Rudolf Steiner: Das reine Denken ist der Schöpfer des Ich

 

 

von Rudolf Steiner 

 

 

Aus Nr. 35 (S. 101ff) der Rudolf Steiner Gesamtausgabe:

Das Abbild dieser reinen Aktualität findet sich nun im Menschen selbst, wenn er aus dem reinen Denken heraus zu dem Begriff des «Ich» kommt. Da ist er im Ich bei etwas, was Fichte als Tathandlung bezeichnet. Er kommt in seinem Innern zu etwas, das, indem es in Aktualität lebt, zugleich mit dieser Aktualität seine Materie mit hervorbringt. Wenn wir das Ich im reinen Gedanken fassen, dann sind wir in einem Zentrum, wo das reine Denken zugleich essentiell sein materielles Wesen hervorbringt. Wenn Sie das Ich im Denken fassen, so ist ein dreifaches Ich vorhanden: ein reines Ich, das zu den Universalien «ante rem» gehört, ein Ich, in dem Sie drinnen sind, das zu den Universalien «in re» gehört, und ein Ich, das Sie begreifen, das zu den Universalien «post rem» gehört. Aber noch etwas ganz Besonderes ist hier: für das Ich verhält es sich so, dass, wenn man sich zum wirklichen Erfassen des Ich aufschwingt, diese drei «Ichs» zusammenfallen. Das Ich lebt in sich, indem es seinen reinen Begriff hervorbringt und im Begriff als Realität leben kann. Für das Ich ist es nicht gleichgültig, was das reine Denken tut, denn das reine Denken ist der Schöpfer des Ich. Hier fällt der Begriff des Schöpferischen mit dem Materiellen zusammen, und man braucht nur einzusehen, dass wir in allen anderen Erkenntnisprozessen zunächst an eine Grenze stoßen, nur beim Ich nicht: dieses umfassen wir in seinem innersten Wesen, indem wir es im reinen Denken ergreifen. 

So lässt sich erkenntnistheoretisch der Satz fundamentieren, «dass auch im reinen Denken ein Punkt erreichbar ist, in dem Realität und Subjektivität sich völlig berühren, wo der Mensch die Realität erlebt». Setzt er da ein und befruchtet er sein Denken so, dass dieses Denken von da aus wiederum aus sich herauskommt, dann ergreift er die Dinge von innen. Es ist also in dem durch einen reinen Denkakt erfassten und damit zugleich geschaffenen Ich etwas vorhanden, durch das wir die Grenze durchdringen, die für alles andere zwischen Form und Materie gesetzt werden muss. Damit wird eine solche Erkenntnistheorie, die gründlich vorgeht, zu etwas, das auch im reinen Denken den Weg zeigt, in die Realität hinein zu gelangen. 

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