Rudolf Steiner: Es ist nämlich in dieser «Philosophie der Freiheit» schon jenes Denken geübt, zu dem man sich eigentlich behufs Erkenntnis höherer Welten systematisch hindurchringen muss. 

 

(aus GA 79 S. 48) 

Damit ist schon eine Barriere starker Art aufgerichtet gegen alles das, was in das Bewußtsein hereinkommen will an Suggestion, Illusion, an Visionen, Halluzinationen. Geisteswissenschaftliche Erkenntnis, wie sie hier gemeint ist, wird immer mißverstanden, wenn man sagt: Nun ja, solch ein Geistesforscher kann ja durch seine Übungen auch nur zu Halluzinationen oder dergleichen kommen, zu allerlei krankhaften Seelenzuständen. — Wer es wirklich ernst nimmt mit der Art und Weise, wie der Weg in die höhere Erkenntnis der Anthroposophie geschildert wird, der wird sehen, daß gerade diese Geistesforschung den Menschen am allerklarsten macht über alles, was Illusionen, was Halluzinationen oder was gar Mediumistisches ist. Das wird alles nach der anderen Seite, nach der krankhaften Seite gehend, streng abgewiesen, wird in seiner Wertlosigkeit gerade von demjenigen durchschaut, was mit wirklicher geistiger Forschung errungen werden kann. Dann kommt man dazu, ein ganz anderes Denken sich anzueignen. Das alte Denken, das man für das gewöhnliche Leben und für die gewöhnliche Wissenschaft braucht, das bleibt voll bestehen. Aber es tritt zu diesem Denken ein ganz neues Denken hinzu, wenn man in entsprechender Weise – Sie finden das in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» oder in meiner «Geheimwissenschaft» beschrieben — solche Übungen, wie ich sie prinzipiell jetzt als Denkübungen charakterisiert habe, immer wieder und wiederum systematisch vollführt – der eine braucht länger dazu, der andere kürzer — wenn man diese Übungen in seinem Bewußtsein als innerlich intime Seelenentwickelung vollführt. Was da zu dem gewöhnlichen Denken hinzukommt, ich möchte es in der folgenden Weise charakterisieren. 

Ich darf vielleicht dabei eine persönliche Bemerkung machen, die aber nicht persönlich gemeint ist, sondern von der Sie wohl zugeben werden, daß sie zu dem Objektiven meiner Darstellungen gehört. Ich habe in dem Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts meine «Philosophie der Freiheit» geschrieben, um zu zeigen, wie im moralischen, ethischen Leben der Menschheit die Freiheit wirklich begründet ist, wirklich lebt. Diese «Philosophie der Freiheit» hat viele Mißverständnisse hervorgerufen, weil man sich einfach nicht hineinfinden kann in die Art des Denkens, wie sie in dieser «Philosophie der Freiheit» geübt wird. Es ist nämlich in dieser «Philosophie der Freiheit» schon jenes Denken geübt, zu dem man sich eigentlich behufs Erkenntnis höherer Welten systematisch hindurchringen muß. Es ist der Anfang nur gemacht, derjenige Anfang, den jeder schon im gewöhnlichen Leben machen kann. Aber es ist zu gleicher Zeit der Anfang für die Erkenntnis höherer Welten. Das gewöhnliche Denken — Sie brauchen sich nur zu besinnen auf die Art dieses gewöhnlichen Denkens, so werden Sie sehen, wie berechtigt das ist, was ich sage – das gewöhnliche Denken ist eigentlich ein aus räumlichen Wahrnehmungen bestehendes Denken. Wir richten ja alles im Grunde genommen in unserem gewöhnlichen Denken räumlich ein. Bedenken Sie nur, daß wir das Zeitliche ja auch auf das Räumliche zurückführen. Wir drücken die Zeit durch die Bewegungen der Uhr aus. Wir haben im Grunde genommen auch in unseren physikalischen Formeln denselben Vorgang. Kurz, wir kommen zuletzt darauf, daß das gewöhnliche Denken ein kombinierendes ist, ein solches, das auseinanderliegende Gebilde zusammenfaßt. Dieses Denken brauchen wir für das gesunde gewöhnliche Leben, brauchen wir auch für die gesunde gewöhnliche Wissenschaft. 

Dasjenige Denken aber, das zum Behufe der Erkenntnis höherer Welten hinzukommen muß, und das man durch solche Übungen erringt, das ist ein Denken, welches ich nennen möchte das morphologische Denken, das Denken in Gestalten. Dieses Denken bleibt nicht im Räume stehen, dieses Denken ist durchaus ein solches, welches im Medium der Zeit so lebt, wie das andere Denken im Medium des Raumes. Dieses Denken gliedert nicht einen Begriff an den anderen, dieses Denken stellt vor die Seele etwas wie einen Begriffsorganismus. Wenn man einen Begriff, eine Idee, einen Gedanken hat, dann kann man nicht in beliebiger Weise zum anderen übergehen. Geradeso, wie man nicht beim Organismus des Menschen vom Kopf zu beliebigen anderen Formen übergehen kann, sondern zum Hals, dann zur Schulter, zum Brustkorb und so weiter übergehen muß, wie in einem Organismus alles gegliedert ist, wie auch ein Organismus nur ganz betrachtet werden kann, so muß dasjenige Denken, das ich das morphologische Denken nenne, innerlich beweglich sein. Es ist, wie gesagt, im Medium der Zeit, nicht des Raumes, aber es ist so innerlich beweglich, daß es eine Gestalt aus der anderen hervorruft, daß dieses Denken selber sich fortwährend organisch gliedert, fortwährend wächst. Dieses morphologische Denken, das ist es, das zum anderen Denken hinzukommen muß, und das man durch solche Meditationsübungen erlangen kann, wie ich sie im Prinzip angedeutet habe und die das Denken verstärken, intensiver machen. Mit diesem morphologischen Denken, mit diesem Denken, das in Gestalten, in Bildern verläuft, erringt man die erste Stufe der Erkenntnis übersinnlicher Welten, namentlich dasjenige, was ich in meinen Schriften die imaginative Erkenntnis genannt habe. 

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