von Ingo Hagel
Die Freie Welt meldete:
Die Internet-Initiative abgeordneten-check.de feiert einen neuen Rekord. In der Kampagne „Stoppt EU-Schulden- und Inflationsunion (ESM-Vertrag)!“ kamen bisher mehr als 1 Million Petitionen zusammen – und das innerhalb nur eines Jahres.
In der Tat wurden bis jetzt von Bürgern über eine Million Mal folgende Petition gegen den ESM von der Seite Abgeordneten Check an die verschiedenen Politiker des Bundestages verschickt:
Am 29. Juni sollen Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages über den ESM, den dauerhaften und unbeschränkten Euro-„Rettungsschirm“ abstimmen. Aus guten Gründen ist – nach allen verfügbaren Meinungsumfragen – die absolute Mehrheit der Bevölkerung gegen den ESM:
Der ESM ist antidemokratisch. Das Königsrecht des Parlamentes, das Haushaltsrecht, wird im Kern auf ein nicht wählbares und nie mehr abwählbares Gremium, den ESM-Gouverneursrat übertragen, der unbegrenzte Mittel aus dem deutschen Haushalt abrufen kann. Das angebliche „Vetorecht“ eines einzelnen Ministers ändert hieran nichts. Der ESM kann – wie eine Bank – unmittelbar Kredite bei der EZB aufnehmen und also zur „Krisenbekämpfung“ unbeschränkt Geld bei der EZB drucken lassen. Er ist jeder Gesetzgebung, jeder demokratischen Kontrolle, jeder Rechtsprechung entzogen. Der ESM und alle seine Mitarbeiter sind immun gegen jede Art der Rechtsverfolgung.
Der ESM ist in jeder Hinsicht abzulehnen. Er löst kein einziges Problem der Krisenländer. Er überfordert die Zahlernationen. Er setzt die falschen Anreize. Dem kann ein verantwortungsbewusster Demokrat nicht zustimmen.
Die vorgebrachten Argumente sind zutreffend. Aber die Frage ist, ob diese Aktion wirklich etwas in unserem maroden Parlamentarismus bewegen oder verändern konnte. Schaut man sich an, wieviele Abgeordnete für oder gegen diese Petition sind, stößt man auf folgendes Ergebnis (Stand 25. Juni 2012):
Wer das politische Geschehen verfolgt, weiß, dass die Partei Die Linke seit geraumer Zeit gegen den ESM und die diversen Rettungspakete votiert.
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So bezeichnete Sarah Wagenknecht den ESM und den Fiskalpakt als Staatsstreich und kalten Putsch gegen das Grundgesetz. Zudem wollen die Linksfraktion und eine Bürgerinitiative die Ratifizierung des EU-Fiskalpakts mit Eilanträgen vor dem Bundesverfassungsgericht stoppen.
Schaut man sich dann auf der Seite von Abgeordneten Check an, wieviele der 90 Befürworter obiger Petition denn von den Linken sind, dann findet man, dass in der Tat 72 der 90 Befürworter obiger Petition von eben dieser Partei sind. Nur politisch Unbedarfte würden dies als Erfolg von Abgeordneten Check und besagter Petitionen werten.
Dazu kommen dann noch Abgeordnete wie zum Beispiel Frank Schäffler (FDP), Wolfgang Bosbach (CDU), Klaus-Peter Willsch (CDU) und Peter Gauweiler (CSU), die aus ihrer kritischen Haltung zu den Rettungspaketen und der EU-Politik der Regierung nie ein Hehl machten und nicht durch die Petition von Abgeordneten Check ans Nachdenken gekommen sind. Was bleibt danach noch als Erfolg dieser über 1 Million Petitionen (genau 1.021.840; Stand 25. Juni 2012, 12:00 h) an die Abgeordneten zu verbuchen?
Zudem liegt das Problem solcher Petitionskampagnen in Folgendem: Der Bürger darf ruhig eine Million und mehr Petitionen an die Abgeordneten des Bundestages senden, denn diese Meinungs- oder Willensäußerung verpflichtet den Parlamentarier zu nichts. Er darf weiter als Ahnungsloser seine Stimme abgeben und damit über wichtigste Angelegenheiten entscheiden:
War diese Aktion von Abgeordneten Check also nichts als Zeitverschwendung? Mit Blick auf den realen Effekt im Bundestag (Befürworter der Petition) kann man das sicher sagen. Trotzdem ist in diesen Bestrebungen und Aktionen ja eine bedeutsame Signatur der Zeit zu sehen. Diese zeigt mal wieder den nicht geringen Wunsch der Menschen, sich an politischen Fragen und Entscheidungen der Politik zu beteiligen. Gefordert wird offenbar eine neue Form eines parlamentarischen Prozesses, bei dem der interessierte Bürger sich beteiligen kann, und bei dem diese Beteiligung tatsächlich einen Effekt und eine Wirkung hat. Wenn mittlerweile der Landkreis Friesland als erste Kommune das bei der Piratenpartei übliche Verfahren des Liquid Feedback zur Online-Bürgerbeteiligung einsetzen will, dann ist das ein weiteres Indiz für diese Entwicklung. Man wird sich in Zukunft verstärkt darüber verständigen müssen, über welche Fragen in welcher Weise und von wem in einer Gesellschaft wird debattiert und schließlich abgestimmt werden können und müssen.