Rausgeschaukelt – Traumberufe 

 

von Stella Hagel

 

Rausgeschaukelt 

Philipp, fünf Jahre, soll sich ausziehen und zu Bett gehen. Ich sitze vor dem Bettchen, leiste ihm Gesellschaft und höre ihm beim Plaudern zu. Auf einmal fängt er an zu schaukeln. Er stellt sich mit dem Rücken vor sein Bettchen, lässt sich rücklings aufs Bett fallen und schnellt dann wieder hoch. So schaukelt er etliche Male hin und her, und es macht ihm großen Spaß. Plötzlich lacht er hell auf. Ich wundere mich, verhalte mich aber still. Da meint er: „Du weißt ja gar nicht, warum ich gelacht habe.“ Ich bestätige: „Nein, Philipp, das weiß ich wirklich nicht.“ „Soll ich Dir sagen, warum ich gelacht habe?“ „Wenn Du willst, dann sag es mir.“ Als er erzählen will, muss er an das Lustige denken und auch wieder sehr darüber lachen. Dann merkt er, dass er es nicht in Worte fassen kann. „Ich kann’s gar nicht sagen, es war aber sooo lustig. Ich hatte ein Bild!“ 

 

Traumberufe 

Michael, fünf Jahre, verbringt mit seiner Mutter, einer Eurythmistin, wunderbare Ferien in einer Gegend, die viel Wald und eine große Forstwirtschaft hat. Hingerissen beobachtet er, wie die Männer im Wald arbeiten. Sehnsüchtig seufzt er: „Ach Mutter, warum bist Du nur keine Forstwirtschaft!“ Er bedauert es aus tiefstem Herzen. Nach einer Weile des Nachdenkens tröstet er die Mutter und sich selbst: „Na ja Mutter, eins kann die Forstwirtschaft nicht. Sie kann keine Eurythmie machen!“ 

 

Die Kleinen nehmen alles wahr 

Der kleine dreijährige Roland hat einen schlechten Tag. Er kann sich nicht von seiner Mama lösen, um mit den anderen Kindern in die Spielgruppe zu gehen. Als ich aus der Spielgruppe komme, sehe ich ihn mit dem Schnuller im Mund unruhig im Flur herumtappeln. Seine Mutter sitzt in einem Aufenthaltsraum und ringt mit sich, ob sie ihn wieder mit nach Hause nehmen soll, oder ob sie sich von ihm losreißen soll. „Ach, es ist so schwer, das Richtige zu tun“, seufzt sie. Der Kleine im Flur merkt ihr Ringen wohl, denn als ich ihn frage: „Na, Roland, wie geht’s Dir denn?“, presst er bedrückt am Schnuller vorbei hervor: „Ich weiß gar nicht, was die Mama vorhat.“ 

 

Innen und außen 

Es gibt in der Eurythmie ein Element, welches wir Ballen und Lösen nennen. Die Kräfte des Zusammenziehens und Ausdehnens kommen in mannigfaltiger Weise im Leben vor. Das Herz zum Beispiel vollzieht eine solche Doppelbewegung, und auch das seelische Erleben, wenn es sich in das Menscheninnere zurückzieht, oder wenn es sich weitet und der Welt öffnet. 

Will ich diese Doppelbewegung des nach Innen- und nach Außengehens mit den Kindern gestalten, tue ich dies begleitet von einem kurzen Vers: „Ich gehe in mein kleines Haus …“ Da schlüpfen wir wie in ein enges Häuschen, indem wir uns alle in der Mitte des Raumes zusammendrängen. Gleichzeitig nehmen wir Arme und Hände ganz nah an uns heran, die Hände sogar in einer Ballung vor der Brust. Sind wir drin im Haus, stampfen wir tüchtig mit den Füßen, begleitet von den Worten: „… und holen uns Kraft und Stärke draus.“ Dann fährt der Vers fort: „Wir gehen aus dem kleinen Haus, und laufen in die Welt hinaus.“ Und da laufen wir natürlich auch wirklich fröhlich unser Tempo steigernd los, was die Kinder immer zu lautem Jauchzen anregt. 

Dem fünfjährigen, blonden Niklas macht das Ganze besonders großen Spaß. Er macht es energisch und kraftvoll, spricht auch lauthals und begeistert den Vers mit: „Ich gehe in mein kleines Haus und hol mir Kraft und Sterne raus!“