von Stella Hagel
Dies ist die Geschichte meiner großen Blamage, welche ich erlitt, als ich mich bereit erklärte, die Kinder einer Kindergartengruppe draußen im Sandkasten zu hüten. Ich wollte der Kindergärtnerin ermöglichen, in Ruhe etwas zu erledigen. Und als sie nach noch nicht einmal zehn Minuten zurückkam, weinten vier Kinder bitterlich. Und das kam so.
Mit dem zierlichen, vierjährigen Florian habe ich vor dem Rausgehen eine Debatte, weil ich seine Jacke nicht warm genug finde. Er, der sich wie ein großer Löwe fühlt, faucht mich verächtlich an: „Ach Du, das ist doch eine Fliesjacke!“ Da gebe ich klein bei und nehme Kurs auf den Sandkasten, wo der große Löwe schnell in sein Spiel versunken ist.
Ich schaue ihm amüsiert aber dennoch liebevoll zu, wie sich herausstellt eine Sekunde zu lange: Der fünfjährige Theodor, ebenfalls im Sandkasten, fängt bitterlich an zu weinen. Ich will ihn trösten und bekomme heraus, dass er von Manuel mit einer Schippe gehauen worden war. Nun sorge ich dafür, dass Manuel, vier Jahre, sich entschuldigt, aber Theodor ist so gekränkt, dass er untröstlich weiter vor sich hin weint. Da steigt die große temperamentvolle, dunkelhäutige und schwarzäugige Amelia in den Sandkasten. Sie ist mit einem Stock bewaffnet. Wie ein Racheengel verlangt sie zu wissen: „Warum weint er? Wer war das?“ Es wird ihr leider von einem Kind verpetzt, wer es war. Ich lasse Theodor, der noch immer weint, blitzschnell los und fange gerade noch den Schlag ab, der Manuel treffen soll. Das gelingt, aber Amelia hatte so mächtig ausgeholt, dass sie dabei ungewollt den hingebungsvoll spielenden Florian trifft. Jetzt ist großes Geschrei! Florian, nichts Böses ahnend, von einem Stock getroffen, weint herzzerreißend. Verzweifelt liegt nun das Köpfchen des mächtigen Löwen in meinem Schoß. Ich drücke ihn an mich und verbiete gleichzeitig Amelia, die Kinder zu schlagen. Sie scheint einsichtig zu sein und wendet sich ihrem Spiel zu. Derweil tröste ich die beiden Buben, die jedoch, verletzt, wie sie sich fühlen, leise weiter vor sich hinwimmern. Plötzlich steigt Amelia die Galle noch einmal hoch. Sie ergreift den Stock abermals und will dem inzwischen auch in sein Spiel vertieften Manuel doch noch eins überbraten. Ich schieße dazwischen, aber diesmal hat Amelia gewaltig ausgeholt und dabei die kleine Catalina, getroffen. Diese schreit laut auf, war doch auch sie so sehr in ihr Spiel vertieft gewesen, dass sie nichts um sich her mitbekommen hatte.
Nun ist auch die arme Catalina in ihrer Seele zutiefst verletzt. Während ich nun drei weinende Kinderköpfchen auf meinem Schoß tröste, befehle ich Amelia, den Sandkasten zu verlassen. Amelia gehorcht willig, doch bevor sie noch ganz aus dem Sandkasten draußen ist, haut sie blitzschnell dem Manuel doch noch eins über den Kopf. Befriedigt stolziert sie sodann davon, hat sie doch endlich den Schuldigen erwischt, welcher nun natürlich auch bittere Tränen vergießt. Als die Kindergärtnerin zurückkommt, heulen die vier Kleinen um die Wette, und ich geniere mich ziemlich für meine missglückten Betreuungsversuche.