Übersetzung: Ingo Hagel
Hier eine Übersetzung einiger Ausschnitte aus Webster Tarpleys Sendung World Crisis Radio vom 12. Nov. 2011. Die Sendung wurde aufgezeichnet am 11. 11. 2011, dem Gedenktag des Ende des 1. Weltkrieges.
Webster Tarpley: Es gibt gewichtige Nachrichten diese Woche mit Blick auf die Wirtschaft und Weltstrategie. Wir haben heute den 11. November, es ist der Tag der Veteranen und des Endes des ersten Weltkrieges an der westlichen Front. Um 11 Uhr morgens wurden damals die letzten Schüsse abgegeben. General Pershing bekam noch in den letzten 6 – 12 h dieses Krieges 3500 amerikanische Soldaten verwundet oder getötet – für nichts und wieder nichts. Wir werden die weitere Bedeutung davon noch sehen. Wenn wir uns dieses Gedenktages erinnern, dann müssen wir uns auch erinnern an die traurigeren Seiten dieses Tages. Erinnern auch an eine Politik, die nicht hätte sein dürfen. …. Also, 11. 11. 2011, das ist der Tag, wo wir heute diese Aufnahme machen. Es herrscht daher eine etwas dunkle Stimmung.
Aber wir müssen uns auch daran erinnern, dass der zweite Weltkrieg aus einer Depression herauswuchs, die zu einer Diktatur führte. Und dass er auf dem Marsch hin zu einer Diktatur in den 1930er Jahren des letzten Jahrhunderts durchging durch eine Phase, die man Bonapartismus oder Technokratie der Regierungen nennen kann. Brüning in Deutschland, von 1930 – 1932, war in gewisser Weise ein Technokrat. Er war zwar Parteipolitiker, aber er reagierte nicht als gewählter Kanzler, sondern er regierte als Not-Kanzler, mit Not-Dekreten, die von Präsident von Hindenburg unterzeichnet worden waren.
Und danach kam eine noch schlimmere Periode mit von Papen, der während einer Zeit von drei bis vier Monaten in 1932 regierte, vom Sommer bis zum Herbst, und von Paten regierte mit der Androhung eines Staatsstreiches: „Tut was ich sage, oder es wird einen Staatsstreich des Militärs geben.“
Und wir haben nun einen Punkt erreicht in dieser Wirtschaftsdepression, wo man sich überlegen kann, ob wir nicht gerade dabei sind, den Übergang zu erleben von Brüning zu von Papen. In anderen Worten: von tödlichen, selbstmörderischen, brutalen Sparmaßnahmen und Kürzungen, die mehr oder weniger noch auf parlamentarischen Wege verabschiedet wurden, dahin, dass diese Sparmaßnahmen und Kürzungen verabschiedet werden von einer Art Notdiktatur, Notregierung, Notführung, einer Art von Bonapartismus. ….
Aber wir wollen einen Blick werfen auf die Art und Weise, wie diese Technokratie wächst mit Blick auf den Internationalen Währungsfonds IWF und die Europäische Union, und welche Wendungen dort unternommen werden hin zu einer Technokratie. Anstelle von Parteisoldaten und Parteipolitikern – die selbstverständlich in einem großen Maße diskreditiert sind, darüber besteht kein Zweifel – soll es nun Technokraten geben.
Das Modell eines Technokraten: wer wäre das gewesen in der letzten Depression? Wahrscheinlich Hjalmar Schacht. Schacht forderte die Überprüfung der Reichsbank, um seinen Widersacher Luther in Bedrängnis zu bringen, und wurde dann später schließlich Hitlers Finanzminister. Das ist also die Art von Leuten, auf die wir jetzt sehen. Die neuen kleinen Schächte, die Schächtchen können wir sie, glaube ich, nennen, die kleinen Schächte, die nun auftauchen.
Wir wollen auf das Griechische Beispiel sehen. Dies wurde zuerst gestartet und es war schon klar, wohin es gehen würde. Nun haben wir Papademos. …. Dieser Papademos von Griechenland ist ein Zentralbanker, er war Vizepräsident der EZB für Trichet. Er kommt also von einer Tätigkeit, in der er wilde, tödliche Sparmaßnahmen administrierte – rein aus geldlichen Überlegungen heraus gesteuertem Neoliberalismus, Monetarismus in der Europäischen Zentralbank – nun dahin, dass er der Premierminister von Griechenland wird in einer Regierung, in der – so wie ich es verstehe – fast alle nationalen Parteien zusammengefasst sind. Er ist ein Bankier, er ist ein ehemaliger Funktionär der Bostoner Federal Reserve Bank. Ist das nicht wunderbar, dass Papademos diesen wunderbaren US-Stammbaum hat?!
Und genauso ist es, wenn wir nach Italien blicken. Mario Monti, der von Giorgio Napolitano, dem Präsidenten von Italien aus dessen Hut gezogen wurde …. Mario Monti, dies ist, genauso wie Mario Draghi, die italienische Brigade von Goldman Sachs. Goldman Sachs findet sich in der Vergangenheit von diesen beiden. Beide, Monti und Draghi, müssen als Agenten von Goldman Sachs angesehen werden.
