aus GA 23 der Rudolf Steiner Gesamtausgabe:
S. 9
Diese Schrift muss die heute wenig beliebte Aufgabe übernehmen, zu zeigen, dass die Verworrenheit unseres öffentlichen Lebens von der Abhängigkeit des Geisteslebens vom Staate und der Wirtschaft herrührt. Und sie muss zeigen, dass die Befreiung des Geisteslebens aus dieser Abhängigkeit den einen Teil der so brennenden sozialen Frage bildet.
Anmerkung IH: Das heißt aber nichts anderes, als dass auch die „brennende soziale Frage“ nicht eher gelöst werden wird, als dass das Geistesleben aus der Abhängigkeit von Staat und Wirtschaft befreit sein wird. Es werden also nicht zuerst irgendwelche sozialen Misslichkeiten und Einzelheiten –
ungleich verteilter Wohlstand, ungerechte Löhne, ein völlig absurdes Geld-, Finanz- und Wirtschaftssystem und so weiter und sonstige „Verworrenheiten unseres öffentlichen Lebens“ –
reguliert werden, wenn nicht zu allererst ein freies Geistesleben realisiert worden ist. Dazu ist allerdings notwendig, dass Schule, Ausbildung usw. aus den Händen des Staates herausgelöst werden und in die eigene souveräne Selbstverwaltung gestellt werden:
S. 10:
Innerhalb des Staatsgefüges ist das Geistesleben zur Freiheit herangewachsen; es kann in dieser Freiheit nicht richtig leben, wenn ihm nicht die volle Selbstverwaltung gegeben wird. Das Geistesleben fordert durch das Wesen, das es angenommen hat, dass es ein völlig selbständiges Glied des sozialen Organismus bilde. Das Erziehungs- und Unterrichtswesen, aus dem ja doch alles geistige Leben herauswächst, muss in die Verwaltung derer gestellt werden, die erziehen und unterrichten. In diese Verwaltung soll nichts hineinreden oder hineinregieren, was im Staate oder in der Wirtschaft tätig ist.
…
Man will sich nicht leicht zu einer Einsicht bequemen, die auf diesem Gebiete heute unbedingt notwendig ist. Es ist die, dass in der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit in einer späteren Zeit zum Irrtum werden kann, was in einer früheren richtig ist. Es war für das Heraufkommen der neuzeitlichen Menschheitsverhältnisse notwendig, dass das Erziehungswesen und damit das Öffentliche Geistesleben den Kreisen, die es im Mittelalter innehatten, abgenommen und dem Staate überantwortet wurde. Die weitere Beibehaltung dieses Zustandes ist aber ein schwerer sozialer Irrtum.
…
S. 11:
Es liegt in der Richtung des in dieser Schrift Dargestellten, dass auch die Einrichtungen und der Unterrichtsinhalt derjenigen Anstalten, die dem Staate oder dem Wirtschaftsleben dienen, von den Verwaltern des freien Geisteslebens besorgt werden. Juristenschulen, Handelsschulen, landwirtschaftliche und industrielle Unterrichtsanstalten werden ihre Gestaltung aus dem freien Geistesleben heraus erhalten.
…
S. 13:
Der Staat richtet juristische Lehranstalten ein. Er verlangt von ihnen, dass derjenige Inhalt einer Jurisprudenz gelehrt werde, den er, nach seinen Gesichtspunkten, in seiner Verfassung und Verwaltung niedergelegt hat. Anstalten, die ganz aus einem freien Geistesleben hervorgegangen sind, werden den Inhalt der Jurisprudenz aus diesem Geistesleben selbst schöpfen. Der Staat wird zu warten haben auf dasjenige, was ihm von diesem freien Geistesleben aus überantwortet wird. Er wird befruchtet werden von den lebendigen Ideen, die nur aus einem solchen Geistesleben erstehen können.
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