Rudolf Steiner zu den Bestrebungen bestimmter Gruppierungen, eine solche gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten, von der die Menschheit glaubt, sie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts überwunden zu haben

 

Aus Nr. 178 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, S. 232:

Sie werden sehen, wie viele Dinge sich Ihnen aufklären, wenn Sie sie mit dem Lichte betrachten, das Ihnen von solchen Ideen kommen kann. Denn wirklich, in unserer Zeit handelt es sich nicht darum, dass die Kräfte und die Kräftekonstellationen einander gegenüberstehen, von denen man im äußeren exoterischen Leben immer wieder spricht, sondern es handelt sich um ganz andere Dinge. Es handelt sich darum, dass in der Tat gegenwärtig eine Art Schleier gebreitet werden soll über die wahren Impulse, um die es sich handelt. Es sind ja durchaus gewisse Menschenkräfte daran, für sich etwas zu retten. Was denn zu retten?  Gewisse Menschenkräfte sind daran, die Impulse, die bis zur Französischen Revolution berechtigte Impulse waren und von gewissen okkulten Schulen auch vertreten worden sind, jetzt in ahrimanisch-luziferischer Zurückhaltung zu vertreten; sie so zu vertreten, um eine solche gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten, wie die Menschheit glaubt, sie überwunden zu haben seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. 

Hauptsächlich stehen die zwei Mächte einander gegenüber: die Vertreter des Prinzips, das mit dem Ende des 18.Jahrhunderts überwunden war, und die Vertreter der neuen Zeit. Instinktiv sind selbstverständlich eine große Anzahl von Menschen Vertreter der Impulse der neuen Zeit. Daher müssen diejenigen, die Vertreter der alten Impulse, noch des 18., 17., 16. Jahrhunderts sein sollen, durch künstliche Mittel eingespannt werden in die Kräfte, die von gewissen gruppenegoistisch wirkenden Brüderschaften ausgehen. Das wirksamste Prinzip in der neueren Zeit, um die Macht auszudehnen über so viel Menschen als man braucht, ist das wirtschaftliche Prinzip, das Prinzip der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Aber diese ist nur das Werkzeug. Um was es sich handelt, das ist etwas ganz anderes. Um was es sich handelt, das ist eben, was Sie entnehmen können aus all den Andeutungen, die ich gemacht habe. Das wirtschaftliche Prinzip ist mit alldem verbunden, um eine große Anzahl von Menschen über die Erde hin gewissermaßen zum Heer für diese Prinzipien zu machen.   

Das sind die Dinge, die einander gegenüberstehen. Da wird hingewiesen auf das, was eigentlich gegenwärtig in der Welt kämpft: im Westen verankertes Prinzip des 18., 17., 16. Jahrhunderts, welches sich dadurch unbemerkbar macht, dass es sich gerade umkleidet mit den Phrasen der Revolution, mit den Phrasen der Demokratie, das diese Maske annimmt und die Bestrebung hat, auf diesem Wege möglichst viel Macht zu erlangen. Günstig ist für diese Bestrebungen, wenn möglichst viele Menschen nicht darnach trachten, die Dinge anzusehen, wie sie sind, und sich auf diesem Gebiete immer wieder und wieder von der Maja einlullen zu lassen, von jener Maja, welche man etwa mit den Worten aussprechen kann, es gäbe heute einen Krieg zwischen der Entente und den Mittelmächten. 

Den gibt es ja gar nicht in Wirklichkeit, sondern um ganz andere Dinge handelt es sich, die hinter dieser Maja stehen als die wahren Wirklichkeiten. Das letztere, Kampf der Entente mit den Mittelmächten, ist ja nur die Maja, ist ja nur die Illusion. Dasjenige, was im Kampfe miteinander steht, darauf kommt man, wenn man hinter die Dinge blickt, aber sie sich in einer solchen Weise beleuchtet, wie ich es eben aus gewissen Gründen nur andeute. Man muss wenigstens für sich darnach trachten, nicht Illusionen für Wirklichkeiten zu nehmen: dann wird schon nach und nach die Illusion, sofern sie aufgelöst werden muss, aufgelöst werden. Man muss vor allen Dingen heute sich bestreben, die Dinge so anzusehen, wie sie dem unbefangenen wirklichen Sinn sich darstellen. 

