Engel oder Bengel? 

 

von Stella Hagel

 

Die Mutter spielt den Engel im Oberuferer Paradeisspiel. Sie spielt ihn wunderbar, und sie hat auch etwas Engelhaftes in ihrem Wesen, darüber sind sich ihre Kinder immer einig. Allerdings ist sie ein gradliniger, sehr direkter Engel von manchmal köstlicher Berliner Art. Auf dem großen singenden Umgang der Kumpanei, der vom Engel angeführt wird, und auf dem man beim Gang durchs Publikum besonders gut seine strahlende Stimme hören kann, wird von diesem hehren Wesen das Söhnchen entdeckt, wie es auf einem Mauervorsprung hockt und hingebungsvoll seinen Mutterengel bewundert. Und dieses engelhafte Wesen sticht plötzlich der Hafer, und es blitzt ihm verwegen durch den engelhaften Kopf: „Ich zwick das Söhnchen schnell mal ins Ärscherl.“ Das tut er dann auch mit diebischer Freude, wie er an ihm vorbeischwebt und weidet sich an seinen schreckgeweiteten Augen. Volker ist entsetzt, empört, amüsiert und voller Bewunderung zugleich: „Wisst Ihr, was die sich getraut hat?“, erzählt er abends seinen Schwestern: „Die hat mich als Engel in den Popo gezwickt.“