von Stella Hagel
Meine Schwester will einkaufen gehen. Ihre Buben spielen im Sandkasten, und sie denkt, diese werden dort auch weiterhin friedlich für eine Weile bleiben. Sie verschwindet ungesehen durch die vordere Türe. Kaum ist die Mutter zur vorderen Tür hinaus, steigen ihre beiden Buben beide gleichzeitig wie von magischer Hand gezogen aus dem Sandkasten und trotten im Gänsemarsch, der Kleine hinter dem Größeren her, in ihren weiten Matschhosen auf die hintere Tür zu. So ein verflixtes Pech, denke ich, während ich beobachte, wie die Schwierigkeiten auf mich zu rollen. Mutter vorne raus, Kinder hinten rein. Sie haben ein feines Gespür, besonders, wenn sie gerade nicht erwünscht sind. Kieran, als hätte er den Braten bereits gerochen, ist bereits gereizt, als er zur Türe herein kommt: „Where is my mummy?“, verlangt er in alarmiertem, schrillem Ton zu wissen. Ich versuche ihn zu besänftigen und abzulenken, was ihn nur ungemein erbost. „I want my mummy!“ Wütend schaut er mich an. “Is my mummy in the shop?” Da hat er sofort Lunte gerochen. Ich will ihn nicht belügen und übergehe seine Frage. Doch da ist für ihn die Sache erst recht klar, und er lässt seinen ganzen Frust und Zorn vehement an mir aus. Schmeißt mit seine Mütze vor die Füße und ein Riesengezeter entfaltet sich in der Stube, weil er nicht mit in den Shop durfte.
Still, mich mit bekümmertem aber auch deutlich anklagendem Blick beäugend, steht Klein-Ossian an der Wand und wartet den Anfall seines Bruders ab. Sein Blick scheint mir sagen zu wollen: „Was bist Du denn für eine. Schau, was Du angerichtet hast!“
Plötzlich ist Kierans Anfall vorüber, und ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, marschieren die beiden einträchtig im Gänsemarsch wieder in Richtung Sandkasten.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich sogar ein bisschen geweint habe, als meine Schwester wiederkam. Es kam nicht oft vor, dass ich mir die Wutanfälle der Kinder so zu Herzen nahm, aber an diesem Tag war es mir zu viel, da ich erst zwei Tage in Schottland weilte und noch nicht richtig akklimatisiert und daher wohl etwas empfindlich war. Prompt kommt Kieran zur Tür herein, strahlt, als wäre ein neuer Tag angebrochen und zwischen ihm und mir nie eine dunkle Wolke aufgetaucht: „Mummy, why has she tears? (Mami, warum hat sie Tränen?)“ verlangt er zu wissen, als er meine Tränen entdeckt. „You haven’t been very nice to her“ antwortet meine Schwester. Jetzt ist Kieran aber ganz verwundert und kann’s nicht fassen: “What did I do to her, Mummy?“ fragt er äußert interessiert. „Mummy, mummy, tell me please, what did I do to her?“