Parlamentarismusbankrott: Hans Olaf Henkel, ehemaliger Präsident des BDI, fordert daher „außerparlamentarische Opposition“

 von Ingo Hagel 

Am 29. Juni stimmte der Bundestag – wie zu erwarten war – mit einer weit über die Maßen erfüllten Zwei-Drittel-Mehrheit für den ESM und den Fiskalpakt. Ich habe oft hier auf Umkreis-Online die Phänomene dieses hoffnungslos bankrotten Parlamentarismus beschrieben. Das letzte Abstimmungsergebnis ist ein weiterer Beleg für den Ruin unseres parlamentarischen Systems, ja für unseren Rechtsstaat überhaupt – natürlich nicht de jure, sondern de gesundem Menschenverstand.

Aus diesem Grund halte ich auch den Widerstand gegen die Machenschaften dieses Parlamentes in Form von Petitionen an den Bundestag und seine Parlamentarier für sinnlos:

Nur Zeitverschwendung? – Internet-Initiative abgeordneten-check.de feiert mit einer Million Petitionen gegen den ESM einen neuen Rekord

Dies hat sich nun mit der überaus breiten Zustimmung zum ESM und Fiskalpakt am 29. Juni bestätigt:

Mit klarer Mehrheit votierten die Abgeordneten am Abend für das Instrument zur Eindämmung der Finanzkrise. Von 608 abgegebenen Stimmen entfielen 491 mit Ja, 111 mit Nein, enthalten haben sich 6 Mitglieder. 414 Ja-Stimmen wären notwendig gewesen.

Am 28. Juni schrieb ich hier auf Umkreis-Online mit Blick auf die – ebenfalls sinnlosen – Versuche, über Demonstrationen das Volk zum Widerstand gegen den ESM zu bewegen:

„Erwartet man wirklich, dass „unsere“ Volksvertreter nach dieser Willensbekundung des Volkes – also des Souveräns – auf einigen Demos dieser gehorchen und sie umsetzen würden? Das ist doch heute mehr denn je eine Illusion, denn diese Politikerkaste, dieses politische System selber muss ersetzt werden, da es hoffnungslos mit der (vor allem Finanz-) Wirtschaft und Kräften, die den Untergang der freien Völker wollen, verfilzt ist. Nur mit einer Demo oder einem Volksentscheid gegen den ESM ist es also nicht getan. Alle diese Fragen werden nicht als Volksbewegung beziehungsweise vom kleinen oder größeren Mann auf der Straße entschieden werden – außer es gibt eine Revolution (s. dazu Sozialer Neuanfang statt Revolutionen und Bürgerkriege), von der ich hoffe, dass sie abzuwenden ist, da dies fürchterlich werden wird.“

Erfreulicherweise denken einige Gruppen in genau derselben Richtung: So veröffentlichte die BÜSO am 30. Juni ein Statement des amerikanischen Staatsmanns und Ökonoms Lyndon LaRouche an die europäischen Regierungen, in dem dieser von der Aussichtslosigkeit von ESM und Fiskalpakt sprach, da die Schulden, die mit diesen Maßnahmen beglichen werden sollen, unbezahlbar sind. Regierungen, die dies dennoch anstreben, sind entweder der Lüge oder dem Wahnsinn verfallen. Sie müssten daher „unverzüglich von den Schalthebeln der Macht entfernt werden“ (Hervorhebungen IH):

