Die Ideen der „Philosophie der Freiheit“ sind nichts anderes als der Blick auf den Grund der Seele

 

von Ingo Hagel 

 

In einem der letzten Artikel schrieb ich:

Viele Menschen haben Sehnsucht nach etwas Außerirdischem, das heißt Kosmischem, ahnen aber nicht, dass dieses in angemessener Weise auch kosmisch, das heißt rein geistig aufzufassen ist, sondern sie sind nur in der Lage, diese Dinge materialistisch aufzufassen. Damit ist natürlich der Weg gut präpariert, den Menschen durch Ufos und Aliens den Kosmos so zu präsentieren, wie sie ihn aufzufassen vermögen – den wahren Kosmos dadurch aber zu versperren.

 

In ganz anderer Weise versucht Rudolf Steiner, die Menschen durch sein Buch die „Philosophie der Freiheit“

ganz langsam, vorsichtig und sachte, immer aus dem Erleben heraus und nie den Boden unter den Füßen verlierend, an ihr eigenes Wesen, das heißt an den kosmischen Teil ihres Wesens heranzuführen:

Ich versuche auf breiterer Basis das Leben in der Freiheit zu schildern, indem ich zeige, was der Mensch erblickt, wenn er auf den Grund seiner Seele sieht.

Die ganze „Philosophie der Freiheit“ ist also eine Schilderung eines „Lebens in der Freiheit“.

 

Viele werden überrascht sein, dass dieses „Leben in der Freiheit“ so gar nichts mit dem zu tun hat, 

was zu diesem Thema wohl in den diversen Talkshows oder Befragungen von Passanten in irgendwelchen Fußgängerzonen in Bad Deutschburg ausgeführt werden dürfte –

wie zum Beispiel endlich einmal die Erfüllung des Wunsches nach einem ausgedehnten Surfurlaub in den Monsterwellen der Küsten Portugals – oder der Erwerb eines Flugscheins, weil doch bekanntlich seit Reinhard Mey über den Wolken die Freiheit grenzenlos sein soll, und so weiter und so fort –

Wir dürfen an diesem Leben und an der Schilderung dessen,

was der Mensch erblickt, wenn er auf den Grund seiner Seele sieht,

als Lesende und Studierende dieses Buches teilnehmen. Wir dürfen uns – ganz langsam und organisch – an eine ganz andere Art der Wesenserkenntnis und an eine ganz andere Art des Denkens –

zum Beispiel bei der Beantwortung der Frage, „Was bin ich als Mensch“

gewöhnen.

 

Bei dem, was Rudolf Steiner in seiner „Philosophie der Freiheit“ als „Leben in der Freiheit“ schildert, 

handelt es sich um nichts Anderes als um das, was die allermeisten Menschen wohl kaum als ein Leben, eher doch als ein Sterben in nichtssagenden Abstraktheiten bezeichnen und damit weit von sich weisen würden. Es ist aber nichts anderes als was der Blick auf den Grund der Seele des Menschen offenbart. Auf der Oberfläche dieses Seelenlebens mag sich was auch immer abspielen –

von US-Piloten neckenden Aliens bis Mutter Beimer,  die nach 35 Serienjahren den Stecker ihrer Persönlichkeit gezogen bekommt, von der Sorge wegen des drohenden Klimakollapses bis zur Hoffnung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen, nachdem irgendwelche grünen Fantasten und ihre Wähler hier die deutsche Industrie ruiniert haben.

Bei dem,

was der Mensch erblickt, wenn er auf den Grund seiner Seele sieht,

erblickt er, wenn er sich von dem sonstigen Widersinnszauber des Daseins befreit und durch ein geduldiges Studium an ein Leben in reinen, sinnlichkeitsfreien Gedanken heranerzogen hat, eben die Ideen, die in der „Philosophie der Freiheit“ dargestellt sind. Sie sind das, was sich als das Wesen des Menschen zu offenbaren beginnt.

 

Wie enttäuschend. Und wie langweilig. Nur Ideen. Abstrakte Ideen.“  

So werden Viele sagen. Hatten sie doch vielleicht erwartet, dass dort auf dem Grund der Seele ein goldenes Engelein sitzt, sich die blonden Haare kämmt und das Lied vom König von Thule singt. Oder wenigstens vielleicht eine weise alte Frau, die, über einem dampfenden Kessel mit Kamillentee brütend, einem nun endlich sagt, wie es mit dem momentanen Lebensabschnittspartner denn weitergehen soll. Nun sollen es auf dem Grund der Seele also nur die Ideen dieser „Philosophie der Freiheit“ sein. Und gleich auch ein ganzes Buch voll. Also rund 270 Seiten lang. Das soll das sein,

was der Mensch erblickt, wenn er auf den Grund seiner Seele sieht?

Das ist für die Meisten nicht so wirklich attraktiv. Aber Rudolf Steiner hielt die

in der „Philosophie der Freiheit“ entwickelten Vorstellungen …, die ja viele Menschen „Abstraktionen“ nennen, 

überhaupt nicht für abstrakt:

ich nenne sie die konkretesten, lebendigsten Vorstellungen, weil die „Philosophie der Freiheit“ ja lauter lebendige Begriffe entwickelt.

