von Ingo Hagel
Es wird im Moment sehr viel über Hasskommentare im Internet geschrieben. Die Politik und mit ihr verbundene Kräfte könnten versuchen, neu darüber zu entscheiden, was in der politischen Diskussion – vor allem im Internet – erlaubt ist, und was nicht. Sie wollen die günstige Gelegenheit nutzen, um am liebsten alles zu verbieten, was die bestehenden politischen Zustände und Entwicklungen kritisiert. Die Anderen wenden sich gegen jegliche Einschränkungen mit dem Argument, die „freie Meinungsäußerung“ sei in Gefahr.
Ich bin immer sehr erstaunt, wenn ich lese, was einige Leute an wenig rechtsstaatlichen Fantasien – um es milde auszudrücken – in sich herumtragen und herauslassen:
“Hure, Fotze, Volksverräterin….”, was der Bundeskanzlerin von Demonstranten angesichts ihre Besuchs in Heidenau entgegengeschleudert wurde, war Pöbelei auf schlichtestem Niveau.
Das ruft Reaktionen hervor:
Rainer Wendt, der Chef der Deutsche Polizeigewerkschaft fordert Führerscheinentzug
Was allerdings genau darunter zu verstehen ist sagt er nicht. Droht das Ende der Meinungsfreiheit im Internet?
Anmerkung IH: In dem Artikel gibt es eine nette Auflistung verschiedener Hasskommentare. Wer das Internet kennt, kann diese Beispiele beliebig erweitern.
Viel schlimmer sind allerdings die Beispiele in den Kommentarspalten verschiedener Homepages und Blogs im Internet, die mit Inhalten und Forderungen wie „Jagdmodus einschalten“ und „an der Laterne aufhängen“ und so weiter sich gegen Gegner der eigenen politischen Meinung wenden.
In Zeiten, wo das einzige Kommunikationsmittel über weitere Strecken hinweg der Brief oder das Telefon war, haben es solche Äußerungen kaum über den privaten Tellerrand von Familie, Kumpelgemeinschaft und Stammtisch hinaus geschafft. Aber wie gehen wir mit dieser Angelegenheit in den Zeiten des Internets um, in denen jede größere oder kleinere Laus, die jemandem über die Leber läuft, gleich unfiltriert in alle Welt geblasen wird, und die natürlich die entsprechenden Reaktionen bei anderen Lesern hervorruft?
Fallen alle diese Hasskommentare heute immer noch in die Rubrik „freie Meinungsäußerung“? Oder hat sich möglicherweise die geistig-seelische Signatur dieses Zeitalters so gewandelt – und wird sich immer weiter wandeln – dass diese „freie Meinungsäußerung“ – auch mit Blick auf die veränderten technischen Kommunikationsmöglichkeiten – ebenfalls einer Anpassung bedarf?
Das Seelengefüge der Menschen ist heute nicht mehr so fest in sich zusammenhängend wie es in früheren Zeiten war.
Wer seit längerer Zeit schon die Berichte über Straftaten verfolgt, könnte sich fragen, ob denn manche Personen heute als Mensch immer in sich anwesend sind. Nur ein Beispiel von vielen:
Vater steckte dreijährigen Sohn in die Waschmaschine
Während des Waschgangs surft der Vater im Internet, die Mutter puzzelt.
Ich lese auch von Tätern, die nach der Tat nichts von dieser wissen, diese Tat hinterher sogar bereuen, oder denen – im extremsten Falle – irgendeine Stimme eingegeben hat, was sie tun sollen.
Ganz offensichtlich droht die Menschlichkeit und der vollbewusste Besitz der Persönlichkeit – wenigstens zeitweise – verloren zu gehen, wenn die Menschen diese nicht aktiv in die Hand nehmen – und dazu gehört auch, dass man in jedem Momente seines Lebens weiß, was man sagt oder tut, und ob dieses in Inhalt und Form gerechtfertigt ist.
Die Hasskommentare sind nur ein kleiner Aspekt dieses Problems, dass manche Menschen zeitweise nicht mehr anwesend sind in sich, da sie ihr Ich – und damit ihre Menschlichkeit – für einen Moment oder länger verlieren. Hier gibt es die allerverschiedensten Schattierungen und Abstufungen.
Anpassung des Rechtslebens an die veränderten Seelenverfassungen der Menschen?
