Reale Beziehung zur geistigen Welt durch die „Philosophie der Freiheit“?

 

von Ingo Hagel

 

Hier in diesem Artikel wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die „Philosophie der Freiheit“ Wirklichkeitsphilosophie ist. Es wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn Rudolf Steiner Wirklichkeit sagt oder schreibt, er immer die reale geistige Welt meint – 

also die Welt der Imagination, Inspiration und Intuition. – 

Heißt das Alles also, dass man durch die „Philosophie der Freiheit“ in diese reale geistige Welt von Imagination, Inspiration und Intuition kommt? Man kann diese Frage durchaus aufwerfen, nicht nur aus dem hier in dieser GA 74 von Rudolf Steiner Gesagten, sondern auch aus an vielen anderen Stellen seines Werkes Gesagten oder Geschriebenen – 

was wir Alles später noch ein wenig ausführlicher besprechen werden. – 

Ich mache daher schon mal ein neues Kapitel in dem Kapitelverzeichnis dieser neuen Rubrik Anthroposophie auf, und das heißt: 

Durch die „Philosophie der Freiheit“ DOCH in die reale geistige Welt von Imagination, Inspiration und Intuition? 

 

Rudolf Steiner bespricht also in diesen drei Vorträgen der GA 74  

die erkenntnismäßige Grundlage der Anthroposophie –

soweit das in nur drei Vorträgen, die bestimmte umfassende Zusammenhänge in konzentrierter Form vor die Zuhörer bringen wollten, möglich ist – aber diese drei wunderbaren Vorträge haben es in sich. – 

Der normale Mensch, der davon erstmal keine Ahnung hat –

denn woher soll er diese Ahnung auch haben zu Beginn dieser Reise – aber wenn er sein Leben als ignoranter Rudolf-Steiner-Kritiker verdaddelt hat, zwar viel gelesen aber und immer noch nichts begriffen hat, ist das natürlich auch nicht gut – 

sieht natürlich in der Wahrnehmung dieser beiden Gebiete –

also in der erkenntnismäßigen Grundlage – zum Beispiel gegeben durch die „Philosophie der Freiheit“ – sowie in der Anthroposophie selber –

keinen Zusammenhang. Das Eine ist für ihn öde, tote, langweilige, abstrakte Philosophie – das Andere sind irgendwelche „übersinnlichen Märchenerzählungen“, von denen die Einen nicht wissen, woher der Mann das nun plötzlich hat, und die Anderen – nur zum Beispiel – behaupten, Steiner hätte irgendwelche Antennen ausgefahren 

solche Vergleiche versteht der moderne Elektronik-Begeisterte, der schwer von sich eingenommen ist, wenn auf seinem Computer 35 WLAN-Netzwerke aus der Nachbarschaft gleichzeitig angezeigt werden, doch sofort –

oder „seine kruden Thesen“ einfach aus der theosophischen Literatur abgeschrieben. 

 

Hier jedenfalls in dieser GA 74 scheint es ganz klar zu sein, 

dass man durch die „Philosophie der Freiheit“ in die reale geistige Welt kommt – diese „geistige Welt“ wird hier mit Blick auf diese Philosophie dreimal genannt: 

Er baut auf dasjenige, was der Mensch sich erringt als Freiheit, indem er umwandelt das gewöhnliche Denken in dasjenige, was in meiner «Philosophie der Freiheit» das reine Denken genannt wird, das sich erhebt in die geistige Welt und herausgebiert aus der geistigen Welt die Antriebe für die moralischen Handlungen, sie herausgebiert dadurch, daß sich etwas, was sonst an die menschliche Leiblichkeit gebunden ist, der Impuls der Liebe, heraufspiritualisiert. Und indem die sittlichen Ideale aus der geistigen Welt durch die moralische Phantasie entlehnt werden, äußern sie sich in ihrer Kraft, werden die Kraft der geistigen Liebe.

 

Ich habe oben jedoch das ausgelassen, was Rudolf Steiner zu Beginn dieses Abschnitts dazu sagt, 

und was man auch sehr leicht in seiner Bedeutungsschwere übersehen beziehungsweise gar nicht richtig einordnen kann – und das stellt die Antwort auf das oben Angeführte dar:

Auf diese Weise tritt einem des Menschen Beziehung zur geistigen Welt vor die Seele zunächst in einer rein philosophischen Form.

Diese reale „Beziehung zur geistigen Welt“ vollzieht sich durch die „Philosophie der Freiheit“ ersteinmal, also:

zunächst in einer reinen philosophischen Form. 

