Protest gegen „Henry-Kissinger-Professur“ an der Uni Bonn – Lehrstuhl hauptsächlich vom Verteidigungsministerium finanziert – Eine weitere Bankrotterklärung für das deutsche Geistesleben der Universitäten


von Ingo Hagel 

 

Die Seite Portal Amerika 21 schreibt:

Ende Mai hatte die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität bekannt gegeben, dass ab dem kommenden Jahr eine Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrecht nach dem ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater (1969-1973) und US-Außenminister (1973-1977) Henry Kissinger benannt werden soll. Dies haben, wie es in einer Pressemitteilung der Hochschule heißt, „Verteidigungsminister De Maizière und Außenminister Westerwelle (…) beschlossen“.

….

In Bonn hat sich ein Protestbündnis gegen eine geplante Professur zu Ehren des ehemaligen US-Sichertheitsberaters und Außenministers Henry Kissinger formiert. Die Aktivisten wollen die Benennung eines Lehrstuhls für Internationale Beziehungen und Völkerrecht nach dem US-Politiker verhindern, indem sie unter anderem über seine Mitverantwortung an den Militärdiktaturen der siebziger und achtziger Jahre in Lateinamerika aufklären.

Der Protest, der sich gegen eine Professur dieses Namens formiert, besteht zu Recht. Zu Henry Kissinger zitiere ich ein paar Zeilen aus dem Buch „Das Guttenberg Dossier“ von Friederike Beck:

Es ist schlechterdings unmöglich, sich einem Mann wie Kissinger gegenüber nicht zu positionieren, außer man leidet an fortgeschrittener retrograder Amnesie. Nimmt man höhere Weihen von Kissinger an, wie Guttenberg das tat, so hat man sich im Grunde völlig desavouiert. Es ist folglich erschütternd, wer in unserem Lande schon alles beim trauten Tête-à-Tête mit dem alten „Hohepriester“ des Transatlantizismus gesehen wurde, obwohl eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen und NGOs seit Jahrzehnten versuchen, diesem „Mr. Teflon“ beizukommen. Wenigstens konnte bewirkt werden, dass Kissinger vom Vorsitz der 9/11-Untersuchungskommission zurücktreten musste.

In „The Trial of Henry Kissinger“ trug der bekannte britisch-amerikanische inverstigative Journalist Christopher Hitchens aus freigegebenen Dokumenten Fakten zusammen. Sein Buch wurde 2001 als Serie im anerkannten Harper‘s Magazin veröffentlicht. Hitchens, ein bekennender Atheist und Befürworter der Irak-Invasion, ist also keineswegs ein Kritiker der US-Außenpolitik an sich. Er schreibt: 

 „Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass ein pummeliger Mann mit schwarzer Fliege, der 25.000 Dollar für eine Ansprache nach dem Dinner einstreicht, derselbe Mann ist, der die Vernichtung von Zivilbevölkerung, die Ermordung unbequemer Politiker und das Kidnappen und Verschwindenlassen von Soldaten, Journalisten und Klerikern anordnete, die ihm im Wege waren. Aber es ist so.“

Hitchens Anklage gegen Kissinger: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verstöße gegen internationales Recht, Vietnam, Bangladesch, die illegale Bombardierung von Kambodscha während 160 Tagen ohne Pause, persönliche Planung der Exekution von General Schneider (Chile, Allende) Beteiligung an einem Mordplan gegen Erzbischof Makarios auf Zypern, grünes Licht für Diktator Suharto für die Invasion Osttimors – die Liste ist endlos.

Der angesehene US-Journalist Seymor Hersh sagte über Kissinger: „Während die meisten von uns, wenn sie nicht schlafen können, Schäfchen zählen, muss dieser Kerl bis zum Ende seiner Tage verbrannte und verstümmelte kambodschanische und vietnamesische Babys zählen.“

…. Die Ehrenmedaillen und Preise, die Kissinger – auch in Deutschland – eingeheimst hat, sind Indikator für geistigen Verfall. ….

Siehe dazu auch hier:

Auf der Webseite der Yale Universität wird dokumentiert, dass die Bombardierung Kambodschas unter Johnson begann, unter Nixon eskaliert, mit Nixons Lakai Henry Kissinger, der Nixons Forderung nach Genozid an die unteren Chargen weiterreichte:

“Er will eine massive Bomben-Kampagne in Kambodscha. Er will nichts anderes hören. Es ist ein Befehl und der wird ausgeführt. Alles, was fliegt auf alles, was sich bewegt. Verstanden?” 

Bis heute läuft Kissinger auf den Straßen frei herum, wie man es von Kleinkriminellen sagt, die im Vergleich blütenweiß sind. Die USA haben also “2,756,941 Tonnen” Bomben über Kambodscha detonieren lassen, eine vielleicht in der Geschichte beispiellose Terror-Operation, und Yale bemerkt:

“Um 2,756,941 Tonnen Bomben in Perspektive zu setzen, so hat [die US-Seite] knapp über 2 Millionen Tonnen Bomben im gesamten 2. Weltkrieg abgeworfen. Kambodscha ist wahrscheinlich das am schwersten bombardierte Land in der Geschichte.”

Wenn der Rektor der Universität Bonn, Jürgen Fohrmann, allen Ernstes davon überzeugt ist,

dass die „Henry-Kissinger-Professur“ Forschung und Lehre auf den Gebieten der internationalen Beziehungen und der Völkerrechtsordnung beflügelt, den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik intensiviert und einen neuen Akzent auf dem Gebiet der internationalen Sicherheitspolitik setzt,

dann liegt hier ein Versagen des Geisteslebens vor, wie es eben in vielen Bereichen des universitären (und in Folge des gesellschaftlichen) Lebens zu beobachten ist. Eine Professur für internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung mit diesem Namen ist das Firmenzeichen der Unwissenheit oder der Lüge par excellence, das sich eine Lehranstalt vor ihre platte Stirn kleben kann.

Und überhaupt: Was mischt sich das deutsche Verteidigungsministerium (also die Politik, das Rechtsleben) in die geistigen Angelegenheiten (also das Geistesleben) der Menschen ein? Diese Dinge werden aber in der Zukunft noch viel krasser sich ausgestalten, und es ist daher höchste Zeit, die Freiheit, Unabhängigkeit und Souveränität des Geistes- und Kulturlebens von jeglicher Einflussnahme der Politik und des Wirtschaftslebens zu fordern.

 

Update 2. April 2014:

Protest gegen Kissinger-Professur: 100 Wissenschaftler wenden sich gegen den geplanten Lehrstuhl

Der Protest gegen die geplante Stiftungsprofessur zu Ehren des ehemaligen US-Außenministers und Friedensnobelpreisträgers Henry Kissinger an der Bonner Universität zieht immer weitere Kreise.

Anmerkung: Dass auf der Liste der mehr als 100 Wissenschaftler in einem offenen Brief gegen die geplante Professur der Uni Bonn nur ein Bonner Professor steht, zeugt von der Verdorbenheit und Unfreiheit dieser „geistigen Elite“ unseres Landes. Bloß nicht die eigene Karriere und Aufstiegschancen gefährden – Man will doch noch was werden in diesem System ….

 

 

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