Könnte es nicht sein, dass in diesen Zeiten, in denen sich das Seelische des Menschen so tiefgreifend ändert, nicht auch die Umgangsformen in der Öffentlichkeit – das heißt auch in den Kommentarspalten des Internets – und damit natürlich auch die Gesetzgebung, dieser veränderten Seelenkonstitution der Menschen angepasst werden muss? Wir leben nicht mehr in frühen Epochen der Menschheitsentwicklung, sondern in einer Zeit, in der an das Bewusstsein und die Bewusstheit des sich selbst erfassenden menschlichen Geistes immer höhere und nicht immer niedrigere Anforderungen gestellt werden müssen. In diesen Zeiten könnten möglicherweise auch die alten rechtlichen Formen zum Beispiel der sogenannten „freien Meinungsäußerung“ einer Überarbeitung bedürfen.
Man könnte also sagen: Der Mensch muss seinen Gedanken einen fundierten, sachlich begründeten Inhalt und ebensolchen Ausdruck geben. Ein Recht, subjektive „Meinungen“, die die Unversehrtheit des anderen Menschen angreifen, in die Öffentlichkeit zu verteilen, gibt es nicht.
Allerdings muss die Politik, das Rechtsleben, auch der veränderten seelischen Konfiguration der Menschen Rechnung tragen
Die Menschen wollen heute politisch mittun, mitarbeiten. Und ein Rechtsleben (Politik), das nur von oben herab die Menschen herumschubst und dazu noch aus einer ebenfalls nicht mehr einer modernen Zeit angepassten und daher als dekadent zu bezeichnenden Seelenkonfiguration (ist das jetzt ein Hasskommentar?) sein politisches Geschäft verfolgt, passt ebenso wenig in die notwendige moderne Bewusstseinshaltung der heutigen Zeit wie die diversen Hasskommentare im Internet. Dieses Rechtsleben, dieses politische Leben, muss also in der heutigen Zeit so den Bedürfnissen der Menschen angepasst werden, dass diese an den politischen Entscheidungen innerhalb ihrer Rechtsgemeinschaft Anteil haben, und nicht nur Sklaven (Hasskommentar?) in einer hochkomplexen technisierten (Arbeits-) Welt zu sein, deren politisch-rechtliches Leben ohne Rücksicht auf die Menschen nur noch von wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesteuert wird. Und ich sehe keine andere Möglichkeit, in dieser Richtung auf einen grünen Zweig zu kommen, als dass man zum Beispiel diesen völlig veralteten Parlamentarismus (Hasskommentar? Noch dazu verfassungsfeindlich?) aufgibt und aus dem Volk heraus neue Rechtsgemeinschaften bildet, die bestimmen, was in dem Bereich ihrer Rechtsgemeinschaft für ein Recht herrscht.
Es ist ja bekannt, dass Altbundeskanzler Helmut Kohl selber zugab, bei der Abschaffung der D-Mark und der Einführung des Euro gegen den Willen des deutschen Volkes und wie ein Diktator gehandelt zu haben:
Helmut Kohl: Bei der Euro-Einführung war ich ein Diktator
Helmut Kohl räumt ein, bei der Einführung des Euro undemokratisch vorgegangen zu sein: Hätte es eine Volksabstimmung über den Euro gegeben, hätten zwei Drittel der Deutschen gegen den Euro gestimmt. Demokratie könne nur erfolgreich sein, wenn sich einer hinstellt und sagt: So ist das.
Oder:
Es könnte ja durchaus sein, dass in Deutschland die Menschen mehrheitlich (einfache Mehrheit? Zweidrittel Mehrheit?) der Auffassung sind, dass sie ein, zwei, fünf oder 50 Millionen Flüchtlinge aufnehmen wollen. Dann sollen sie das tun und sich darum kümmern. Es könnte aber auch sein, dass das ganz und gar nicht der Fall ist, und dann müsste sich das Rechtsleben in seiner Ausführung nach dieser Auffassung und dem Rechtsempfinden dieser Menschen richten.
Geschieht das nicht, wird auch der Druck von einfacheren Menschen gegen diese politische Unterdrückung immer schlimmere Formen – die als solche schlimme Formen selbstverständlich zu verurteilen sind – annehmen. Dies wird dann zur Folge haben, dass die politische Führungsklasse versuchen wird, alle Hasskommentare zu unterbinden.
