Nun habe ich in früheren Vorträgen von gewissen Gesichtspunkten aus über diese Entwickelung der Seelenfähigkeiten des Menschen zu einer anderen Anschauung hin, als es die alltägliche ist, schon gesprochen. Ich will heute von einem gewissen anderen Gesichtspunkte aus die Frage in ein anderes Licht wiederum stellen.
Das, was man gerade als das Wichtigste der gewöhnlichen Wissenschaft, das Wichtigste des gewöhnlichen Lebens zum Beispiel beim Denken, beim Vorstellen bezeichnet, das kommt in einer ganz anderen Weise als in diesem alltäglichen Leben für die Geistesforschung in Betracht. Im gewöhnlichen Leben handelt es sich darum, dass wir etwas erkennen dadurch, dass wir uns Gedanken machen über irgend etwas, was von außen zunächst an uns herantritt. Was von außen herantritt, wir nehmen es wahr; auch das im geschichtlichen Werden stehende, wir nehmen es wahr, wir machen uns Gedanken darüber, erforschen dadurch die Gesetze der äußeren Tatsachen und des geschichtlichen Werdens. Der Gedanke tritt in uns auf, und gerade dadurch, dass wir uns Gedanken machen können, dass unsere Gedanken einen gewissen Inhalt haben, wissen wir etwas über die Außenwelt. Und so ist es recht für das Stehen im alltäglichen Leben. So ist es auch recht für die Verrichtungen der gewöhnlichen Wissenschaft.
Will man aber das Denken in einer solchen Art fassen, wie es gefasst werden muss, um zu wahren geisteswissenschaftlichen Ergebnissen zu kommen, so muss man es in der folgenden Art erfassen. Ich will durch einen Vergleich, den ich auch hier schon einmal gebraucht habe, zeigen, in welch ganz anderer Art sich der Geistesforscher zum Denken, zum Vorstellen stellen muss, als sich der Mensch im gewöhnlichen Leben oder in der gewöhnlichen Wissenschaft dazu stellt. Ich deutete es schon einmal an: Wenn wir unsere Hände gebrauchen zu irgendeiner äußeren Arbeit, so kommt es darauf an zunächst, dass wir diese äußere Arbeit verrichten, dass die Ergebnisse dieser äußeren Arbeit da seien. Was da in der Außenwelt verwirklicht ist dadurch, dass wir arbeiten, darauf wird gesehen. Aber das ist nicht das einzige Ergebnis der Arbeit. Die Außenwelt muss auf dieses Ergebnis schauen, und sie hat ein Recht, darauf zu schauen. Aber indem der Mensch immer wieder und wiederum dieses oder jenes verrichtet, macht er dabei die Kraft seiner Hände, seiner Arme zu gleicher Zeit stärker, und nicht nur stärker, sondern auch geschickter, dieses oder jenes zu tun. Man kann sagen – wenn wir das Wort gebrauchen dürfen, das natürlich nur in relativem Sinne richtig ist -: Der Mensch macht die Geschicklichkeit seiner Hände und seiner Arme vollkommener dadurch, dass er arbeitet. Das ist in Bezug auf die äußere Arbeit vielleicht etwas höchst Geringfügiges, wenn nur darauf gesehen wird, wodurch sich das Ergebnis der Arbeit in den Zusammenhang des menschlichen Lebens hineinstellt. In Bezug darauf ist es ein Nebenergebnis, dass die menschliche Hand und die menschlichen Arme geschickter werden. Aber für den Menschen kommt es sehr darauf an. Oder selbst wenn man das nicht gelten lassen wollte, es ist eben dies als ein Nebenergebnis da! Damit können wir aber dasjenige, was der Mensch im Vorstellen, im Denken erreicht, vergleichen. Im gewöhnlichen Leben und in der gewöhnlichen Wissenschaft kommt es darauf an, dass man sich einen gewissen Inhalt der Gedanken bildet. Gewiss, so ist es auch ganz recht. Aber indem man sich diesen Inhalt der Gedanken bildet, indem man also denkt, geschieht wirklich mit dem Denken etwas Ähnliches, wie mit der Kraft der Hand und des Armes geschieht, wenn man arbeitet. Das Denken macht innerlich etwas durch, und auf dieses, was wirklich nun für das gewöhnliche Leben und für die gewöhnliche Wissenschaft, auch in Bezug auf deren Errungenschaften, ein ganz Nebensächliches ist, gerade auf dieses muss nun die geisteswissenschaftliche Forschung ihren inneren Blick richten: auf das, was im Denken geschieht. Die Seele muss hingelenkt werden nicht auf den Inhalt der Gedanken, sondern auf die Tätigkeit. Und auch nicht auf die bloße Tätigkeit, sondern auf das, was in der Tätigkeit des Denkens – wenn ich den Ausdruck, der nur relative Gültigkeit hat, noch einmal gebrauchen darf – nach der Richtung der Vervollkommnung hin, der Ausbildung des Denkens hin, geschieht.