Das macht sie nicht weniger real, aber die Form ist eben eine solche, bei der man – erst einmal – überhaupt nicht erkennt, woher diese Impulse kommen. 

 

Man kann durch die Erarbeitung solcher Inhalte wie hier in dieser GA 74 

aber auch dazu kommen zu konstatieren, dass die Vorstellungen von Einem von einer realen geistigen Welt möglicherweise ergänzungsbedürftig sind – nämlich dahingehend, dass diese reale geistige Welt durchaus – ersteinmal – in Gedankenform, das heißt 

zunächst in einer reinen philosophischen Form

auftreten kann. In dieser Gedankenform befinden sich dann Inhalte, die zwar aus der realen geistigen Welt entnommen sind, die aber nur als gedankliche, ideelle, philosophische Form im Bewusstsein leben. Aber es ist wichtig, sich diese Gedankenform – 

zum Beispiel anhand der „Philosophie der Freiheit“ – 

ersteinmal überhaupt bilden zu können – dann können möglicherweise später auch andere Inhalte dieser realen geistigen Welt, der Wirklichkeit, von dieser Form aufgenommen werden können. 

Deshalb ist meine «Philosophie der Freiheit» das geworden, was Wirklichkeits-Philosophie ist. Indem das Erkennen nicht bloß ein formaler Akt ist, indem das Erkennen selber ein Wirklichkeitsprozess ist, stellt sich das ethische, das moralische Handeln als ein Ausfluss desjenigen dar, was in diesem Werden in einem realen Prozess das Individuum erlebt durch die moralische Phantasie als Intuition.

Die „Philosophie der Freiheit“ ist nicht deswegen Wirklichkeitsphilosophie, 

weil sie gleich direkt, vollständig und in Gänze zu dieser Wirklichkeit führt –

also zu der realen geistigen Welt von Imagination, Inspiration und Intuition –

sondern weil sie dazu einen Anfang, aber einen ganz realen Erkenntnis-Anfang darstellt – 

… meine «Philosophie der Freiheit», die ganz ruht auf diesen erkenntnistheoretischen Untergründen von der Erarbeitung der Wirklichkeit, von dem Hineinleben in die Wirklichkeit durch die menschliche Erkenntnis …

der nicht irgendwo abbricht – und dann beginnt etwas ganz Anderes, Neues, das nichts mehr mit der lästigen gedanklichen Form der „Philosophie der Freiheit“ zu tun hat –

die man daher auch gerne links liegenlassen kann. – 

Denn dann soll etwas wunderbar Mystisch-Okkult-Verschrobenes beginnen, bei dem man nicht mehr denken muss, bei dem man seinen Verstand abgeben und das Bewusstsein in wunderbaren Träumen verlieren darf –

Alles so schön bunt hier –

weil „der Kosmos“ in Einen einströmt, das „Ur-Selbst“, die „göttliche All-Seele“ – 

oder was weiß ich sonst noch alles Schönes und Erhabenes, das der nicht denken wollenden Geistesjünger oder sonstwelchen intellektuell aufgezwirbelten und abgespaceten Anthro-Funktionäre Herz erfreut –

sondern diese „Philosophie der Freiheit“ muss einfach nur in ihrer geistigen Methode weiterverfolgt werden, um zu diesem Ergebnis und Ziel einer realen geistigen Welt zu kommen. 

  

Da wir hier in dem vorliegenden Artikel mit Blick auf die Frage, 

ob der Mensch durch die „Philosophie der Freiheit“ in die reale geistige Welt von Imagination, Inspiration und Intuition kommen kann – erstmal – zu einer abschlägigen Antwort gekommen sind –

die allerdings aufgrund der verschiedenen vorliegenden Fragen und Aspekte auch in sehr verschiedenen anderen Arten dieser Antwort ausfallen kann –

mache ich im Kapitelverzeichnis dieser Rubrik auch gleich noch ein anderes entsprechendes Kapitel auf, und das heißt:

Durch die „Philosophie der Freiheit“ NICHT in die reale geistige Welt von Imagination, Inspiration und Intuition! 