Gegenüber „Bild“ fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) einen „Führerscheinentzug“ für die Urheber der Texte. Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sagte der Zeitung: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wer Hass-Kommentare und Propaganda postet, begeht eine Straftat. Mit Geldstrafen beeindruckt man die Täter meist nicht, deshalb wäre zum Beispiel der Führerscheinentzug das richtige Mittel. Die Bestrafung muss rasch erfolgen und wehtun.“
Ok, das, was Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) zu dem Abgeordneten Wolfgang Bosbach gesagt hat:
„Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen. Ich kann Deine Scheiße nicht mehr hören“,
geschah zwar nicht in sozialen Netzwerken, war aber sicher nicht minder von Hass geprägt. Bekäme Ronald Pofalla nun auch den Führerschein entzogen, wenn der Gesetzesvorschlag, den der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft machte, Wirklichkeit würde?
Nebenbei bemerkt bekam Ronald Pofalla jedoch keine Strafe, sondern wurde mit einem – sicher sehr viel besser bezahlten – Posten als Vorstand in der Deutschen Bahn belohnt.
Auf der Arbeit, in Versammlungen, in Besprechungen, selbst unter Kollegen und Freunden, kann sowas mal passieren. Nun gut, das ist schon schlimm genug. Man offenbart damit allerdings auch, wes Geistes Kind man ist. Pofalla sah sich genötigt, sich für diesen scheußlichen Ausspruch zu entschuldigen. Solche Aussetzer können also mal passieren, aber sie dürfen niemals der normale Ton in der politischen Debatte werden – und auch nicht im Internet. Solche Umgangsformen bedürfen wenigstens einer Entschuldigung. Und vielleicht sogar des Entzugs des Führerscheins….?
Was ansonsten im privaten Bereich dieser Republik läuft (E-Mails, Familiengespräche, Grillabend, gemeinsamer Sportabend vor dem Fernseher und so weiter) das bleibt davon natürlich ausgenommen. Soll jeder sich da verbal tummeln und ausdrücken, wie er will, solange er noch genügend Freunde hat und findet.
Und ansonsten bleibt es ja ein – künstlerischer – Genuss, wie Emma Stone hier in „Birdman“ ihrem Vater mal die Meinung geigt:
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Wenn Jemand behauptet: zwei mal zwei ist fünf, und ein Anderer wendet sich dagegen und sagt, das ist falsch, dann empfinden das viele Leute heute bereits als „Meinungsdiktatur“ und „faschistisch“.
Und von denen arbeiten viele in Bereichen und Organisationen, die sich als menschenfreundlich, weltoffen, modern, vorurteilslos und so weiter und so fort geben. Dies ist natürlich nur ein sehr einfaches Beispiel, aber doch angemessen, um viele Verhältnisse im heutigen kulturellen Leben und in der politischen Diskussion zu verdeutlichen.
Ein anderes Beispiel: Gerade erreichte mich eine E-Mail von Campact beziehungsweise von deren „Campaignerin“ Katharina Nocun. Diese macht sich Sorgen, dass in Deutschland angesichts der enormen Flüchtlingsströme –
die meines Erachtens völlig maßlos und überbordend sind und daher selbst von unserer unfähigen Bundesregierung als überzogen angesehen und herunterreguliert werden könnten –
die Stimmung von Regierung und Bevölkerung sich gegen diese massive Einwanderung wenden könnte. Katharina Nocun startet daher folgenden Aufruf (Hervorhebung IH):
Also schicken wir zehntausenden Campact-Aktiven im ganzen Land ein Willkommens-Paket, in dem sich farbenfrohe Plakate und Aufkleber befinden. Darauf steht: „Refugees Welcome“ – Flüchtlinge willkommen. Jedes Willkommens-Paket enthält mehrere Aufkleber und ein großes Plakat mit dem Motiv. Wenn die Aufkleber dann überall im Land an den Briefkästen und die Plakate an den Türen hängen, heißt das: Bei uns ist kein Platz für Hass.
Frau Nocun – sowie viele Andere, die so argumentieren wie sie – gehört zu den Leuten, die gedanklich nicht differenzieren können zwischen „Hass“ und einer von der eigenen politischen Auffassung unterschiedlichen Meinung – zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik – die, anders als Hass, durchaus berechtigt ist. Nicht umsonst gibt es ja in der Politik eine Opposition. Frau Nocun verhält sich ausgesprochen undemokratisch, indem sie sagt:
Bei uns ist kein Platz für Hass.
Was möchten Sie mit Menschen mit einer anderen politischen Auffassung machen, wenn für diese „kein Platz“ da ist? Deportieren? In Internierungslager stecken? Umerziehen? In Amerika ist das alles bereits in Planung, und „unsere lieben Freunde auf der anderen Seite des großen Teiches“ fordern die Politiker hier in Deutschland und Europa dazu auf, es ihnen gleich zu tun, das heißt die deutschen und europäischen Gesetze entsprechend anzupassen. Siehe dazu auch hier:
Christoph Hörstel: USA planen generalstabsmäßig Massenunterdrückung!
