von Ingo Hagel
Gerade einmal eine Woche sei die Hebelung des Euro-Rettungsfonds EFSF auf über eine Billion Euro alt, schon reiche die Summe nicht mehr: „Jetzt sollen die Goldreserven der Bundesbank verzockt werden“, sagt der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler im Handelsblatt. Die Seite LarouchePAC liefert mit Blick auf die Finanzkrise in Europa und der Welt und die Angriffe der britischen Finanzoligarchie interessante Analysen und Presseberichte. Sie beschreibt die Ereignisse der letzten Tage so:
Zum dritten Mal innerhalb von 10 Tagen hat das Britische Imperium es nicht geschafft, einen hyperinflationären Bailout für ihre Banken in der Höhe durchzuboxen, wie es ihn doch so dringend benötigt und fordert – und der doch unter keinen Umständen sich vollziehen darf. Sie sind bankrott, verzweifelt und haben keine Möglichkeit übrig, wie Lyndon LaRouche heute bemerkte. Ihr System bricht zusammen, und sie haben nichts. Ihre einzige „Politik“ besteht darin, auf einen 3. Weltkrieg zuzusteuern ….
In den letzten 10 Tagen versuchten die Briten – aber schafften es nicht – frische Billionen von den Europäischen Regierungen, der FED und von den BRICs (Brasilien, Russland, Indien, China; Anmerkung IH) und anderen G20 Mitgliedern zu erhalten:
1) 26. Oktober, Gipfeltreffen der Eurozone: dieses endete mit einer Menge Gesprächen über notwendige Strukturen des EFSF usw., aber mit Null Ergebnis zu neuen Fonds. Es gab keine spezifischen Beschlüsse zu einer Verdopplung oder Vervierfachung des EFSF, nichts Bestimmtes zu einem griechischen Schuldenschnitt, und nichts Bestimmtes zu einer „Rekapitalisierung“ der Banken.
2) Das FED Open Market Committee (FOMC) tagte vom 1. – 2. November: Es gab reichlich Gespräche darüber, wie ein neues QE3 (Quantitative Easing 3, das heißt, die FED wirft neu generiertes Geld auf den Markt, das allerdings wie QE1 und QE2 nicht in die produktive Wirtschaft Amerikas geht, sondern nur dazu dient, als spekulatives „heißes“ Geld die bankrotten Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren; Anmerkung IH) in der Zukunft möglich sein könnte, aber es wurde im Moment noch kein neuer Wall an Geld auf die herrschende Unordnung geworfen. Es gibt unter den Gouverneuren der FED selber weiterhin heftige Opposition gegen ein QE3.
G20 Gipfel am 3. – 4. November: Es gab keine Übereinstimmung hinsichtlich einer Unterstützung des EFSF; keine Übereinstimmung über eine wachsende Beteiligung des IWF bei den Banken-Bailouts; keine Übereinstimmung der BRIC-Staaten, mehr Geld herauszurücken, und zum Schluss erklärte der neue Präsident der EZB, Mario Draghi, die EZB würde nicht der Kreditgeber letzter Instanz sein bei der Bankenrettung (s. dazu auch zum Beispiel hier und hier).
Der Tenor von Londons Bestürzung wird von einem Artikel des Guardians (4. Nov.) eingefangen mit der Überschrift „Globale Rezession rückt näher, da der G20 Gipfel versagt“ und der beklagt, dass ein störrischer G20 Gipfel versagte, neue finanzielle Hilfe für Länder in Not zu gewähren …. Die Gespräche in Cannes wurden in Verwirrung beendet …. England Hoffnungen auf ein Nachgeben Deutschlands und eine Erlaubnis, dass die EZB Kreditgeber letzter Instanz für den Euro werden würde, wurden zerstört …. (Es war) ein Tag einer unaufhörlichen Düsternis …. (Englands) Schatzkanzler gab zu, das Finanzministerium erarbeite Krisenpläne für einen Zusammenbruch der Eurozone …. Es hatte Hoffnungen gegeben, dass die G20 einer Erhöhung der Mittel des IWF von jetzt 250 Milliarden auf über eine Billion zustimmen würden, aber Meinungsverschiedenheiten zwangen die Führer der Welt, die Beantwortung dieser Frage auf das Treffen der Finanzminister der G20 im nächsten Februar zu verschieben.“
Nach dem Gipfel sagte Deutschlands Angela Merkel: „Es gibt kaum Länder hier, die sagten, sie wären bereit, mit dem EFSF mitzugehen.“ Und der Herausgeber vom Wirtschaftsteil des Daily Telegraph, Jeremy Warner, klagte: „Die Dinge fallen mit einer Geschwindigkeit auseinander, die die verwöhnten Führer in Cannes machtlos sind zu verhindern.“
Wer glaubt, die Sache mit dem oben beschriebenen „hyperinflationären Bailout“ sei doch reichlich übertrieben, der sei auf einen Artikel von Thomas Straubhaar (Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes) verwiesen, der im Juli 2011 in der WELT meinte, der Euro sei nicht tot, er müsse nur wiederbelebt werden. Er forderte dazu auf, Europa solle es doch genauso machen wie die USA, nämlich einfach Geld drucken:
Ein Blick auf die USA zeigt, was zu tun ist. Auch die USA sind eine Währungsunion von vielen Bundesstaaten, mit gemeinsamer Notenbank. Euroland und die USA sind dramatisch überschuldet, und zwar – und das ist der entscheidende Punkt – je in ihrer eigenen Währung (die Europäer in Euro, die Amerikaner in US-Dollar), die sie jederzeit nachdrucken können, wenn alle anderen Rettungsstricke reißen sollten.