 

 

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GA 74 S. 98

Auf diese Weise tritt einem des Menschen Beziehung zur geistigen Welt vor die Seele zunächst in einer rein philosophischen Form. Und wer nun meine «Philosophie der Freiheit», die ganz ruht auf diesen erkenntnistheoretischen Untergründen von der Erarbeitung der Wirklichkeit, von dem Hineinleben in die Wirklichkeit durch die menschliche Erkenntnis -, wer diesen Grundgedanken in sich aufnimmt, der schon in dem Titel der Schrift «Wahrheit und Wissenschaft» ausgedrückt ist: daß die wirkliche Wissenschaft Wahrnehmungen und Ideenwelt miteinander vereinigt und in diesem Vereinigen nicht bloß ein Ideelles, sondern einen realen Prozeß sieht, wer nun etwas von einem Weltprozeß sehen kann in diesem Vereinigen von Wahrnehmungs- und Ideenwelt, der steht dabei, den Kantianismus zu überwinden, der steht aber auch dabei, nun endlich fertigzuwerden mit dem Problem, das wir haben aufgehen sehen in der abendländischen Entwickelung, das den Nominalismus hervorgebracht hat, das in der Scholastik manche Lichter geworfen hat im 13. Jahrhundert, das aber zuletzt ohnmächtig gegenüberstand der Scheidung in Wahrnehmung und in Ideenwelt. 

Diesem Problem der Individualität kommt man nun nahe auf ethischem Gebiete. Deshalb ist meine «Philosophie der Freiheit» das geworden, was Wirklichkeits-Philosophie ist. Indem das Erkennen nicht bloß ein formaler Akt ist, indem das Erkennen selber ein Wirklichkeitsprozeß ist, stellt sich das ethische, das moralische Handeln als ein Ausfluß desjenigen dar, was in diesem Werden in einem realen Prozeß das Individuum erlebt durch die moralische Phantasie als Intuition. Und es entsteht das, was im zweiten Teil meiner «Philosophie der Freiheit» dargestellt ist, der ethische Individualismus, der nun tatsächlich baut, wenn das auch in meiner «Philosophie der Freiheit» nicht ausgesprochen ist, auf den Christus-Impuls im Menschen. Er baut auf dasjenige, was der Mensch sich erringt als Freiheit, indem er umwandelt das gewöhnliche Denken in dasjenige, was in meiner «Philosophie der Freiheit» das reine Denken genannt wird, das sich erhebt in die geistige Welt und herausgebiert aus der geistigen Welt die Antriebe für die moralischen Handlungen, sie herausgebiert dadurch, daß sich etwas, was sonst an die menschliche Leiblichkeit gebunden ist, der Impuls der Liebe, heraufspiritualisiert. Und indem die sittlichen Ideale aus der geistigen Welt durch die moralische Phantasie entlehnt werden, äußern sie sich in ihrer Kraft, werden die Kraft der geistigen Liebe. 

Daher mußte entgegengehalten werden dem Philisterprinzip Kants: Pflicht! Du erhabener Name, der du nichts von Schmeichelei bei dir führst, sondern strenge Unterwerfung forderst – diesem Philisterprinzip, gegen das sich Schiller schon aufgelehnt hat -, dem mußte die «Philosophie der Freiheit» entgegensetzen das umgewandelte Ich, das hinauf sich entwickelt hat in die Sphäre der Geistigkeit und oben in der Sphäre der Geistigkeit anfängt, die Tugend zu lieben, und deshalb die Tugend übt, weil es sie aus der Individualität heraus liebt. 

So stellte sich auch das, was für Kant ein bloßer Glaubensinhalt geblieben ist, als ein realer Welteninhalt dar. Denn für Kant ist die Erkenntnis etwas Formales, für die «Philosophie der Freiheit» etwas Reales. Es ist ein wirklicher Prozeß, der vorgeht. Daher ist auch dasjenige, was die höhere Sittlichkeit ist, durch sie verknüpft zu einer Realität, aber zu einer Realität, welche Wertphilosophen wie Windelband und Rickert durchaus nicht erreichen, indem sie nicht daraufkommen, wie das, was sittlich wertvoll ist, eingewurzelt ist in der Welt. Selbstverständlich, diejenigen Menschen, die den Erkenntnisvorgang nicht als einen realen Vorgang ansehen, die kommen schließlich auch nicht zu einer Verankerung der Sittlichkeit in der Seinswelt; die kommen überhaupt zu keiner Wirklichkeitsphilosophie. 

