von Ingo Hagel
Das ist enttäuschend, langweilig und absolut rückschrittlich: Eine parteilose Spitzenkandidatin verschafft der FDP in der Bremen-Wahl die Rückkehr ins Parlament und – tritt in die FDP ein. Dabei hatte es vielversprechend angefangen: Im Wahlkampf hatte Lencke Steiner gehofft,
„dass man mehr Menschen abholen kann, wenn man für Inhalte steht und nicht für Parteien.“
Das ist zukünftig, denn das politische und rechtliche Leben muss sich von den Parteien, ihren Zwängen und dem heutigen bankrotten Parlamentarismus lösen. Es müssen immer mehr einzelne, konkrete Sachfragen behandelt und entschieden werden, und das wird nichts mehr mit Parteien zu tun haben, sondern mit wechselnden, freien Gruppierungen. Die Menschen werden im politischen Leben in der einen Frage
– die allerdings nur noch das (rechtliche) Verhältnis von Mensch zu Mensch betreffen wird und nicht mehr wirtschaftliche oder kulturell-geistige Fragen –
heute sich der einen (oder eben der anderen) Gruppe anschließen und dort über Abstimmungen zu einer Entscheidung kommen, und morgen in der anderen Frage einer anderen Gruppe. Parteien sind sowas von rückständig. Insofern ließ das obige Bekenntnis der parteilosen Lencke Steiner
„dass man mehr Menschen abholen kann, wenn man für Inhalte steht und nicht für Parteien“
aufhorchen. Aber dann kam das da:
Noch am Wahlabend verkündete Steiner allerdings, sie werde ihren Antrag auf FDP-Mitgliedschaft „gleich abgeben“.
Und: Sie freue
sich auf die Arbeit als Fraktionsvorsitzende.
Nun ja, ich mache Lencke Steiner nicht persönlich einen Vorwurf – sie ist jung und unerfahren. Aber das Ganze passt eben in das Bild des üblichen Parteienbetrugs, der klug die Zeichen der Zeit erkennt und gerissen mit Sprüchen für sich nutzt, auf die viele hereinfallen. Da werden noch ganz andere Dinge kommen. Die Jungs und Mädels da oben sind eben cleverer als das Volk, das noch zu Wahlen geht.
Antrittsrede von Bremens Bürgermeister Dr. Jan Böhmermann