von Stella Hagel
Ein hilfreicher Geist
Ich kann Anton, sechsjährig, dunkellockig, dunkeläugig und äußerst lebendig und klug im Kopf, in der Eurythmie kaum mehr bändigen. Er plappert, pfeift, pustet und zappelt in einem fort. Das Leben sprüht ihm aus allen Poren. Das Kerlchen ist so köstlich und charmant, wie soll ich da noch Eurythmie machen?
Eines Tages hat Anton ein großes Gespenst gemalt und ausgeschnitten. Er wedelt mit ihm, als ich in seine Kindergruppe komme. „Frau Hagel, schau mal, ich habe hier ein Gespenst, das gerne mit uns Eurythmie machen möchte.“ Einschmeichelnd schaut er mich an. „Bitte, bitte, darf es mitmachen?“ Er setzt seinen ganzen Charme ein. „Na ja, Anton“, überlege ich laut, „normalerweise sitzen Puppen, Bären und Hasen in der Eurythmie ja meistens auf einem Stuhl und schauen zu. Aber ein Papiergespenst bleibt schlecht auf einem Stuhl sitzen. Wenn Du dem Gespenst wirklich zeigen willst, wie schön Du Eurythmie machen kannst, dann können wir es ja mal versuchen, dass Du es in einer Hand hältst und mit ihm Eurythmie machst.“ Damit ist Anton einverstanden. Die Kinder nehmen das Gespenst vorsichtig an dessen Papierhänden, und wir ziehen Hand in Hand in den Eurythmiesaal ein. Nun bin ich gespannt, wie Anton mit seinem Gespenst umgehen wird. Und, oh Wunder, er hält es die ganz Zeit in der einen Hand, und es wedelt fröhlich eurythmisierend vor sich hin. Ich staune wie wunderschön Anton mit dem Gespenst zusammen Eurythmie macht. Das Allerbeste ist, dass sein ewig plappernder Mund wirklich die ganze Zeit fest zu bleibt und auch kein einziges Nebengeräusch produziert. Auch die nächsten Eurythmiestunden hat Anton prima mitgemacht. Er hat sich mit seinem Gespenst selbst aus der Unruhe herausgeholfen.
So ein Stress
Sebastian ist in die erste Klasse gekommen, kommt aber mit der Schule schwer zurecht. Als ich bei ihm zu Hause zu Besuch bin, empört er sich: „ Weißt Du was? Ich muss um sechs Uhr fünfzehn aufstehen.“ Er hätte es lieber etwas ruhiger und fühlt sich von dem Schulstress abgestoßen. Nochmals erhebt er sein entrüstetes Stimmchen nachdrücklich: „Goethe musste auch nicht in die Schule gehen!“