 

Man wird sich also an ein solches Leben in diesen „konkretesten, lebendigsten Vorstellungen“ der „Philosophie der Freiheit“ 

gewöhnen müssen dadurch, dass man –

ganz langsam, immer mehr und besser, machtvoll, aber niemals gewaltsam –

innerlich immer lebendiger wird in seinem Begriffsleben. Und an diesen lebendigen Begriffen der „Philosophie der Freiheit“ kann eben dieses eigene, innere, lebendige, geistige Leben entwickelt werden. Sie ist der Knüppelpfad, der Denjenigen, der vorbereitet –

und erst einmal ganz bescheiden an dieser „Philosophie der Freiheit“ übend und an dieser seine schwachen geistigen Kräfte kräftigend und verstärkend –

in diese geistige Welt eintreten will, trägt und hält. Denn solange man noch nicht weiß, wie man sich denn nun in dieser geistigen Welt verhalten soll –

wenn diese einen ungenügend vorbereitet überfallen und mit sich fortspülen sollte – denn man kann sehr wohl in diesem geistigen Sumpf einer geistigen Welt versinken, sollte man geistig, das heißt denkerisch unvorbereitet in diese eingetreten sein –

und was man denn von dieser geistigen Welt denken und im Bewusstsein haben soll, kann man sich einfach an diese Gedanken der „Philosophie der Freiheit“ halten. Indem man diese denkt, kommt man nicht nur sich selber näher, seinem eigentlichen wahren Wesen, seinem eigentlichen Ich –

das ja nicht in den sinnlichen Vorstellungsinhalten besteht, die man von der äußeren Sinneswelt den ganzen lieben langen Tag lang in seiner Seele herumträgt und dabei der Illusion unterliegt: „Das bin ich“ –

sondern man ist auf dem besten – weil sichersten und solidesten – Wege in die geistige Welt. –

Rudolf Steiner in der „Philosophie der Freiheit“ zur Beobachtung des Denkens, auf die ja diese Freiheit gebaut ist: 

Ja, man kann sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in der sie sich dem Menschen zunächst darbietet, erfassen will, kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken. –

Selbst dann, wenn man sich nach dem Studium der „Philosophie der Freiheit“ entscheidet, noch nicht in die reale geistige Welt einzutreten.

 

Viele Menschen erwarten heute die Lösung der großen sozialen, geistigen Probleme der Zeit und ihres Lebens.

Aber Sie können sich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass diese, und auch das Rätsel ihres eigenen Lebens, das Rätsel ihrer eigenen Individualität, das heißt dessen, was man selber darstellt seinem Ich, nicht auf dem Wege der sinnlichen Wahrnehmung errungen wird, und auch nicht auf dem Wege gewöhnlicher Gedanken. Und schon gar nicht auf dem Wege irgendwelcher mystischer, hypnotischer Eingebungen, die traumhaft in den Menschen einfließen sollen, sobald dieser seine denkende Individualität –

nach dem Muster: The mind is not the way –

weggeworfen hat.

 

Es ist ungemein erhellend zu lesen, was Rudolf Steiner in dem Nachtrag zu seinem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten?“

zu dem rein gedanklichen Niveau dessen ausführt, was eben als geistige Welt- und Wesenserkenntnis des Menschen und der Welt in den Blick kommen soll:

Es gibt Menschen, die an das Vorhandensein solcher Gedanken überhaupt nicht glauben. Diese meinen: der Mensch könne nichts denken, was er nicht aus der Wahrnehmung oder dem leiblich bedingten Innenleben herauszieht. Und alle Gedanken seien nur gewissermaßen Schattenbilder von Wahrnehmungen oder von inneren Erlebnissen. Wer dieses behauptet, der tut es nur, weil er sich niemals zu der Fähigkeit gebracht hat, mit seiner Seele das reine, in sich beruhende Gedankenleben zu erleben. 

Man kann aus dem Umfange des Seelenlebens etwas herauslösen, das nur in reinen Gedanken besteht. In Gedanken, die in sich bestehen, aus denen alles ausgeschaltet ist, was Wahrnehmung oder leiblich bedingtes Innenleben geben. 

Für die hier gemeinte übersinnliche Seelenbetätigung ist es außerordentlich bedeutsam, in voller Klarheit das Erleben des reinen Denkens zu durchschauen. Denn im Grunde ist dieses Erleben selbst schon eine übersinnliche Seelenbetätigung. Nur eine solche, durch die man noch nichts Übersinnliches schaut. Man lebt mit dem reinen Denken im Übersinnlichen; aber man erlebt nur dieses auf eine übersinnliche Art; man erlebt noch nichts anderes Übersinnliches. 

Und die „Philosophie der Freiheit“ ist nichts anderes als eine Vorschule dieser auf einem reinen Denken beruhenden Wesenserkenntnis. Sagte Rudolf Steiner doch in seiner „Theosophie“, dass diese nichts anderes darstellt als das, was er in der „Philosophie der Freiheit“ intendierte, nur eben für ein Suchen „auf einem anderen Wege(GA 9, Seite 3):

Wer noch auf einem anderen Wege die hier dargestellten Wahrheiten suchen will, der findet einen solchen in meiner „Philosophie der Freiheit“. In verschiedener Art streben diese beiden Bücher nach dem gleichen Ziele. Zum Verständnis des einen ist das andere durchaus nicht notwendig, wenn auch für manchen gewiss förderlich. 

Darüber kann man angesichts der „abstrakten“ Gedanken der „Philosophie der Freiheit“ lange nachdenken.

Siehe dazu auch hier auf Umkreis-Online die Suchhilfe zu den Stichworten und Kapiteln zur „Philosophie der Freiheit“ –

 

 

 

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