Rudolf Steiner empfiehlt die „Philosophie der Freiheit“ zur Meditation

 

von Ingo Hagel 

 

Rudolf Steiner spricht hier in dieser GA 67 davon, wie er gerade eben seine „Philosophie der Freiheit“ neu herausgegeben hat, und wie ihm dadurch einige erschütternde Erlebnisse durch die Seele gezogen sind:  

Wer das nicht beobachten kann, der ermißt gar nicht, was man erlebt, wenn man das Ich nicht im Strom des Räumlichen darinnenstehend hat, sondern wenn man gezwungen ist, es in Gemäßheit der in der „Philosophie der Freiheit“ entwickelten Vorstellungen zu denken, die ja viele Menschen „Abstraktionen“ nennen; ich nenne sie die konkretesten, lebendigsten Vorstellungen, weil die „Philosophie der Freiheit“ ja lauter lebendige Begriffe entwickelt. Es ist das vorhanden, was ich nennen möchte das Erleben des Ich in bezug auf die Wechselwirkung des einen Zeitpunktes mit dem anderen.

 

Dann kommt er auf sehr konkrete Erfahrungen des Übersinnlichen zu sprechen:

Dadurch gliedert sich also die gesamte menschliche Wesenheit in 1. den physischen Leib, 2. den Bildekräfteleib, den ich charakterisiert habe als das, was im Gedächtnis wirkt, das wie ein unterbewußtes Wissen den Bildekräfteleib durchgeistigt, 3. das eigentlich Seelische, den astralischen Leib, und 4. das Ich.

Rudolf Steiner spricht weiter über Giordano Bruno. So wie dieser damals das menschliche Vorstellungsvermögen erweiterte, so muss auch heute eine Erweiterung des Bewusstseins erfolgen, muss ein Sprung gemacht werden:

Und heute stehen wir vor diesem Ruck des menschlichen Wissens nach vorn, wo in ähnlicher Weise wie vor Jahrhunderten für das menschliche Vorstellungsvermögen die Illusion des blauen Himmelsgewölbes hinweggerückt wurde, für die menschliche Anschauung die Illusion hinweggerückt wird, daß Geburt und Tod Grenzen seien, über die man nicht hinauskommen könne. Dieser Sprung muß gemacht werden. Dann eröffnet er dem Menschen die Aussicht in das wirkliche Leben seiner übersinnlichen Wesenheit.

 

Dann kommt er auf die Meditation zu sprechen, und darauf, 

dass die nüchternen Vorstellungen der „Philosophie der Freiheit“ durchaus Stoff „auf diesem Gebiete“ der Meditation bieten:

Wenn man sich in der Mathematik in ähnliche Vorstellungen hineinversenkt, besonders in solche, die bewegliches Leben in die Geometrie hineinführen, wo die Figuren verschiedene Gestalten annehmen können, oder in solche Vorstellungen, wie ich sie mit idealem Gehalt in der «Philosophie der Freiheit» hingestellt habe, dann ist das wohl etwas, was uns auf diesem Gebiete weiterbringen kann.

Auch damit ist also ganz klar belegt, dass der „ideale Gehalt in derPhilosophie der Freiheit„“, also die Ideen der „Philosophie der Freiheit“ sehr wohl als Grundlage der Meditation dienen können, dass sie Stoff und Inhalte und Vorstellungen für die Meditation bietet, und dass sie eben durchaus kein abstraktes Werk ist, was nicht in die höheren Welten hineinführen kann. –

Siehe dazu auch das Kapitel: 

Durch die „Philosophie der Freiheit“ kommt man DOCH in die reale geistige Welt von Imagination, Inspiration und Intuition?

hier im Inhaltsverzeichnis dieser Rubrik Anthroposophie. –    

 

Überhaupt ist eben wirkliches Denken und Meditation technisch dasselbe –  

auch wenn zu einem meditativen Leben noch manches andere dazugehört und dazukommen muss. –     

Deshalb nennt Rudolf Steiner in seinem Buch „Vom Menschenrätsel“ den Denkenden und den Meditierenden sozusagen in einem Atemzug – ich sage besser: in einem Schriftzug: 

Die Gedanken erfüllen sich mit einem ihnen eigentümlichen Leben, das der Denkende (der Meditierende) verbunden fühlt mit seinem eigenen Seelenwesen.

Solange man also nicht den Vorgang des wirklichen Denkens auf der Ebene der „Philosophie der Freiheit“ in sich realisiert hat, hat man auch noch nicht den wirklichen Vorgang der Meditation in sich realisiert. Und umgekehrt: Wer glaubt, er könne sich die Meditation aneignen, ohne den Vorgang des Denkens, wie er zum Beispiel in der „Philosophie der Freiheit“ dargelegt ist, in sich realisieren zu müssen, der befindet sich auf einem Holzweg. 

 

Um zu einem wirklichen Denken zu kommen – und nicht zu einem Erleben des Gedachten – 

muss der Wille im Denken sehr viel stärker aktiviert werden, als das im gewöhnlichen Bewusstsein der Fall ist. Dazu ist es hilfreich zu wissen, dass man bei der Meditation – ersteinmal – im gewöhnlichen Bewusstsein bleibt: 

Der Mensch kann in das gewöhnliche bewußte Denken eine stärkere Willensentfaltung einführen, als in diesem im gewöhnlichen Erleben der physischen Welt vorhanden ist. Er kann dadurch vom Denken zum Erleben des Denkens übergehen. Im gewöhnlichen Bewußtsein wird nicht das Denken erlebt, sondern durch das Denken dasjenige, was gedacht wird. Es gibt nun eine innere Seelenarbeit, welche es allmählich dazu bringt, nicht in dem, was gedacht wird, sondern in der Tätigkeit des Denkens selbst zu leben. Ein Gedanke, der nicht einfach hingenommen wird aus dem gewöhnlichen Verlauf des Lebens, sondern der mit Willen in das Bewußtsein gerückt wird, um ihn in seiner Wesenheit als Gedanke zu erleben, löst in der Seele andere Kräfte los als ein solcher, der durch auftretende äußere Eindrücke oder durch den gewöhnlichen Verlauf des Seelenlebens hervorgerufen wird.

