Rudolf Steiner: Die „Philosophie der Freiheit“ kann richtig nur wie eine Art Partitur in innerer Denktätigkeit gelesen werden

 

 

Aus Nr. 322 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe.

 

Diese «Philosophie der Freiheit» ist ja nicht in der Absicht geschrieben, in der heute zumeist Bücher geschrieben werden. Heute werden Bücher geschrieben zu dem Ziele, dass der Betreffende sich über den Inhalt des Mitgeteilten einfach informiert, dass er nach seinen besonderen Vorkenntnissen, nach seiner Bildung oder seiner wissenschaftlichen Kultur eben Kenntnis nimmt von dem, was inhaltlich in einem Buche enthalten ist. So ist eigentlich im Grunde genommen meine «Philosophie der Freiheit» nicht gemeint. Daher wird sie auch von denjenigen nicht gerade geliebt, die von einem Buche nur Kenntnis nehmen wollen. Meine «Philosophie der Freiheit» ist so gemeint, dass man zur unmittelbaren eigenen Denktätigkeit Seite für Seite greifen muss, dass gewissermaßen das Buch selbst nur eine Art Partitur ist und man in innerer Denktätigkeit diese Partitur lesen muss, um fortwährend aus dem Eigenen heraus von Gedanke zu Gedanke fortzuschreiten. So dass bei diesem Buch durchaus immer mit der gedanklichen Mitarbeit des Lesers gerechnet ist. Und es ist ferner gerechnet mit demjenigen, was aus der Seele wird, wenn sie eine solche Gedankenarbeit mitmacht. Derjenige, der sich nicht gesteht, dass, wenn er dieses Buch nun wirklich in eigener seelischer Gedankenarbeit absolviert hat, er dann gewissermaßen sich in einem Elemente des Seelenlebens erfasst hat, in dem er sich früher nicht erfasst hat; derjenige, der nicht spürt, dass er gewissermaßen herausgehoben ist aus seinem gewöhnlichen Vorstellen in ein sinnlichkeitsfreies Denken, in dem man sich ganz bewegt, so dass man erfühlt, wie man in diesem Denken frei geworden ist von den Bedingungen der Leiblichkeit, der liest eigentlich diese «Philosophie der Freiheit» nicht im richtigen Sinne. Und der versteht sie im Grunde genommen nicht richtig, der sich dies nicht gestehen kann. Man muss gewissermaßen sich sagen können: Jetzt weiß ich durch diese seelische Gedankenarbeit, die ich verrichtet habe, was eigentlich reines Denken ist. 

 

 

 

 

 

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