Aus dem ganzen Werdegang der abendländischen philosophischen Entwickelung wurde eigentlich die philosophische Grundlegung desjenigen, was hier als Geisteswissenschaft auftritt, herausgeholt. Und ich habe im Grunde genommen heute den Versuch gemacht, Ihnen zu zeigen, wie jener Zisterzienserpater dazumal nicht ganz unrichtig gehört hat: wie wirklich der Versuch vorliegt, die realistischen Elemente der Hochscholastik durch eine Geisteswissenschaft in unser naturwissenschaftliches Zeitalter hereinzustellen, wie Ernst gemacht wurde mit der Umwandlung der menschlichen Seele, mit der wirklichen Erfüllung der menschlichen Seele mit dem Christus-Impuls auch im Gedankenleben. Das Erkenntnisleben ist zu einem realen Faktor im Weltenwerden gemacht, das sich nur auf dem Schauplatz – wie ich in meinem Buche «Goethes Weltanschauung» ausgeführt habe – des menschlichen Bewußtseins vollzieht. Aber das, was sich da auf dem Schauplatze des menschlichen Bewußtseins vollzieht, das ist zugleich Weltenvorgang, das ist ein Geschehen in der Welt; und es ist dasjenige Geschehen, das die Welt und innerhalb der Welt uns selbst vorwärtsbringt. 

Da gewinnt das Erkenntnisproblem eine ganz andere Gestalt. Da wird das, was wir erleben, geistig-seelisch in uns zu einem real uns entwickelnden Faktor. Da sind wir das, was hervorgeht aus dem, was wir Erkenntnis nennen. Wie der Magnetismus wirkt in der Gestaltung der Eisenfeilspäne, wenn er die Figuren hervorbringt, die wir kennen als die Ergebnisse der Wirkung des Magnetismus auf die freien Eisenfeilspäne, so wirkt in uns dasjenige, was sich in uns spiegelt als Erkenntnis. Es wirkt zu gleicher Zeit als unser Gestaltungsprinzip, und wir erkennen dann zu gleicher Zeit das Unsterbliche, das Ewige in uns, und wir werfen das Erkenntnisproblem nicht mehr in bloß formaler Weise auf. 

Wie wurde immer das Erkenntnisproblem aufgeworfen? Das Erkenntnisproblem wurde immer in Anlehnung an den Kantianismus so aufgeworfen, daß man sich sagte: Wie kommt der Mensch dazu, in dieser Innenwelt ein Abbild der äußeren Welt zu erblicken? – Aber das Erkennen ist zunächst gar nicht dazu da, um Abbilder der äußeren Welt zu schaffen, sondern um uns zu entwickeln, und es ist ein Nebenprozeß, daß wir die Außenwelt abbilden. Wir lassen in der Außenwelt zusammenfließen in einem Nebenprozeß, was wir erst durch unsere Geburt abgespalten haben, und es ist geradeso bei dem modernen Erkenntnisproblem, wie wenn jemand Weizen oder andere Feldprodukte hat und, wenn er das Wesen des Wachstumsprinzips im Weizen untersuchen will, den Weizen auf seinen Nahrungsmitteleffekt untersucht. Gewiß kann man Nahrungsmittelchemiker werden, aber das, was im Weizen wirkt von der Ähre bis zur Wurzel und wieder weiter, das wird nicht durch Nahrungsmittelchemie erkannt. Die erörtert nur irgend etwas, was hinzukommt zu der geradlinig sich fortbewegenden Entwickelungsströmung, die in der Weizenpflanze liegt. 

So gibt es eine Entwickelungsströmung des geistigen Lebens in uns, die uns erkraftet, die mit unserem Wesen etwas zu tun hat, wie die Entwickelung der Pflanze von der Wurzel durch den Stamm, durch das Blatt zur Blüte und zur Frucht, und von da wiederum zum Keime und zur Wurzel wird. Und wie das, daß wir das essen, wahrhaftig nicht bei der Wesenserklärung des Pflanzenwachstums eine Rolle spielen soll, so darf auch nicht die Frage nach dem Erkenntniswerte dessen, was in uns als Entwickelungsimpuls lebt, die Grundlage für eine Erkenntnistheorie sein, sondern es muß klar sein, daß das, was wir im äußeren Leben Erkenntnis nennen, ein Nebeneffekt ist der Arbeit des Ideellen in unserer Menschenwesenheit. Da kommen wir zu dem Realen desjenigen, was ideell ist. Es arbeitet in uns. Und nur dadurch ist der falsche Nominalismus, ist der Kantianismus entstanden, daß man die Erkenntnisfrage so aufgeworfen hat, wie man die Frage nach dem Wesen des Weizens von der Nahrungsmittelchemie aus aufwerfen würde.