Ich muss noch hinzufügen: die Rolle von Napolitano war, das klarzumachen, innerhalb der Grenzen der italienischen Verfassung, die er sowieso mit Füßen tritt. Er ernannte Monti also zu einem Senator auf Lebenszeit, von denen es weniger als ein halbes Dutzend gibt (der Spiegel hat es erwähnt – wie einige andere Zeitungen auch -, zum Beispiel die Welt, natürlich ohne irgend einen tieferen Gedanken weiter daran zu verschwenden; Anmerkung IH). Das heißt also, Monti bekleidet kein demokratisch gewähltes Amt. Kann er einfach springen von einem privaten Bürger beziehungsweise einem öffentlichen Mann der Straße hin zu einem Premierminister im Palazzo Chigi (Sitz des Ministerratspräsidiums in Rom; Anmerkung IH).
Nun, dank Napolitano, muss er das nicht tun, denn er ist bereits in den italienischen Senat katapultiert worden mit dieser Mitgliedschaft auf Lebenszeit, die ihm von Napolitano gegeben wurde. Leute die das bis jetzt gehabt haben: Andreotti, denke ich, war einer davon, Amintore Fanfani, und noch ein paar andere, sehr selten. Warum Mario Monti, was ist so großartig an ihm? Nun ja, er hat diesen enormen US-Hintergrund (Goldmann Sachs, Coca Cola etc.).
Dazu war Monti Kommissar für Wettbewerb in der EU, aber was für ein Versager er dort war: für Microsoft gab es nur einen Klapps auf den Po, als diese ihre europäischen Wettbewerber ruinierten …. So, nun haben wir also Papademos als Premierminister von Griechenland, er wurde schon vereidigt, und hat schon eine Regierung, das heißt die Boston FED regiert nun Griechenland. Und wir werden Mario Monti haben von Goldmann Sachs, was dann möglicherweise eine Sparmaßnahmenregierung geben wird in Italien, der Deal dort ist aber noch nicht in trockenen Tüchern. Es wird um Sparmaßnahmen in der Höhe von 80 Md. Euro gehen, das Pensionsalter soll heraufgesetzt werden etc..
Ich würde den Arbeiterbewegungen der beiden Länder empfehlen: besonders Euch Sozialdemokraten in Griechenland, wenn ihr in der Gewerkschaftsbewegung seid: Ihr müsst Papademos stürzen, Ihr müsst sofort einen Anti-Sparmaßnahmen-Streik ausrufen. Und dasselbe gilt für Italien: Mario Monti bedeutet tödliche Sparmaßnahmen, wovon Italien bis jetzt mehr als genug gehabt hat, alle diese idiotischen Geschichten, die wir darüber in der anglo-amerikanischen Presse lesen, wie es sich die Italiener und die Griechen gutgehen lassen. Also: Zeit für einen Generalstreik, um diese Technokraten wegzubekommen.
Also, der IWF wird zu einem technokratisch regierten Allparteiensystem, einer Art Notregierung: Papademos ist einer für Griechenland, Mario Monti ist einer für Italien. Man beachte, dass die italienische Krise, wie die gesamte europäische Krise sich in einer realen wirtschaftlichen Depression ereignet, das ist keine Verschwörung. Aber die Art und Weise, in der sie sich vollzieht, ist intensivst beeinflusst von dem vorsätzlichen Versuch von Amerika und Großbritannien, ihr wirtschaftliche Depression auf den europäischen Kontinent zu exportieren. Es ist eine Politik, die die eigenen Probleme auf andere Länder abladen will, ein Versuch, die negativen Konsequenzen der Depression auf den europäischen Kontinent zu bringen, in den Euroblock, ein Versuch, diesen zu zerschmettern, ein Versuch, den Euro zu vernichten als einen Konkurrenten zum Dollar als einer Reservewährung, zum Dollar, den die Briten und die Amerikaner zu preisen, der den Ölmarkt beherrscht und den ganzen Rest.
Die Art, wie die italienische Krise sich nun entwickelt, ist völlig künstlich, das beruht nur auf Credit Default Swaps, nichts anderem. Und das ist alles. Wenn die Renditen italienischer Staatsanleihen auf über 7 % steigen, dann ist dies ein orchestrierter spekulativer Angriff dieses Wolfsrudels an Zombiebankern und Hedgefondshyänen. Sorry für diese gemischte Metapher, aber das ist es, was es ist. Ein Wolfsrudel von Zombiebankern und Hedgefondshyänen hat Italien angegriffen. Es gibt keinen Weg sie zu besänftigen, sie suchen nicht nach Vertrauen (in die Märkte), sie wollen nicht beruhigt werden, sie wollen sich von dem Fleisch der Menschen in Italien ernähren, das ist ihr Ziel. Es handelt sich um kriminelle Elemente, Soziopathen, sie müssen aufgehalten werden. Die Macht des Staates muss benutzt werden, um ihre Operation zu zerschmettern. Und wenn man das nicht macht, dann wird es einem sehr sehr schlecht ergehen.
