von Stella Hagel
Eine Freundin fand einmal, als wir zusammen im Wald einen Spaziergang machten, einen sehr eindrucksvollen Stein. Zuhause drehte und wendete sie den Stein längere Zeit hin und her und verlangte plötzlich mit einem leisen Lächeln Farbstifte. Und dann holte sie aus dem Stein einen Zwerg heraus, den sie darin erkannt hatte. Ein weiser, ernster Zwerg mit schneeweißem Bart und großem Rucksack hatte sich in dem Stein verborgen, und nun war er zum Vorschein gekommen.
Jetzt ist er mein Steinzwerg, und er begleitet mich einmal in der Woche, wenn ich in die Gruppe meiner Allerkleinsten, gerade dreijährig Gewordenen gehe, um auch mit ihnen Eurythmie zu machen. Dort ist er mir eine große Hilfe. Er spricht mit den Kleinen und sie hören ihm andächtig zu. Ihm ist am Anfang immer kalt, da er ja ein Steinzwerg ist, und sie streicheln ihn voller Mitgefühl und helfen mir gerne, ihn zu erwärmen. Er hilft mir, zum Beispiel mit farbigen Tüchern die Stühlchen zu verhüllen, damit diese schlafen können und sich die Kinder während der Eurythmie nicht draufsetzen, und mich alleine Eurythmie machen lassen. Und er sitzt auch auf dem Tisch, schaut uns bei der Eurythmie mit seinem ernsten Blick zu und freut sich, wenn wir es besonders schön machen. Zum Schluss verabschieden sich die Kinder vom Steinzwerg, und der kleine Benn gibt mir über mehrere Wochen immer den Rat, mit dem Zwerg nach der Eurythmie spazieren zu gehen: „Frau Hagel, was machst Du denn jetzt mit dem Steinzwerg?“ fragt er mich und schaut mich dabei ernst und aufmerksam an, wartet aber eine Antwort nicht ab und bestimmt: „Du gehst jetzt am besten mal ein bisschen mit dem Steinzwerg spazieren!“
Auch meine Freundin (ebenfalls Kindergarteneurythmistin) hat einen Zwerg. Diesen hat ihr wiederum eine andere Freundin gestrickt. Sein Name ist „Hans Stoffelchen“. Hans Stoffelchen geht in mehreren Kindergartengruppen ein und aus und hilft dort mit, die Eurythmie zu gestalten, mit großem Erfolg. Auch er wird von den Kinder sehr geliebt.
Eines Tages will meine Freundin auf eine Reise gehen. Sie hat ihren Koffer bereits fertig gepackt und zugemacht, da läutet das Telefon. Eine Bekannte, deren vierjähriger Sohn bei ihr im Kindergarten besonders schön Eurythmie macht, ist am Apparat. „Mein Kleiner hat ein Anliegen, welches ihn sehr beschäftigt. Er möchte Dir dringend etwas sagen.“ Der kleine Mann am Telefon: „Wenn Du jetzt wegfährst, dann ist doch der Hans Stoffelchen ganz alleine zu Hause und hat gar keinen, der ihn versorgt. Da musst Du ihn doch auf Deine Reise mitnehmen, damit er nicht so alleine ist!“
„Und da ich es ihm versprochen hatte“, so erzählt die Freundin, „habe ich den Koffer wirklich noch einmal aufgemacht, und obwohl er schon so voll war, habe ich für den Hans Stoffelchen noch einen Platz frei gemacht und ihn tatsächlich auf meine Reise mitgenommen.“