wenn Sie nachdenken, wieviel Menschen es gibt in unserer Zeit, die sich überhaupt eine Vorstellung davon machen, was ein Ich ist, das heißt, was sie selber sind, dann würden Sie im allgemeinen zu einem recht traurigen Resultat kommen.
Wenn diese Frage auftaucht, muss ich mich immer erinnern an einen Kameraden, den ich vor etwas mehr als dreißig Jahren hatte, und der dazumal als ein ganz junger Bursch vollständig infiziert war von der materialistischen Gesinnung. Heute ist es moderner, monistische Gesinnung zu sagen. Er war schon infiziert trotz seiner jungen Jahre von ihr. Er lachte immer, wenn es hieß, dass im Menschen etwas enthalten sei, was man als geistige Wesenheit bezeichnen kann; denn er war der Anschauung, dass das, was als Gedanke in uns lebt, hervorgebracht werde durch die mechanischen oder chemischen Vorgänge im Gehirn. Ich sagte oft zu ihm: Sieh, wenn du das ernsthaft glaubst als Lebensinhalt, warum lügst du fortwährend? – Er log in der Tat fortwährend, denn er sagte niemals: Mein Gehirn fühlt, mein Gehirn denkt, sondern: Ich denke, ich fühle, ich weiß dies oder jenes. – Also er stellte sich eine Theorie auf, der er mit jedem Wort widersprach, wie es ja jeder Mensch tut; denn es ist unmöglich, festzuhalten dasjenige, was man sich einbildet als eine materialistische Theorie. Man kann nicht wahrhaftig bleiben, wenn man materialistisch denkt. Wenn man sonst sagt: Mein Gehirn liebt dich -, dann dürfte man nicht sagen «dich», sondern: Mein Gehirn liebt dein Gehirn. – Diese Konsequenz machen sich die Leute nicht klar. Aber es ist tatsächlich etwas, das nicht bloß humoristisch ist, sondern etwas, das zeigt, welcher tiefe Untergrund von unbewusster Unwahrhaftigkeit auf dem Grunde unserer gegenwärtigen Geistesbildung ist.
Die meisten Menschen würden sich wirklich lieber für ein Stück Lava im Monde halten, das heißt für eine zusammengebraute Materie, als für dasjenige, was ein Ich genannt werden kann. Und am wenigsten kommt man natürlich heute durch äußere Wissenschaft, die ja als solche nach ihren Methoden materialistisch denken muss, zu einem Erfassen des Ich. Dieses Erfassen des Ich, wodurch kann es der Mensch erreichen? Wodurch kann er nach und nach auch einen Begriff, eine Idee von demjenigen erhalten, was er instinktiv fühlt, wenn er ausspricht: Ich denke? – Einzig und allein dadurch, dass er an der Hand anthroposophischer Weltanschauung erkennt, wie sich diese menschliche Wesenheit zusammengliedert, wie der physische Leib Saturncharakter, der Ätherleib Sonnencharakter, der astralische Leib Mondcharakter und das Ich Erdencharakter hat. Wenn wir alles das ins Auge fassen, was wir da an Ideen zusammenholen aus dem ganzen Weltenall, dann begreifen wir, wie das Ich als der eigentliche Werkmeister an allen andern Gliedern arbeitet. Und so kommen wir nach und nach auch zu einem Begriff von dem, was wir vertreten mit dem Worte «Ich».
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