Rudolf Steiner: Reine Gedanken sind keine Realität, sondern sie sind Bilder – Bilder können uns nicht zwingen

 

Aus Nr. 257 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe.

 

Nun, meine lieben Freunde, ich habe gesagt, man muss sich, wenn man Anthroposophisches ausspricht, immer klar sein darüber, dass wir im gegenwärtigen Zeitpunkte in der Entwickelung der Bewußtseinsseele leben, das heißt aber: Das Rationelle, das Intellektuelle ist die vorzüglichste Seelenverfassung der Menschen geworden. Wir urteilen eigentlich – die Anfänge davon liegen bei Anaxagoras im alten Griechenland – in der neueren Zeit so, dass wir alles, auch die Beobachtungsresultate, durchgehen lassen durch die Intellektualität. Und nehmen Sie das, was Sie heute als rationelle Wissenschaft haben, nehmen Sie die rationellsten Wissenschaften, die mathematischen, nehmen Sie aber auch dasjenige, was in den übrigen Wissenschaften durch den Rationalismus, der die Empirie bearbeitet, vorhanden ist, dann können Sie sich die Vorstellung bilden von dem eigentlichen Denkinhalt unserer Zeit. Aber dieser Denkinhalt unserer Zeit, wie ihn schon die kleinsten Kinder in der Schule aufnehmen – denn so ist es -, dieser Denkinhalt unserer Zeit ist, approximativ genommen, in einem bestimmten Zeitpunkte in der Entwickelung der Menschheit eingetreten. Wir können deutlich auf das erste Drittel des 15. Jahrhunderts hinweisen: da ist mit aller Deutlichkeit erst dieser Intellektualismus heraufgekommen. Früher haben die Menschen, auch wenn sie sogenanntes Wissenschaftliches gedacht haben, viel mehr in Bildern, welche die Wachstumskräfte der Dinge selber darstellten, gedacht, nicht in abstrakten Begriffen, wie wir das heute selbstverständlich tun müssen. Nun, diese abstrakten Begriffe, die uns innerlich zum reinen Denken erziehen, wovon ich gerade in meiner «Philosophie der Freiheit» gesprochen habe, diese abstrakten Begriffe, sie machen es möglich, dass wir freie Wesen werden. Als die Menschen noch nicht in Abstraktionen denken konnten, waren sie mit ihrer ganzen Seelenverfassung determiniert, abhängig. Frei können sich erst die Menschen entwickeln, nachdem sie innerlich durch nichts bestimmt sind, nachdem die moralischen Impulse – Sie können das nachlesen in meiner «Philosophie der Freiheit» – im reinen Denken erfasst werden können. Reine Gedanken sind aber keine Realität, sondern sie sind Bilder. Bilder können uns nicht zwingen, wir selber müssen unser Handeln bestimmen; Bilder haben nichts Zwingendes. Die Menschheit hat sich auf der einen Seite zum abstrakten Gedanken, auf der andern Seite zur Freiheit entwickelt. Das habe ich von andern Gesichtspunkten aus öfter dargestellt. 

 

 

 

 

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