Jede der wichtigsten Regierungen und führenden Finanzinstitutionen der transatlantischen Welt, vor allem der USA, Großbritanniens und Frankreichs bekunden das unmittelbare Bedürfnis, die unbezahlbaren Schulden von Nationen und führender, hoffnungslos bankrotter privater Banken sowie die damit verbundenen nationalen Finanzsysteme zu retten. Gleichzeitig jedoch weigern sie sich, das einzige Mittel zuzulassen, mit dem die praktisch unmittelbar bevorstehende Desintegration dieser Nationen aufzuhalten ist – was ohne eine amerikanische Initiative zur sofortigen Rettung der wichtigen weltweiten Finanzsysteme durch Glass-Steagall nicht möglich sein wird.  ….  Mit Bestimmtheit kann man über dieses Verhalten nur sagen, dass die betreffenden Institutionen entweder dem kollektivem Wahnsinn verfallen sind oder dass hinter dem massenmörderischen Aberwitz der neuerlichen Finanzrettungspläne eine monströse Lüge steckt.  ….  Andernfalls sind die verantwortlichen Parteien einfach klinisch verrückt. Wenn das so ist, müssen sie aus diesem Grund unverzüglich von den Schalthebeln der Macht entfernt werden.

Auch Dirk Müller spricht (bei 0:25) von „ESM-Wahnsinn“:

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Hartmut Beyerl von der Seite Hinter der Fichte nannte die Abstimmung vom 29. Juni eine Selbstentmachtung des Bundestages, einen „Putsch gegen die Demokratie“ sowie einen Selbstmord des Bundestages:

Eine gespenstische Szene. Merkel erklärt den Lemmingen wie schön es ist, von der Klippe zu springen. Und sie springen. Gewählte Volksvertreter von Schwarz bis Grüne begehen politischen Massenselbstmord und verraten ihre Wähler. Kein Science Fiction Movie über den Weltuntergang: Ein Parlament putscht gegen sich selber. 494 der 600 Abgeordneten des deutschen Bundestages, das sind 83%, stimmten am 29. Juni, einem wahrlich schwarzen Freitag der eigenen Entmachtung per „ESM-Gesetz“ (ESM-Finanzierungsgesetz – ESMFinG) zu. Sie missachteten das Grundgesetz und gaben wissentlich, also vorsätzlich, die Macht des Parlamentes wieder einmal an die Eurokraten ab. Hier sind die Namen der Täter

Ganz offensichtlich befindet sich Deutschland in einer schweren Krise (nicht nur) seines Parlamentarismus, indem dieser dabei ist, die im Grundgesetz gegebene „verfassungsmäßige Ordnung“ zu beseitigen. Nun scheint das Grundgesetz jedem Bürger ein Recht zum Widerstand gegen die Zerstörung dieser Ordnung zu geben, denn es lautet im Artikel 20 Absatz 4:

„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Andreas Popp schreibt dazu allerdings:

„Die Einschränkung „… wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“ macht die Sache schon nahezu aussichtslos, denn ab wann ist dies gegeben? In der Frage von ESM und Fiskalpakt gäbe es kein Widerstandsrecht, solange das Bundesverfassungsgericht theoretisch noch für andere Abhilfe sorgen könnte. Erst wenn alle anderen Möglichkeiten der Abhilfe tatsächlich gescheitert sind, könnte man evtl. zum aktiven Widerstand übergehen.“

In der Tat haben ja etliche Menschen – mit unterschiedlichen Zielrichtungen – Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die Entscheidung des Parlamentes zum ESM und dem Fiskalpakt eingelegt. Das heißt, vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu dieser Frage ist kein Widerstandsrecht des Bürgers gegen Regierung und Parlament gegeben.

Was von der Einstellung des Bundesverfassungsgerichtes zum Treiben der Regierung und des Parlamentes zu halten ist, sagte ja neulich der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier mit Blick auf Forderungen eines Volksentscheides (Hervorhebung IH):

Unser Grundgesetz schließt es aus, dass Deutschland durch permanente Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union die eigene staatliche Souveränität verliert und Teil eines europäischen Bundesstaates wird. Daran könnte selbst ein Volksentscheid, der auch erst nach einer Änderung des Grundgesetzes möglich wäre, nichts ändern. Über einen Volksentscheid können nicht mehr Befugnisse in Anspruch genommen werden als im Rahmen der parlamentarischen Gesetzgebung. Ich meine im Übrigen nicht, dass diese äußersten Grenzen gegenwärtig schon überschritten werden.

