Rudolf Steiner: Die Menschen haben den Intellekt ausgebildet, damit sie frei werden können

 

Aus Nr. 200 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 93:

Und das bloße intellektuelle Leben ist nur ein Zwischenzustand, der überhaupt für die Natur und das, was der Mensch hervorbringt, keine Bedeutung hat, sondern nur für den Menschen selbst. Die Menschen haben den Intellekt ausgebildet, damit sie frei werden können. 

Anmerkung IH: Das heißt, dass man mit diesem Intellekt überhaupt keine geistigen Wirklichkeiten erkennen kann. Der Intellekt ist in der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit nur ausgebildet worden, damit der Mensch sich auf sich selber stellen kann. Das ist zwar eine enorme Errungenschaft, aber man darf das nicht damit verwechseln, dass man damit nun am Ende der Fahnenstange der Erkenntnis angekommen ist. Ganz im Gegenteil. Wird diese Erkenntnis der äußeren Sinneswelt nicht in eine Erkenntnis einer geistigen Welt umgewandelt, sind wir am Ende der Fahnenstange der Entwicklung der Menschheit überhaupt angekommen.

Die Menschen müssen gerade eine Fähigkeit ausbilden, die gar nichts zu tun hat weder mit der Natur noch mit der Maschine, sondern die nur mit dem Menschen selbst zu tun hat. Wenn der Mensch Fähigkeiten ausbildet, die zu der Natur in einem Verhältnis stehen, ist er ja nicht frei. Will er ins Wirtschaftsleben fliehen, ist er auch nicht frei, denn die Maschinen überwältigen ihn nur. Wenn er aber Fähigkeiten ausbildet, die weder mit der Erkenntnis noch mit dem praktischen Leben etwas zu tun haben, wie die reine Intelligenz, 

Anmerkung IH: Das heißt das reine Denken. Siehe dazu auch die verschiedenen Artikel hier auf Umkreis-Online zur „Philosophie der Freiheit“ Rudolf Steiners.

kann er sich die Freiheit im Laufe der Kulturentwickelung anerziehen. Gerade durch eine ohne in Beziehung zur Welt stehende Fähigkeit, wie der Intellekt es ist, könnte die Freiheit heraufkommen. Aber zu diesem Intellekt muss, damit der Mensch nicht abreißt von der Natur, damit er in die Natur wiederum herauswirken kann, wiederum die Imagination, muss alles dasjenige hinzukommen, was geisteswissenschaftliche Forschung finden will.  

 

Siehe dazu auch hier aus Nr. 200 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 85:

Rudolf Steiner: Der Intellekt ist nämlich gar nicht zum Erkennen da. Das ist der große Irrtum, dem sich der Mensch hingeben kann, dass der Intellekt zum Erkennen da sei.

Nun steht ja im Menschen immer eine andere Kraft, sei es als Sehnsucht, sei es als mehr oder weniger klare Bewusstseinstatsache, in dem Untergrunde der Seele. Es ist die Erkenntnissehnsucht. Man kann nun, wenn man zurückblickt in ältere Zeiten, selbst wenn man zurückblickt in das 11., 12., 13., 14. Jahrhundert europäischer Entwickelung, von einer deutlichen Erkenntnissehnsucht sprechen, insofern als dazumal der Mensch in seiner Seele Fähigkeiten hatte, welche ihn dazu brachten, ein Verhältnis zu gewinnen zu der Natur, zu dem, was die Natur an Geist offenbarte, und dadurch ein Verhältnis zur geistigen Welt selber. Gewiss, von Erkenntnissehnsuchten spricht man auch seither viel. Aber man kann, wenn man ganz unbefangen die Menschheitsentwickelung betrachtet, jene Erkenntnissehnsucht, die etwa heute herrscht, gar nicht vergleichen an Intensität mit der Erkenntnissehnsucht, die vor der Mitte des 15. Jahrhunderts herrschte. Es war eine intensive Angelegenheit der menschlichen Seele, nach Erkenntnis zu streben, nach einer solchen Erkenntnis, die auch etwas bedeutete an Glut, an innerer Wärme für den Menschen, die für diesen Menschen auch etwas bedeutete in bezug auf die Antriebe, die ihn dazu brachten, seine Arbeit in der Welt zu verrichten und so weiter. Mit alledem, was da an Erkenntnissehnsucht vorhanden war, lässt sich eben immer weniger und weniger vergleichen, was seit der Mitte des 15. Jahrhunderts heraufzieht. Und selbst wenn wir die großen Philosophen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Betracht ziehen, geniale Ausgestaltungen des menschlichen Ideensystems bieten sie dar, aber eigentlich nur, ich möchte sagen, künstlerische Ausgestaltungen dieses Ideensystems; nicht eigentlich kommt bei ihnen, nicht bei Fichte, nicht bei Schelling, nicht bei Hegel – bei Hegel schon gar nicht – ein rechter Begriff vor von dem, was vorher an Erkenntnissehnsucht da war. Und dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tritt die Erkenntnis, wenn sie auch noch nach alter Gewohnheit abgesondert gepflegt wird, mehr oder weniger in den Dienst des äußeren Lebens. Sie tritt in den Dienst der Technik und bekommt auch die Konfiguration dieser Technik. Woher kommt denn das alles? Ja, gerade davon rührt es her, dass wir in dieser neuesten Zeit die besondere Ausbildung des Intellektes zu verzeichnen haben. Gewiss ist das nicht auf einmal gekommen. Dieser Intellekt hat sich langsam vorbereitet. Die Nachklänge des alten hellseherischen Zustandes waren ja schon lange nur mehr höchst undeutliche. Aber man kann doch sagen: Bis zu einem gewissen Grade waren, wenn auch nicht der alte hellseherische Zustand selbst, so doch seine Nachklänge bis in das 15. Jahrhundert schon noch vorhanden. Die Menschen hatten alle, wenigstens diejenigen, die nach Erkenntnis strebten, eine Vorstellung von dem, was sich aus der menschlichen Seele heraushebt an höheren Fähigkeiten, als es die des alltäglichen Lebens sind. Wenn sich diese Fähigkeiten in alten Zeiten nur traumhaft herausgehoben haben aus der Seele, sie waren eben doch andere Fähigkeiten als die des gewöhnlichen Lebens, und man hat durch solche andere Fähigkeiten eindringen wollen in die Tiefe des Weltenwesens und ist gedrungen bis zur Geistigkeit dieses Weltenwesens. Und das gab dann die Erkenntnis. Als Erkenntnis empfand man es, wenn man aus den Naturerscheinungen, aus den Naturwesen heraus empfand, wahrnahm, wie geistig-elementare Wesenheiten durch die einzelnen Erscheinungen der Natur wirkten, wie da wirkte die göttlich-geistige Wesenheit im großen und ganzen durch die Totalität der Natur. Das empfand man als Erkenntnis, wenn Götter sprachen durch die Naturerscheinungen, wenn Götter sprachen durch die Wanderungen der Gestirne, im Erscheinen der Gestirne. Das verstand man unter Erkenntnis. 