Darauf muss der Seelenblick des Menschen eingestellt werden. Und möglich muss es sein, um in Gebiete zu kommen, wo sich die ewigen Kräfte des Seelenlebens erschließen, abzusehen von dem, was Inhalt des Denkens ist, und den Seelenblick hinzurichten auf die Verrichtung, auf die Tätigkeit des Denkens, auf das, was man tut, indem man denkt. Systematisch, methodisch wird das erreicht durch eine intime innere Verrichtung, die man auch ein intimes inneres Seelenexperiment nennen kann, und die ich schon öfter hier mit dem Ausdruck Meditation bezeichnete. Man muss das Wort Meditation nur in dem Umfange nehmen, in dem es hier gemeint ist, als technischen Ausdruck für das Erstreben, eine solche Fähigkeit auszubilden, durch die der Seelenblick hingerichtet werden kann gerade auf diese Entwickelung des Denkens. Und man kann wirklich diese Einstellung der inneren Seelenkräfte nach dieser Richtung hin erreichen durch das, was man als Meditation bezeichnet, wenn diese Meditation in rechtem Sinne getrieben wird. Ich kann hier selbstverständlich immer in bezug auf das, was Meditation ist, nur das Prinzipielle angeben. Das Genauere ist in meinen Büchern zu finden, namentlich in dem Buche: «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», wo im einzelnen die Seelenverrichtungen, gleichsam die inneren Seelenexperimente auseinandergesetzt werden, die das ganze Seelenleben auf den Weg bringen, der eben prinzipiell jetzt hier angedeutet werden soll. Es muss das Denken, das Vorstellen öfter in eine Möglichkeit gebracht werden, so dass es gleichsam dasteht, wie äußere Dinge dastehen, dass man es anschauen kann, dass man es gleichsam fester hält, im inneren Seelenvermögen fester hält, als man gewöhnt ist, es zu halten, wenn man das Denken nur so verlaufen lässt, dass es einem zum Verständnis der äußeren Welt dient. Und um die Seele in eine solche Richtung zu bringen, muss man immer wieder und wiederum, nun aus innerster Freiheit und Willkür heraus, dem Denken eine Richtung geben, die man ihm nur gibt, um das eben Angedeutete wirklich innerlich zu verspüren, innerlich zu erleben, um dieses Denken so zu erkraften, dass man das Angedeutete innerlich erleben kann. Dazu muss man in das Denken, in das Vorstellen herein Inhalte, Gedanken, Vorstellungen bringen, auf die man nun sein ganzes inneres Seelenleben zusammenzieht, so dass man wirklich die Welt und alles, was um uns herum ist, vergisst, den ganzen Ablauf des übrigen Seelenlebens außer acht lässt, um nach einem Punkte, nach einem Gedankeninhalt, den man selber in den Mittelpunkt des Vorstellens gestellt hat, alle seine Seelenkräfte hinzukonzentrieren, hinzurichten. Es ist eine scheinbar anspruchslose Betätigung des inneren Seelenlebens, aber man könnte mit Bezug auf das, was hier gemeint ist, wie es im Goetheschen «Faust» heißt, sagen: «Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer!» Es ist leicht im allgemeinen, dem Denken eine solche Richtung zu geben, wie sie hier angedeutet ist. Aber um wirklich die innere Kraft aufzubringen, die notwendig ist, um das Denken in seinem Tun zu betrachten, muss der Vorgang immer und immer wiederholt werden. Je nach der Anlage des Menschen dauert es wochen-, monate-, jahrelang, bis irgendein Ergebnis erreicht wird. So dass allerdings die meisten Menschen, wenn sie einen solchen inneren Weg nehmen, längst die Geduld verloren haben, wenn es zu irgendeinem Ergebnis kommen könnte.
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