Nun , wir hier in den USA sehen genau derselben Sache entgegen. Hier haben wir die 12 Tyrannen des Super Committees, die mit ihrem Bericht am 23. November kommen werden. …. Das, was diese 12 Tyrannen des Super Committee vorhaben, ist absolutester Marie-Antoinette-Stil, absolut von der Rolle, wahnsinnig, das sind Soziopathen, die eigentlich ins Irrenhaus gesteckt werden sollten, anstatt dass sie hinter verschlossenen Türen Politik machen.
Das Problem nun ist: wird die europäische Arbeiterbewegung einfach ruiniert werden, sich überschlagen und zugrundegehen? Denn zum Beispiel in Griechenland: die PASOK ist nun ein Teil der Papademos-Regierung. Dann sehen wir diesen rechten Typen Venizelos, den Finanzminister, er hat seinen Job behalten und ist glücklich, er dient nun Papademos. Vielleicht denkt er, er kann eines Tages dessen Posten einnehmen, es wird ja irgendwann Wahlen geben, aber nicht so bald. Und in der Zwischenzeit werden die Sparmaßnahmen beschlossen werden – und dann wird man das Problem haben, sie wieder außer Kraft zu setzen. Und dann gibt es diesen Schiffbruch der italienischen kommunistischen Partei, die nun auch Monti unterstützen wird. Der scheidende Ministerpräsident Berlusconi sagte richtig, es müsse eine Wahl geben. Wer stimmte für eine technokratische Regierung? Niemand stimmte dafür. Die Menschen stimmten für politische Parteien, nicht für Technokraten, nicht für Mario Monti, den ehemaligen EU-, Eurogarchen-Kommissar. Das ist nicht akzeptabel, es ist Zeit für eine Wahl.
Und wer nun sagt: Die Märkte mögen das nicht! – Nun, dann ist das eben verdammt schlecht für die Märkte: Demokratie und „die Märkte“ dürfen nicht vermischt werden. Die Demokratie, demokratische Institutionen, repräsentative Regierungen usw. müssen die Forderungen der Parasiten, Haie, Schakale etc. der internationalen Spekulationscliquen überwinden. Auch die Griechen wären sehr gut beraten, zu den Sparmaßnahmen mit NEIN zu stimmen. Und die Italiener könnten gegen die Parteien stimmen, die Monti unterstützen, und für die Parteien, die wenigstens den Status Quo erhalten wollen, das wäre durchaus machbar.
Italien hat ja eigentlich einen positiven Haushalt, das heißt sogar einen Überschuss, wenn man die Zinsen für die 3 Billionen Dollar Schulden nicht zählt – was ein Fünftel der Schulden der USA darstellt, das steht also mehr oder weniger durchaus in einem Verhältnis dazu – und daher fügen sie zu der bestehenden Schuldenlast keine neuen Schulden hinzu, sind also mehr oder weniger stabil. Der Angriff auf Italien begann am 11. Juli und ist völlig aus der Luft gegriffen. Es gibt keinen Grund für die wirtschaftliche Zerstörung Italiens – auch nicht für die von Griechenland, aber im Falle Italiens wird es noch klarer – Griechenland braucht wahrscheinlich ein sofortiges Schuldenmoratorium, Italien könnte es bald benötigen. Aber im Moment bräuchten wir die folgenden Notmaßnahmen, die ich für alle diese Länder empfehle (in Portugal ist diese Woche wieder Debatte, die armen Iren humpeln des Weges, bei den Spaniern ist es nur eine Frage der Zeit, dass sie dazukommen): Also: wie sieht das Notprogramm aus?
Keine Bailouts, keine Bankenrettungen, kein EFSF, vergesst das, es ist unmöglich, hunderte von Billionen an verrotteten Derivateschulden zurückzuzahlen (s. dazu den Beitrag und die Grafik der verschiedenen in 2010 getätigten Finanzgeschäfte, Derivate etc. im Vergleich zum dem Wert aller auf der Welt produzierten Güter und Dienstleistungen (BIP); Anmerkung IH).
Selbst zum Beispiel das Wall Street Journal sagt, dass der Grund für die Krise im Moment in alten Derivaten besteht, noch nicht einmal in neuen Derivaten sondern in alten Derivaten, und insbesondere alte Credit Default Swaps. Alte Credit Default Swaps Derivate sind der Grund für das, was vor sich geht, sagt das Wall Street Journal von Montag, dem 7. Nov. 2011:
„Alte Schulden verfolgen Europas Banken“ steht da. Und: „Kreditnehmer langsamer als ihre US-Kollegen im Abwerfen riskanter Hypothekenbestände“.
Richtig, aber nochmal: die Bank of America ist voll davon. Weiter steht da:
„Europäische Banken sitzen auf Haufen von exotischen Hypotheken Produkten und anderen riskanten Beständen, die der Finanzkrise vorausgingen, und die zusätzlichen Druck auf Kreditgeber ausüben, die ebenfalls große Mengen an europäischen Staatsanleihen halten.“
Also: greift diese Derivate an!