Eurythmietag

 

 

von Stella Hagel

 

Meine griechische Namenschwester Stella (fünf Jahre) ist Griechin. Nachdem sie in ihrem vierten Lebensjahr mehr nach ihrer eigenen Regie in der Kindergarteneurythmie mitgewirkt hat, macht sie in ihrem fünften Lebensjahr schön mit. Vorher versammelte sie gern ein Grüppchen kleiner Damen um sich herum, um mit ihnen ihr eigenes Süppchen zu kochen. Oder sie versuchte, mir irgendwie das Heft aus der Hand zu nehmen. Wenn ich zum Beispiel sagte: „Jetzt kommen die Zwerge mit winzigen Schrittchen vom Berge herab“, hatte sie einen besseren Vorschlag: „Oder, Frau Hagel, wir könnten auch alle zusammen ein Spiel spielen, und ich zeig’ Euch gleich, wie das geht.“ Ich: „Nein, nein, nein, meine Liebe, jetzt machen wir erst das, was ich gesagt habe, und wenn wir das schön gemacht haben, dann machen wir Dein Spielchen auch noch.“ So handelten wir immer mal wieder miteinander. 

Eines Tages haben die Kinder gar keine Lust auf Eurythmie. Sie machen es mir ziemlich schwer und ich stöhne innerlich. Stella als einzige scheint einen guten Tag zu haben. Sie quiekt in einer hohen Tonlage begeistert in die unlustige Kinderschar: „Oh, ich liebe Eurythmie!“ Und siehe da, Stella hat die Kinder mit ihrer guten Laune angesteckt. Aus allen Richtungen tönt es nun: „Ich auch! Ich auch! Und ich auch!“ 

Auch Tonio hat es einmal geschafft, die Eurythmie zu retten. Die Kinder schrieen, für mich nicht sehr erhebend: „Ihh, Eurythmie! Ihh, Eurythmie!“ Und wollten gar nicht mehr damit aufhören. In einer kurzen Verschnaufpause sagte Tonio obenhin: „Ach, ich mach’ ganz gern Eurythmie.” da schlug die Stimmung sofort um, und aus verschiedenen kleinen Mündern tönte es: „Ich auch! Ich auch!“ 

Wie ich in den Kindergarten komme, höre ich, wie sich ein paar Kinder im ersten Stock unterhalten: „Was ist denn heute für ein Tag?“ Ein anderes antwortet: „Heute ist Eurythmietag.“ Gespannt lausche ich. Was wird nun kommen? Ich erkenne Tonios Stimme: „Eurythmie! – Na, das geht ja noch.“ 

Eines Tages hat Stella keine Lust, Eurythmie zu machen. Sie möchte mir das aber nicht so direkt sagen und meint, als ich die Kinder begrüße, zutraulich und um Verständnis bittend: „Du, Frau Hagel, der Sabine geht’s heute nicht so besonders gut. Soll’n wir da lieber mal keine Eurythmie machen?“