Aus Nr. 185a der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Seite 160 (Hervorhebung IH):
Dieses moderne Wirtschaftsleben, von dem nimmt nun Karl Marx an, dass es die Tendenz hat, den Besitz an Produktionsmitteln immer mehr und mehr zu konzentrieren. Dieses Wirtschaftsleben bringt es von selbst mit sich, dass das Unternehmertum sich vereinigen muss vom einzelnen Unternehmer zur Gesellschaft, zum Trust und so weiter. Und dadurch kommt, indem sich die Unternehmer vereinigen, Summe von Produktionsmitteln zu Summe. Dadurch aber wird der Weg vorbereitet, die Produktionsmittel überhaupt zu sozialisieren. Die Unternehmer arbeiten schon vor, und wenn ein bestimmter Punkt gekommen ist, dann müssen die Produktionsmittel so weit konzentriert sein, dass es dann nur einer Umlagerung bedarf. Dann verstaatlicht man, sozialisiert man Produktionsmittel, die ja ohnedies schon zusammengestrebt haben in Gesellschaften und Trusts und lagert die Sache nur um, indem derjenige, der bisher der Arbeiter war, eben als Gesamtgesellschaft sich in den Besitz der Produktionsmittel setzt, indem er durch einen notwendigen Prozess jetzt das hat. Was jetzt so dargestellt wird, das muss geschehen. Die Unternehmer arbeiten der Sozialisierung vor; indem sie immer mehr und mehr die Sozialisierung selber besorgen, bringen sie sie an einen Punkt, wo das Proletariat sie übernehmen kann. Hegel ging in Gedanken von These zu Antithese und zu Synthese. Karl Marx setzt das in die Wirklichkeit des ökonomischen Prozesses um: Unternehmerordnung, sie schlägt in ihr Gegenteil um; der Proletarier bemächtigt sich ganz von selbst der Produktionsmittel. Der wirtschaftliche Prozess macht sich selber. Man ist bloß der Geburtshelfer dessen, was von selbst geschieht, glaubt nicht, dass dieser ideologische Oberbau von Denken, Fühlen und Wollen etwas Besonderes ausmachen kann. Der ökonomische Prozess, so sagt Karl Marx, der macht alles; was ihr denkt, das sind bloß die Schaum wellen oben aus dem ökonomischen Prozess. Je nachdem die wirtschaftliche Ordnung ist, erzeugt das in diesen oder jenen Menschenköpfen diese oder jene Gedanken. Das sind die Schaumwellen da oben. Das Wichtigste ist der ökonomische Prozess, der aber führt ganz notwendig von der Thesis zur Antithesis. Dasjenige, was das Proletariat erarbeitet hat, wurde von den Unternehmern den eigentlichen Eigentümern, den Proletariern, weggenommen. Die Unternehmer wurden die Expropriateure. Aber dieser Prozess, den Proprietär zu expropriieren, der schlägt notwendig in der ökonomischen Entwickelung in sein Gegenteil um. Es entsteht, wie in der Natur Ursache und Wirkung folgt, die Expropriation der Expropriateure.
Man brauchte gar kein Vertrauen zu den seelischen Kräften. Man konnte gerade mit dem schlimmsten Erbe der bürgerlichen Bildung der neueren Zeit, mit dem Misstrauen in die seelischen Kräfte des Menschen arbeiten bei dieser proletarischen Theorie. Der Proletarier sah sich hilflos ausgeliefert dem Unternehmertum. Er hatte Verständnis für eine Theorie, welche gar nicht den Anspruch darauf macht, dass er sich selber helfen soll, weil die Expropriation der Expropriateure schon von selbst dasjenige herbeiführt, was die Sozialisierung der Produktionsmittel ergeben muss. Die moderne Produktionsweise schlägt notwendigerweise in ihr Gegenteil um.
Dass sich die Sachen von selbst machen, das war das so ungeheuer Einleuchtende für die proletarische Welt. Und will man sich Verständnis erwerben gerade für die Psychologie dieses proletarischen Empfindens, so muss man schon darauf Rücksicht nehmen, dass eben dieses absolute Misstrauen in die Seelenkräfte ein bedeutendes Triebrad war in dem Siegeszug, den das marxistische Denken durch die Welt machte. Marxismus ist eben durchaus nicht ein Dogma, sondern Marxismus ist eine Methode, die Welt – und zwar für den Proletarier die einzige ihm zugängliche Welt –, die Welt der wirtschaftlichen Ordnung, der wirtschaftlichen Entwickelung zu beobachten. Ich möchte sagen – ich glaube, das trifft wirklich die Sache –, der Proletarier vertraut nicht auf irgendeine Gedankenkraft, obwohl Karl Marx sagt: Die Philosophen haben immer nur die Welt interpretiert durch Gedanken; man muss durch Gedanken in der Welt schaffen –, aber eigentlich vertraut er nicht auf Gedanken und ihre Kraft, auf das Wirksame von Gedanken für irgendwelche Einrichtungen, sondern er vertraut nur auf den Selbststeuerungsprozess der wirtschaftlichen Ordnung. Das war im wesentlichen auch dasjenige, auf das man stieß, wenn man sich bekannt machte mit dem wirklichen Leben im modernen Proletariat. Man möchte sagen: Man stieß auf die schier apokalyptische Hoffnung, dass die Expropriation der Expropriateure, die notwendige Sozialisierung der Produktionsmittel, mit einer großen Krise kommen muss.
Das Bürgertum machte sich darüber lustig, so dass es wieder und wiederum wiederholte, das moderne Proletariat warte auf den großen Kladderadatsch. Unter diesem großen Kladderadatsch wurde eben vorgestellt, dass, ich möchte sagen, das Gefäß, welches das Unternehmertum begründete, selbst zerspringt, dass durch Selbstregulierung das Unternehmertum übergeht in die gemeinschaftliche Verwaltung der Produktionsmittel durch das Proletariat. Das war gewissermaßen die apokalyptische Hoffnung. In dieser Hoffnung arbeitete mit festem Glauben eben dieses moderne Proletariat. Man war felsenfest davon überzeugt, dass es gar nicht anders kommen könne, als dass diese Sozialisierung einzutreten hatte.
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