Nehmen Sie all das zusammen, was ich so entwickelt habe, dann wird Ihnen selbst eine nebensächliche Bemerkung, die ich im Verlauf dieser Vorträge gemacht habe, nicht als nebensächlich erscheinen. Wenn ich einmal gesagt habe, eine gewisse Bemerkung, die der Mephistopheles dem Faust gegenüber macht: «Ich sehe, dass du den Teufel kennst», die würde er dem Woodrow Wilson gegenüber sicher nicht machen -, so ist das keine nebensächliche Bemerkung; das ist etwas, was schon die Situation erhellen soll! Diese Dinge muss man wirklich ohne Sympathie und Antipathie betrachten, muss sie objektiv betrachten können. Man muss vor allen Dingen heute nachdenken können, was Konstellationen bedeuten bei irgend etwas, das wirkt, und was Eigenkraft bedeutet; denn hinter dieser Eigenkraft liegt oftmals etwas ganz anderes, als was hinter der bloßen Konstellation liegt. Nehmen Sie einmal ganz unbefangen das Problem auf, wieviel das Gehirn Woodrow Wilsons wert wäre, wenn dieses Gehirn nicht auf dem Präsidentenstuhl der nordamerikanischen Union säße? Nehmen Sie einmal an, dieses Gehirn wäre in einer andern Konstellation drinnen: da würde es seine Eigenkraft zeigen! Auf die Konstellation kommt es an. 

Es gibt durchaus, wenn ich es jetzt abstrakt und radikal sagen soll, selbstverständlich nicht etwa, um den eben angeführten Fall zu charakterisieren – das würde mir in einem so neutralen Lande nicht einfallen, aber unabhängig davon gibt es durchaus eine sehr wichtige Einsicht -, wenn man sich bei einem Gehirn zum Beispiel die Frage vorlegt, ob es dadurch etwas wert wird, weil es wirklich von einer besonderen spirituellen Seelenkraft erleuchtet und zu wirken veranlasst wird, ob es dadurch ein spirituelles Gewicht hat in dem Sinne, wie ich von spirituellem Gewicht in diesen Betrachtungen gesprochen habe, oder ob dieses Gehirn eigentlich nicht viel mehr wert ist, als was herauskommen würde, wenn man es auf die eine Waagschale legte und auf die andere Seite Gewichte. 

Denn in dem Augenblick, wo man hinter alle Geheimnisse des Ihnen das letzte Mal angeführten Doppelgängers dringt, kommt man eben gerade in die Lage – ich rede nichts Unreales -, Gehirne zu dem Wert zu bringen, den sie nur haben als Masse auf die Waage gelegt, weil man imstande ist, wenn sie belebt werden sollen, sie bloß durch den Doppelgänger beleben zu lassen. 

Alle diese Dinge sind für den heutigen Menschen grotesk. Aber dasjenige, was an ihnen grotesk ist, muss als etwas Selbstverständliches unter die Menschen kommen, wenn gewisse Dinge aus einem unheilsamen in einen heilsamen Strom einmünden sollen. Und was nützt es, wenn man darüber immer nur herumredet! Sie müssen schon eine Vorstellung davon bekommen, dass es mit dem Wischiwaschi reden über «kosmische Religiosität», oder davon «wie stark das Verlangen nach ihr ist», oder «von der Bewegung, die jenes hintersinnlichen Lebens Kreisläufe zu entdecken und zu entschleiern unternimmt» und so weiter, dass bei diesem Herumreden es sich auch nur darum handelt, Nebel zu verbreiten über Dinge, die nur in Klarheit in die Welt hereinkommen müssten, die nur in Klarheit wirken können, und vor allem nur in Klarheit als praktische, sittlich-ethische Impulse in die Menschheit hineingetragen werden dürften.  

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