Aus Nr. 186 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 210:
Und wie die Menschen in dem Zeitalter, in dem man vorbereiten muss die spirituellen Impulse, sich gerade die Augen verbinden, die Ohren zustopfen vor der Wahrheit des Übersinnlichen, indem sie zum Beispiel im Marxismus und im proletarisch verführten Denken von heute darauf hinweisen, dass man sich auf das Handgreifliche stützen müsse, um gerade abzulenken von dem Übersinnlichen, wie sie das Gegenteil von dem verfolgen, was auf diesem Gebiete in der wirklichen Tendenz der Menschheitsentwickelung liegt, so machen sie es auch auf dem Gebiete der Liebe. Sogar in den Tendenzworten prägt sich das aus. Man stellt Ideale auf, die das Gegenteil von dem sind, was eigentlich in der Menschheitsentwickelung liegt und angestrebt werden muss.
Als die erste, bedeutendste Kundgebung für die moderne proletarische Lebensauffassung, das «Kommunistische Manifest», 1848 erschien, da war dieses «Kommunistische Manifest» des Karl Marx bereits ausgestattet mit den Worten, die jetzt fast auf jedem sozialistischen Buch und auf jeder sozialistischen Broschüre als Motto zu finden sind: «Proletarier aller Länder, vereinigt euch!»
Wenn man nur ein wenig Sinn hat für eine Wirklichkeitsauffassung, dann muss man über diese Worte zu einem präzisen, aber sonderbaren paradoxen Urteil kommen. Was heißt das: «Proletarier aller Länder, vereinigt euch!»? Das heißt: Wirket zusammen, wirket miteinander, seid einander Brüder, seid Genossen! – Das ist Liebe! – Lasset die Liebe unter euch wirken! – Es tritt die Tendenz tumultuarisch auf, aber wie?: – Proletarier, werdet euch bewusst, dass ihr herausgesondert seid aus der Menschheit, hasset die anderen, die nicht Proletarier sind, lasset den Hass den Impuls eurer Vereinigung sein! – In einer sonderbaren Weise sind zusammengekoppelt Liebe und Hass, die Vereinigung wird angestrebt aus dem Hass heraus, dem Gegensatz der Vereinigung! Bemerkt wird es nur nicht, weil man heute weit entfernt davon ist, seine Gedanken mit der Wirklichkeit zu verknüpfen. Aber es ist der Furchtgedanke vor der Liebe, die zwar angeschlagen, aber zu gleicher Zeit gemieden wird, weil man vor ihr zurückschreckt, zurückbebt wie vor einem verzehrenden Feuer, indem man gerade solche Worte heraushebt und zum Motto macht in der sozialen Bewegung.
So kann nur das geisteswissenschaftliche Durchdrungensein dessen, was wirklich ist, Aufschluss geben für das, was in der Gegenwart wirkt, und das man kennen muss, damit man sich wirklich bewusst hineinstellen kann in diese Gegenwart. Es ist nicht so einfach, dasjenige, was heute in der Menschheit pulst, zu verfolgen. Geisteswissenschaft ist notwendig zu diesem Verfolgen. Das sollte nicht außer acht gelassen werden. Und der allein steht richtig in dieser geisteswissenschaftlichen Bewegung, der ernst genug auch diese Dinge zu nehmen versteht.
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