Die Angst geht um, und die Deutschen Mittelstandsnachrichten machen ebenfalls (am 6. Nov. 2011) diesen Vorschlag (Hervorhebung IH):
Das Scheitern des G 20-Gipfels von Cannes hat weitreichende Konsequenzen für Europa: Weder der IWF, noch China – ja nicht einmal die europäischen Staaten selbst wollen reales Geld in die Euro-Rettung stecken. Damit ist klar: Entweder die Europäische Zentralbank (EZB) beginnt mit einem europäischen „Quantitative Easing“ oder die Lichter gehen aus.
Auch der Spiegel stieß bereits im Juli 2011 ins selbe Horn einer Geldvermehrung durch die Notenbanken, warnte aber wenigstens:
Doch der Preis für die Rettung wird sehr hoch sein. …. Völlig losgelöst von der Realwirtschaft würden die Notenbanken die Wirtschaft mit Geld fluten und die größte Schuldenkrise der Geschichte auf bewährte Weise lösen: durch Inflation. Wenn irgendwann die Preise zu steigen beginnen, werden die Notenbanken angesichts ihrer aufgeblähten Bilanzen die Inflationsdynamik kaum wieder einfangen können. Die Folgen: Schulden würden entwertet, Währungen ruiniert. Danach beginnt ein neues Spiel. Nach neuen Regeln – vielleicht den chinesischen.
Was für ein Unglück, wenn dies wirklich so käme! Auf den Gedanken, die aus den unseriösen Spekulationsgeschäften der Banken entstandenen Schulden einfach zu annullieren anstatt durch ebensolches unseriöses Gelddrucken der Zentralbanken weiterzuführen, kommt kaum einer.
Man mag zum Standpunkt von Webster Tarpley – einem der brillantesten und mutigsten investigativen Journalisten – zur Erhaltung des Euros, stehen wie man will (ich selber sehe nicht, wie der Euro angesichts der wirtschaftlichen Unterschiede der verschiedenen europäischen Länder ohne die endgültige Etablierung einer Transferunion aufrechterhalten werden soll): Aber sein flammender und leidenschaftlicher Aufruf, die Spekulation, die Banken und nicht die Griechen zu bekämpfen (trotz der dort notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen; Anmerkung IH) benennt in einer Zeit, in der die Politik keine guten Ideen mehr hat, nicht nur eine der notwendigen Maßnahmen für eine zukunftsfähige Wirtschaft sondern auch für ein Überleben eines freien Europas. Hier einige Auszüge aus seiner Sendung World Crisis Radio vom 28. Mai 2011 (ab 50:10):
Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Italien, Belgien, bankrott, unter Attacke, was immer es auch ist. Und nicht, dass irgend jemand denkt, Deutschland entkommt dieser Sache, das wird es nicht: Bremen, Berlin, Schleswig-Holstein und Saarland (s. dazu auch hier; Anmerkung IH), und dies sind nicht die ärmsten, unnötig zu sagen, diese sind nicht die ärmsten, aber auch sie nähern sich dem Bankrott. So, dies ist eine Depression, behandelt es wie eine Depression, nicht speziell eine Krise des Euro, abgesehen von der Tatsache, dass die US-britischen Spekulationsangriffe mit Credit Default Swaps dazukommen und es im Moment als eine Krise des Euro erscheinen lassen. Es ist aber wirklich mehr eine Krise des Dollars als des Euros. ….
