Die zweite Strömung, die sich immer mehr und mehr entwickeln muß zu einem krisenhaften Gegenüberstehen dem, was zum Ausdruck kommt in den Worten: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt» und «Ich bin von oben her, Ihr aber seid von unten her», das ist das Wort: «L’etat c’est moi! Der Staat bin ich!», mein Reich, das Reich meines Ichs ist ganz an diese Welt gebunden. Das Richtige liegt in der Synthesis der beiden Sätze. Es liegt in dem universell aufgefaßten Christentum, ausgesprochen in den Worten «Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist». Im richtig verstandenen Christentum liegt kein falsches Abkehren von der Welt. Es liegt darin aber auch nicht jene Einseitigkeit, die bloß in dem Sich-Anhängen an die materiellen Einrichtungen des Weltendaseins sich ausleben kann.
Wir berühren, indem wir solches aussprechen, wahrhaft die tiefsten Aufgaben der Anthroposophie, die allertiefsten Aufgaben. Denn die Anthroposophie, im wahren Sinnes des Wortes, muß nicht einseitig einer Kopfstimmung entsprungen sein, sondern der ganzen Seele des Menschen. Und dann erst wird diese Seele den Übergang finden in das anthroposophische Leben, wenn sie ganz, nicht bloß in ihrem Vorstellungsleben, ergriffen wird von dem, was die Geisteswissenschaft gegeben hat, wenn sie ganz, ganz davon ergriffen wird.
Es ist eine Tatsache, daß das, was des Menschen Haupt geworden ist im Mondendasein, während des Erdendaseins auf dem Weg ist, der ganze Mensch zu werden. Während der alten Mondenentwickelung war ein Wesen da, der Vorfahr des gegenwärtigen Menschen. Was dazumal ein äußerer Organismus war, ist heute zum Haupte geworden. Die Glieder haben sich angesetzt. Wenn die kommende Jupiterentwickelung da sein wird, wird dieser ganze Organismus des heutigen Menschen Haupt geworden sein. Was Sie heute als ganzer Mensch sind, wird Gehirn, Haupt des Jupitermenschen sein, so wie der ganze Mondmensch zum Haupt des Erdenmenschen geworden ist.
Darin besteht die Aufgabe wahrer geistiger Entwickelung, daß die Zukunft wirklich vorausgenommen wird. Deshalb müssen wir uns bewußt werden, daß um uns herum eine Kopfkultur ist, und daß es uns obliegt, eine Menschheitskultur zu schaffen. Unser Kopf könnte nicht denken, könnte keine Vorstellungen, keine Begriffe spiegeln, wenn er sich so verhielte, wie unser ganzer übriger Organismus; niemals könnte er dann wirklich seine Aufgabe erfüllen. Unser Kopf spiegelt die Welt, die ja unsere Wahrnehmungswelt wird, nur deshalb, weil er sich in seinem Wahrnehmen vergessen kann, richtig vergessen kann. In seinem Fühlen ist der Mensch – Gott sei Dank – ja immer kopflos. Wenn Sie versuchen, sich durchzuspüren, durchzufühlen und sich zu fragen: Was fühle ich am wenigsten in meinem Organismus? – so ist es wirklich der Kopf, der sich im normalen Leben am meisten vergißt. Und wenn er sich wirklich einmal nicht vergißt, dann tut er weh, und dann ist es ihm auch am liebsten, wenn er gar nichts wahrnehmen muß, sondern hübsch in Frieden gelassen und ohne Wahrnehmung gehalten wird. Da macht er seinen Egoismus geltend. Sonst aber löscht er sich aus, und weil er sich auslöscht, können wir die ganze umliegende Welt wahrnehmen. Er ist organisiert dazu, sich auszulöschen.
Würden Sie nur ein klein wenig die äußere Peripherie des Kopfes nicht vergessen, sondern ins Auge fassen, dann könnten Sie schon nicht mehr die äußere Umgebung wahrnehmen. Denken Sie sich, daß Sie, anstatt die äußere Welt wahrzunehmen, Ihr Auge sehen würden; wenn Sie zum Beispiel einen Schritt nur zurücktreten würden mit Ihrer Wahrnehmung, dann würden Sie die Schädelhöhle sehen, aber mit Wahrnehmung der Außenwelt wäre es nichts. In demselben Maße und in dem Augenblicke, in dem es dem Menschen gelingt, seinen Organismus ganz auszuschalten – was man bekanntlich durch Meditation und in der Initiation erreicht -, in demselben Maße und Augenblicke wird dieser Organismus ein wirklicher Spiegel der Welt, nur, daß wir dann nicht den Organismus sehen, sondern den Kosmos. So wie der Kopf auch nicht sich selber sieht, sondern dasjenige, was um ihn herum ist, so sieht der ganze Mensch, wenn er Wahrnehmungsorgan wird, den Kosmos. Das ist das Ideal, das uns vorschweben muß: Vergessen des Organismus, so wie er uns auf dem physischen Plane erscheint, und dafür ihn benützen können als Spiegelungsapparat für die Geheimnisse des Kosmos.
So erweitern wir allmählich unsere Kopfauffassung zu einer Ganz-Mensch-Auffassung der Welt, und wir müssen lernen, etwas davon zu verspüren, zu empfinden, zu fühlen, wie wirklich Anthroposophie den ganzen Menschen ergreifen muß, überwindend diese Kopfstimmung – so darf ich sie nennen im Gegensatz zur anthroposophischen Stimmung – die einseitige Kopfstimmung, die von der modernen Wissenschaft ausgeht und so ganz nur den Kopf erfaßt.
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