Herr Papier ist also der höchstrichterlichen Meinung, dass bis jetzt alles in Ordnung ist, was der Bundestag diesbezüglich beschließt. Diese Interpretationen des Bundesverfassungsgerichtes teilen Viele nicht. Nochmal Andreas Popp dazu:

Glasklar sind wir also schon lange in der Widerstandssituation gemäß Artikel 20 Absatz 4, jedoch was nützt sie in der Praxis? Wir drehten uns mit unserer Idee des Widerstands also einmal im Kreis und landeten wieder da, wo wir schon vorher waren, bei der Analyse, die Rico Albrecht in seinem Werk „Steuerboykott“ so treffend formulierte, wonach Widerstand in einem Rechtsstaat zwar möglich aber nicht erforderlich ist, während er in einem Unrechtsstaat erforderlich aber nicht möglich ist. 

Popp erwähnt mit Blick auf das vom Grundgesetz beschriebene Recht zum Widerstand:

Es gibt nämlich bislang keinen einzigen Fall, in dem jemand, der sich auf Artikel 20 Absatz 4 berufen hat, ungestraft davongekommen ist.

Wir befinden uns also in einer misslichen Situation. Auf der einen Seite wird Deutschland von entweder lügenden, wahnsinnigen oder schlichtweg dummen Parlamentariern an die internationalen Finanzkleptokraten verhökert. Auf der anderen Seite ist ein Recht zum Widerstand nicht gegeben und wird – Dank unserem Grundgesetz – wohl nie gegeben sein. Denn wenn einmal das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung – und die wird vermutlich für den ESM ausfallen – gegeben haben wird, wird ja alles vollends amtlich rechtens und von den obersten Richtern der Republik und des Grundgesetzes bestätigt sein.

Mit der unseligen Entscheidung unserer mehrheitlich unfähigen Parlamentarier werden wir nun immer weiter die Etablierung einer EU-Diktatur bekommen mit ihren zentralistischen Diktaten, das heißt also – wie gesagt: vermutlich und leider nicht de jure, aber de facto, gemäß gesundem Menschenverstand – einen Staat, den Viele als Unrechts-Staat ansehen.

Was also kann in dieser aussichtslos erscheinenden Situation vielleicht doch noch getan werden? Wir sind an einer Zäsur angelangt, in der die Trennung von Parlamentarismus und dem Souverän, dem Volk, nun vollends offensichtlich wird. Auch und besonders das gute alte Grundgesetz unseres Einheitsstaates, auf das sich viele selbst der ESM-Gegner als gute Demokraten gerne berufen, scheint an sein Ende angekommen zu sein, indem es nicht verhindern konnte, was nun gekommen. Denn es hatte die Schwäche, dass es ausgehebelt werden konnte, indem man an die richtigen (Schwach-)Stellen die „richtigen“ Gefolgsleute setzte. Wie kann es nun weitergehen in einer Situation, in der man mit Blick selbst auf die rechtlichen Voraussetzungen zur Passivität und Duldung nicht hinnehmbarer Verhältnisse verurteilt zu sein scheint?

Nun machte der ehemalige BDI-Chef Hans Olaf Henkel zur Verabschiedung des ESM im Bundestag folgende bemerkenswerte Einlassung:

„Es ist eine Schande, dass sich der Bundestag für ein solch finanzielles Ermächtigungsgesetz entschieden hat.“

Auch Henkel ist zumindest von der Inkompetenz des Bundestages überzeugt, und er sagte: Jetzt „hilft nur noch die außerparlamentarische Opposition“:

„Es ist auch eine Blamage für die Abgeordneten, denn den wenigsten von ihnen war wirklich klar, für was sie sich da entschieden haben. Jetzt ruht die Hoffnung auf dem Bundesverfassungsgericht. Aber darauf sollten wir uns nicht verlassen, denn wenn der Bundestag in so eklatanter Weise gegen den dokumentierten Volkswillen entscheidet, hilft nur noch die außerparlamentarische Opposition; solange bis solche Parteien im Bundestag einziehen, die sich für eine alternative Europolitik und ein föderales Europa und damit für die Mehrheit des Volkswillens einsetzen.“