Was gedacht wird, soll erlebt werden. Was der Wille im Denken hervorbringt, soll gleichzeitig gedacht werden. Dieses, worauf Worte immer nur in einer unbefriedigenden Abstraktheit hinweisen können, muss man erst einmal realisieren lernen. 

 

In der „Philosophie der Freiheit“ liest sich das im Nachtrag zum dritten Kapitel – 

worauf ich immer mal wieder hier auf Umkreis-Online hingewiesen habe – so:    

… das wirkliche Denken muß immer gewollt sein. Nur hat dies mit der Kennzeichnung des Denkens, wie sie in diesen Ausführungen gemacht ist, nichts zu schaffen. Mag es das Wesen des Denkens immerhin notwendig machen, daß dieses gewollt wird: es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. 

Beziehungsweise Rudolf Steiner weist darauf hin,

daß es das «Ich» selbst ist, das im Denken drinnen stehend seine Tätigkeit beobachtet. 

Das ist ebenfalls gleichbedeutend damit, dass Hervorbringung des Denkinhaltes und dessen Beobachtung im selben Moment, im selben Akt sich vollziehen. Und natürlich ist es so, dass sich diese Tätigkeit nicht im Astralleib vollzieht, sondern im „Ich“, das damit gerade enorm in seiner Bildung gefördert wird, das aber noch nicht das wirkliche Ich ist, weshalb Rudolf Steiner das „Ich“ dort in der „Philosophie der Freiheit“ in Anführungszeichen schreibt.

 

Es mag ja durchaus sein, dass man mit den philosophischen Inhalten der „Philosophie der Freiheit“ nichts anfangen kann. – 

… Aber man kann allerdings und muß auch das Denken selbst erfassen, sonst kommt man nicht zu einer abschließenden philosophischen Anschauung. Es mag nicht jedermanns Sache sein, aber des Philosophen Sache ist es gewiß. –

Aber wer mit der Art und Weise, der Methodik des Denkens, die in der „Philosophie der Freiheit“ geschildert ist, nichts anfangen kann, wird auch mit der wirklichen Meditation nichts anfangen können und an dieser vorbeilaufen. Er mag dann davon träumen, dass er meditiert, aber er träumt eben. –

Wobei das Träumen bei dieser Angelegenheit vielleicht noch das Bessere ist, denn wenn man in der Meditation immer nur noch stärker das Denken des Kopfes aktiviert, ist das krankmachend. – 

 

Bei der Meditation geht es darum, den Willen im Denken zu aktivieren, um zu einem reinen Denken zu kommen. 

Das kann man an der „Philosophie der Freiheit“ lernen. Wer es an dieser nicht lernen kann oder will, muss es dann an den Inhalten der Anthroposophie selber oder an dem Vorgang der Meditation selber lernen, wenn er meditieren lernen will. Aber ohne ein reines Denken ist mit Blick auf die Meditation eben nichts zu machen. Und weil viele „Anthroposophen“ diesen Zusammenhang nicht verstanden haben, sah Rudolf Steiner sich dann veranlasst, in seinem beliebten Buch 

„Wie kann ich das Schwänzchen eines Elementarwesens sehen lernen?“ – Nein! So ein Blödsinn! Das Buch heißt natürlich: 

„Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ in einem Nachtrag zur Neuausgabe 1918 (8. – 11. Tausend) auf genau diese Angelegenheit noch einmal hinzuweisen (GA 10 S. 15):         

Dagegen habe ich dieser Ausgabe ein «Nachwort» hinzugefügt, durch das ich mich bemüht habe, manches deutlicher als früher zu sagen, was die seelischen Grundlagen betrifft, auf welche die Mitteilungen des Buches gestellt werden müssen, damit sie ohne Missverständnis entgegengenommen werden.

Und:

Es gibt Menschen, die an das Vorhandensein solcher Gedanken überhaupt nicht glauben. Diese meinen: der Mensch könne nichts denken, was er nicht aus der Wahrnehmung oder dem leiblich bedingten Innenleben herauszieht. Und alle Gedanken seien nur gewissermaßen Schattenbilder von Wahrnehmungen oder von inneren Erlebnissen. Wer dieses behauptet, der tut es nur, weil er sich niemals zu der Fähigkeit gebracht hat, mit seiner Seele das reine, in sich beruhende Gedankenleben zu erleben. Wer aber solches erlebt hat, für den ist es Erfahrung geworden, daß überall, wo im Seelenleben Denken waltet, in dem Maße, als dieses Denken andere Seelenverrichtungen durchdringt, der Mensch in einer Tätigkeit begriffen ist, an deren Zustandekommen sein Leib unbeteiligt ist. 

Der letzte Satz gibt Veranlassung, diesen hier vorliegenden Artikel als Arbeitsmaterial auch in das Kapitel 

Zurückdrängung der Leibesorganisation – Durch die „Philosophie der Freiheit“ zu Imagination, Inspiration, Intuition? 

des Inhaltsverzeichnisses dieser Rubrik Anthroposophie aufzunehmen.   

 

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