Und das Problem ist: sogar wenn Ihr die Drachme oder die DM hättet, Ihr müsstet dann um zu überleben die Spekulation bekämpfen. Zerschmettert die Spekulation! Dies ist der Punkt. Egal was für ein Währungssystem Ihr habt, die Spekulanten und Hedgefonds werden es erfolgreich angreifen.
Also: das ist es, was ich unseren Freunden in der Eurozone sagen möchte, den Menschen die besorgt sind über das Schicksal der menschlichen Zivilisation: Zuerst: Wendet Euch weg von allem Fetischismus einer Anbetung des Geldes, dies ist ein engherziger bürgerlicher Fetisch. „Wir wollen gesundes Geld“ oder „Unser Geld soll nicht nach Griechenland gehen“. Es ist lächerlich zu sagen: unsere Euros sollten nicht nach Griechenland gehen. Denn sie gehen nicht nach Griechenland! Sie gehen zu Deutschen Bank, sie gehen zur Société Générale, sie gehen zur Barclay Bank, aber diese Banken werden niemals diese Länder heraushauen, sie werden diese Banken heraushauen. Bekämpft die Banken! Werdet keine Feinde der Griechen! Werdet ein Feind der Banken! Und wie macht Ihr das! Ihr müsst die Spekulation bekämpfen früher oder später, das ist es, was sich geändert hat, der Spekulations-Amoklauf, der anfing 1999 und 2000 mit der letztlichen Legalisierung der Derivate und deren vollständigen Rehabilitation in den USA, hat eine völlig neue Welt geschaffen.
Das sollte zuerst einmal klar sein! Bekämpft die Spekulation. Beschlagnahmt diese Zombie Banken! Nicht nationalisieren, die meisten von denen gehören liquidiert! Das sind schwarze Löcher, gefüllt mit Derivaten, Collateralized Debt Obligation, Credit Default Swaps! Schließt die Zombie Banken, die gehören zwangsabgewickelt! Und macht Eure Schredder fertig, werft Eure Delete-Buttons an, denn alle diese Derivate müssen ausgetilgt, gelöscht werden aus dem Angesicht der Erde, macht Eure Laser-gestützten Derivate-Schredder bereit. Ihr müsst dann auch noch die Hedgefonds begrenzen, müsst eine Tobin-Steuer einführen, aber diese Einnahmen gehen nicht zum IWF, die gehen nicht zur Weltbank, diese Gelder gehen in die Koffer der Länder, die daran interessiert sind, ihre sozialen Sicherungsnetze zu erhalten. Ganz offensichtlich müsst Ihr auch Credit Default Swaps verbieten. Jemand sagt, das sei eine Versicherung? OK, die haben sich nicht als Versicherungs-Gesellschaft registriert, es ist also illegal, es ist Glücksspiel, Glücksspiel ist illegal außerhalb des Kasinos in Monte Carlo, hofft man. Ihr müsst Credit Default Swaps verbieten und Collateralized Debt Obligations verbieten, andere Derivate werden mit einer Steuer von 1 % belegt, Ihr müsst den Commodities Markt zurückregulieren um Spekulationen zu verhindern …..
Der zweite Punkt ist der eigentliche: Ihr müsst die europäischen Zentralbanken übernehmen. …. Deren Sinn und Aufgabe wäre es, 0 % Notkredite zur Erholung des Systems herauszugeben, Leihgeld für die Infrastruktur, für eine wirklich produktive Aktivität, für Exporte im besonderen, zur Herstellung von Produkten, zum Bergbau, für physische, spürbaren täglichen Bedarf, Handel, aber nicht für finanzielle Spekulationen. Ich denke, ich muss das nicht extra betonen: keine weiteren Bailouts der Banken. Wenn es einen Bailout Fond gibt, beschlagnahmt ihn. So wie diesen europäischen Bailout Fond (Rettungspaket), mit einem Volumen von ca. einer Billion Euro, das ist eine Sauerei. Gebraucht das Geld für produktive Investitionen!
Also erstens: Antispekulation! zweitens: beschlagt die europäischen Zentralbanken! Und drittens: gebt zinslose Kredite heraus für die Wirtschaft, aber dann nur für produktive Projekte.