Auf der anderen Seite muss heute immer mehr darum gekämpft werden, seinen Erlebnissen auf geistigem Gebiet Ausdruck verleihen zu dürfen
Es geht in der heutigen Zeit um die Wahrheit, um das Erleben dessen, was Wahrheit ist, und um die Möglichkeit, diese Erlebnisse ausdrücken und mitteilen zu dürfen. Um diese Wahrheit wird ein scharfer geistiger Kampf zum Beispiel zwischen denen entbrennen, die die Realität von Gedanken erfassen können und denen, die nur Worte zusammensetzen und aneinanderreihen können – und daraus Politik machen.
Der Ausdruck „freie Meinungsäußerung“ wird für dieses Gebiet menschlicher geistiger Kultur auch immer mehr etwas Unangemessenes werden, denn es wird immer weniger um „Meinungen“ sondern um das Erfassen geistiger Zusammenhänge im weitesten Sinne gehen.
Und das wird die einen aufbringen, weil es ihnen den – rein naturwissenschaftlich-materialistisch fundierten – weltanschaulichen Boden unter den Füßen wegziehen wird, und die anderen, weil sie ihre machtpolitischen Felle davonschwimmen sehen.
Die Menschen werden die Undifferenziertheit und mangelnde Entwicklung ihres Gedankenlebens zu überwinden haben. Und immer mehr wird man unterscheiden müssen zwischen einem Kampf, der auf geistigem Gebiet stattfindet –
und dort rechtmäßig ist und unbedingt stattfinden muss, wenn nicht alle menschliche Kultur und geistiges Leben ausgelöscht werden soll –
und einem Kampf, der sich gegen den anderen Menschen richtet, und der verhindert werden muss.
Es geht in der Zukunft um die Unterscheidung zwischen dem politisch-rechtlichen Leben einer sozialen Gemeinschaft und dem Leben auf geistigem Gebiet, dem freien Geistesleben
Wie gesagt, Überlegungen zu möglichen Anpassungen der Gesetze mit Blick auf diese Hasskommentare erfolgen –
aufgrund der veränderten Bewusstseinsverhältnisse dieser Zeit sowie der veränderten Kommunikationsmöglichkeiten –
sicher mit einem gewissen Recht, aber auch dieses „gewisse Recht“ wandelt dann in dem Mantel der Lüge, wenn es dazu benutzt werden wird, um auch die übrigen Ausführungen im Kampf um die Wahrheit zu unterdrücken. Die Politik denkt nicht daran, die Grundlagen für ein neues Rechts- und politisches Leben zu bilden, das heißt sich selber als Rechtsleben den Bedürfnissen einer neuen Zeit und eines neuen Bewusstseins der Menschen entsprechend zu wandeln. Und daher ahnt man schon, was in der Zukunft auf uns zukommen wird, wenn nicht das menschliche und das politisch-rechtliche Leben sich in der Weise ändern wird, wie ich es in diesen wenigen Zeilen versucht habe anzusprechen.
Auf dem rechtlichen Gebiet (Verhältnis des einen Menschen zum anderen Menschen, = Politik) wird man immer Kompromisse machen müssen. Das bringt das politische Leben so mit sich. Auf dem Gebiet des geistigen Lebens wird man allerdings niemals Kompromisse machen können. Niemals wird man sich über einen Kompromiss darüber einigen können, dass eventuell die Winkelsumme im Dreieck nicht 180° sondern vielleicht 175° Grad betragen könnte. Und wenn jemand auf diesem Gebiet anderer „Meinung“ ist, dann wird man einfach sagen müssen: Du bist noch nicht so weit, dass Du die innere Gesetzmäßigkeit dieser Angelegenheit in Dir nachvollziehen kannst. Dann wird man einfach warten müssen, bis jemand diesen reiferen Zustand erlangt.
Anders ist es auf politisch-rechtlichen Gebiet: Dort kann es durchaus sein, dass eine Überzeugung, das Rechtsempfinden der Menschen, von gestern morgen ganz plötzlich völlig anders aussieht. Nun gut, dann wird man dort eben morgen die Gesetze, die das menschliche Zusammenleben auf rechtlichem Gebiet regeln, ändern.
Hasskommentare beziehungsweise Auseinandersetzungen, die im Hass geführt werden, sind allerdings auf beiden Gebieten nicht angebracht.
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