In dem Augenblick, in dem die Menschheit darauf verzichtete, das Geistige zu vernehmen aus den Erscheinungen der Welt, kam auch der Erkenntnisbegriff mehr oder weniger in einen Niedergang hinein. Und das Abnehmen der eigentlichen Erkenntnisintensität, das müssen wir verzeichnen für den neuesten Zeitraum der Menschheitsentwickelung. 

Was ist da notwendig geworden? Das, was jetzt nur in dem kleinen Kreise anthroposophisch strebender Menschen vorhanden ist, was aber immer allgemeiner und allgemeiner werden muss. Ja, zu den alten Menschen haben die Naturerscheinungen so gesprochen, dass sie ihnen Geistiges offenbart haben. Aus jeder Quelle, aus jeder Wolke, aus jeder Pflanze hat Geistiges gesprochen. Die Menschen haben dadurch, dass sie in ihrer Art die Naturerscheinungen und Naturwesen kennenlernten, das Geistige kennengelernt. Das ist nun nicht mehr der Fall. Ein Zwischenzustand ist nur der Zustand des Intellektualismus. Denn dieser Intellektualismus, was hat er denn als seine tiefste Eigentümlichkeit? Dass man mit ihm, mit der reinen Intellektualität, überhaupt nichts erkennen kann. Der Intellekt ist nämlich gar nicht zum Erkennen da. Das ist der große Irrtum, dem sich der Mensch hingeben kann, dass der Intellekt zum Erkennen da sei. Erkennen werden die Menschen erst wiederum, wenn sie eingehen auf dasjenige, was der geisteswissenschaftlichen Forschung zugrunde liegt, was zum mindesten durch Imagination vermittelt wird. Erkennen werden die Menschen erst wiederum, wenn sie sich sagen: In alten Zeiten haben aus den Naturerscheinungen geistig-göttliche Wesenheiten gesprochen. Für den Intellekt sprechen sie nicht. Für die höheren, für die übersinnlichen Erkenntnisse werden zwar nicht die Naturerscheinungen unmittelbar sprechen, denn die Natur wirkt als solche stumm, aber es werden zu dem Menschen Wesenheiten sprechen, die ihm in Imaginationen erscheinen werden, die ihn inspirieren werden, mit denen er intuitiv vereinigt wird, und die er wiederum wird auf die Naturerscheinungen beziehen können. – So kann man sagen: In alten Zeiten ist dem Menschen durch die Natur das Geistige erschienen. In unserem Zwischenzustande hat der Mensch den Intellekt. Die Natur bleibt geistlos. Der Mensch wird sich hinaufschwingen zu einem Zustande, wo er wieder erkennen kann, wo ihm zwar die Natur nicht mehr vom Göttlich-Geistigen sprechen wird, wo er aber das Göttlich-Geistige in übersinnlicher Erkenntnis ergreifen wird, und wo er dadurch wiederum dieses Geistige auf die Natur wird beziehen können. 

 

 

 

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