Ich bin mit Henkel der Meinung, dass wir eine außerparlamentarische Opposition brauchen – und zwar unabhängig von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Allerdings nicht mit dem Ziel, neuen Wein (neue Parteien) in alte Schläuche (dieses hoffnungslos bankrotten Parlamentarismus) zu füllen, sondern da muss etwas Neues – und zwar offensichtlich erst einmal daneben,  das heißt außerparlamentarisch – aufgebaut werden. Denn jeder Versuch, diese Parlamentarismus-Ruine über eine Gründung einer neuen Partei zu reanimieren, muss scheitern, da dieses alte Parteiensystem seine Verbindung zum Bürger – und zur Zukunft – längst verloren hat und auch aus diesem Grund ausgedient hat und ersetzt werden muss. Es ist doch aussichtslos, die sehr individuellen, differenzierten und konkreten Bedürfnisse der vielen Menschen durch ein paar wenige Parteien mit ihren allgemeinen Parteiprogrammen – und ihrer Hinterzimmerdemokratie – befriedigen zu wollen. In Zukunft darf es keine Parteien mehr geben. Denkbar sind dagegen viele Arbeitsgruppen für die vielen verschiedenen konkreten Probleme einer Gesellschaft, und mit einer entsprechenden Verbindung und Durchlässigkeit zu dieser Gesellschaft und ihren Menschen – und nicht gegen diese.

Henkels Forderung nach einer „außerparlamentarischen Opposition“ hat dennoch viel für sich. Allerdings gibt es diese – als Kraft, nicht als Organisation – längst: Zum Beispiel in den vielen unabhängigen Medien und Blogs des Internets. Dazu gibt es die nicht wenigen Stimmen einer außerparlamentarischen Opposition, die ihren Arbeitsschwerpunkt weder direkt im kulturellen oder geistigen Leben noch der Politik (Parlamentarismus) haben sondern im Wirtschaftsleben – Henkel ist selber ein Teil davon. Auch diese kämpfen gegen das absurde Treiben eines maroden Parlamentarismus. Wir haben es also nicht mit einer, sondern drei außerparlamentarischen Oppositionen zu tun.

Diese außerparlamentarischen Oppositionen sind also längst da. Ich verstehe Henkels Forderung also dahingehend, in dieser verfahrenen Situation alle diese verschiedenen Gruppierungen und Einzelinitiativen, die bereits am arbeiten sind, und die ihr Widerstand gegen den ESM und die auch kulturelle Zerstörung eines Landes durch die Geldelite eint, zusammenzuholen. Diese sollen ihre Eigenständigkeit nicht aufgeben, sondern zusammenkommen, um das Beste ihrer Ideen einfließen zu lassen in etwas zu gründendes Neues – da das Alte zerfällt – um die Frage zu lösen:

Wie kann man in einer akuten Zusammenbruchskrise das Land retten?

Ich sehe jedoch nicht eine sondern drei außerparlamentarische Oppositionen, drei neue Organisationen: eine des Geistesleben, eine des Rechtslebens (Politik), eine des Wirtschaftsleben.

In der Tat könnten diese drei außerparlamentarischen Oppositionen ein Zeichen eines Aufbruchs in dieser Zeit des Zusammenbruchs bedeuten. Sie könnten ein Anziehungspunkt für viele Menschen sein, die in dieser hoffnungslos erscheinenden Situation bereits verzweifeln möchten. Auch könnte diese außerparlamentarischen Oppositionen eine bedeutsame und notwendige Medienpräsenz entwickeln, die die vielen zersplitterten Einzel-Initiativen nicht haben. Auf diesem Wege könnte sich ein Aufbau eines neuen gesellschaftlichen Lebens vollziehen, dessen Niedergang mit der Abstimmung vom 29. Juni parlamentarisch abgesegnet wurde.