Manchen macht die Eurythmie Spaß – Manche finden die Eurythmie leider langweilig

 

von Stella Hagel 

 

Manchen macht die Eurythmie Spaß 

Mereth, viereinhalb Jahre, ist ein besonders harmonisches Kind und besitzt einen großen Liebreiz. Seit ihrem dritten Lebensjahr ist sie im Kindergarten und macht von Anfang an wunderschön und eifrig in der Eurythmie mit. Man sieht ihrem Gesichtchen deutlich an, wie ihr die Bewegungen Freude machen. Durch absolut Nichts lässt sie sich ablenken oder abhalten, ganz bei der Sache zu sein. Sie wehrt sich auch höchst entschlossen, wenn ein anderes Kind ihre Bewegungsfreiheit hemmt, indem es ihr auf die Pelle rückt. Das Sich-auf-die-Pelle-Rücken ist eine Sache, die die Kinder lieben. Das heißt, sich an ein anderes Kind dranzuhängen oder es gar hochzuheben, um seine Kräfte zu messen. Und das Kind, welches dadurch gestört wird und nicht mehr Eurythmie machen kann, hat zu meinem Leidwesen auch noch sehr oft Vergnügen daran. 

Nach einer Eurythmiestunde, die Mereth besonderes Vergnügen bereitet hatte, meldete sie sich beim Verabschieden zu Wort: „Frau Hagel! Frau Hagel, ich muss Dir jetzt mal was sagen!“ „Ja, Mereth, was willst Du mir sagen?“ „Frau Hagel! Die Eurythmie macht mir ganz schön viel Spaß!“ 

Viele Monate später bemerke ich, dass Mereth, nun schon fünf Jahre, immer noch wohlwollend schaut während der Eurythmiestunde, die Arme aber kaum mehr bewegt und im Ganzen einen schlappen Eindruck macht. Ein wenig sorge ich mich. Mereth hat auch gemerkt, dass sich etwas an ihr verändert hat. Sie erklärt plötzlich beim Verabschieden: „Frau Hagel, ich bin frühjahrsmüde!“ Da ihre Müdigkeit mehrere Monate anhält, vergewissere ich mich, ob sie nicht ernsthaft krank ist. Dann auf einmal wird sie wieder lebhafter. Und wieder bekomme ich beim Verabschieden die Erklärung. Mereth stellt sich vor mich hin, schaut mir ernst und freundlich in die Augen: „Frau Hagel, hast Du schon gemerkt, wie groß ich geworden bin?“ Sie misst mit ihrer Hand, bis wohin sie mir schon geht. Und da merke ich, wie sehr sie gewachsen und ein richtig großes Mädchen geworden ist. 

 

Manche finden die Eurythmie leider langweilig 

Nicht immer habe ich die Freude zu erleben, dass die Kinder die Eurythmie schön finden. Nachdem ich den Vorfrühling über eine besonders nette und lustige Geschichte mit den Kindern gemacht hatte, eine, die bei allen Kindern gut angekommen war, wählte ich eine Geschichte, die für mich vom eurythmischen Standpunkt aus wertvoller war und einen wichtigen Ausgleich schaffen sollte. 

Da musste ich mir aber von Peter, sechs Jahre, der sonst gerne Eurythmie macht, anhören, dass diese Geschichte langweilig sei. Enttäuscht schaut er mich an und fast ein bisschen verletzt, dass ihm so etwas zugemutet wird. Natürlich bin ich betroffen und im ersten Augenblick ziemlich verunsichert, als er missbilligend von sich gibt: „Das ist aber eine langweilige Geschichte.“ Noch schlimmer wurde es, als Marina, ebenfalls sechs Jahre alt, prompt und trocken hinzufügt: „Wieso? Eurythmie ist doch immer langweilig.“

Manche finden die Eurythmie aufregend 

In ihrem ersten Kindergartenjahr ist Mona kaum drei Jahre alt. Sie macht noch nicht mit bei der Eurythmie. Die Eurythmie erregt sie aber so sehr, dass sie sich selbst beruhigen muss, indem sie ihr ganzes Fäustchen in den Mund stopft. Dabei tritt sie aufgeregt von einem Bein aufs andere. Nach etwas mehr als einem halben Jahr macht sie dann aber freudig und sehr energisch mit.

Manche Kinder lassen mich im Stich 

Großen Erfolg habe ich oft, wenn ich im Kindergarten während der Eurythmie begeistert frage: „Wer kommt mit mir in den Wald?“ Oder zu den Tieren, oder zu sonst einem interessanten Ort – wir machen das alles mit eurythmischen Gebärden. „Ich! Ich! Ich auch!“, tönt es meistens von allen Seiten, und die etwas lahme Stimmung, die manchmal herrscht, ist damit überwunden. In einer Gruppe für Kinder, die noch sehr klein sind – unter drei Jahren – versuche ich jedoch ohne Erfolg, die Kinder mitzureißen. Auf meine Frage „Wer kommt mit?“ geschieht gar nichts. David, drei Jahre, fasst die Situation von seinem Beobachtungsposten aus zusammen. Freundlich und höchst befriedigt stellt er fest: „Niemand!“

Manche Kinder finden die Eurythmie schön 

Mancher Kummer und manche Sorge, welche ich schon ab und zu mit den Kindern erlebe, wechselt sich immer mit Freude und Heiterkeit ab: In der Kleinkindgruppe machen nur wenige Kinder mit. Sie anderen schauen mir zu, und nur hier und da wird ein Kleines zart von einer Bewegung ergriffen, macht ein Weilchen mit, dann ist wieder nur Staunen da. 

Anna-Jumi, drei Jahre, schaut mir ganz besonders aufmerksam zu. Es zuckt immer wieder in ihren Ärmchen. Die möchten gerne eine Gebärde ausprobieren. Aber Anna-Jumi ist vorsichtig und zieht sie meistens schnell wieder zurück. Zuhause ist sie nicht bereit, eine Auskunft zu geben, wenn sie nach der Eurythmie gefragt wird. Nach einigen Wochen kommt aber doch eine indirekte Antwort von ihr. Gefragt, wie es im Kindergarten gewesen sei, antwortet sie: „Ach, heute war es nicht so schön, heute war ja gar keine Eurythmie.