von Ingo Hagel
Deutsche Post schafft sich eigenen Niedriglohn-Sektor
Die Post will Tausende Jobs mit niedrigen Löhnen schaffen. Bis zu 20.000 neue Stellen sollen künftig nicht mehr nach Haustarif bezahlt werden. Ähnlich wie Amazon, strebt die Deutsche Post für den neuen Billiglohnsektor Tarife der Logistik-Branche an.
„Der für das Brief- und Paketgeschäft zuständige Vorstand Jürgen Gerdes“ will „auf die Kostenbremse treten“. Na, das ist doch klar wie Kloßbrühe und versteht doch jeder. Gerdes hatte immer wieder beklagt, die Personalkosten seien im Durchschnitt doppelt so hoch wie die der Wettbewerber:
„Die Paketzustellung ist auf Dauer nicht innerhalb der existierenden Tarifverträge machbar, der Wettbewerbsnachteil ist nicht tragbar”, sagte er.
Dass die Misere vielleicht an den „Tarifverträgen“ und dem ganzen damit zusammenhängenden Unsinn unserer sogenannten „freien Marktwirtschaft“ liegt, darauf kommt natürlich keiner. Warum schafft man nicht rechtliche Verhältnisse, die auch den „Wettbewerbern“ in diesem „boomenden Paketgeschäft“ die Ausbeutung und menschenunwürdige Löhne verbietet? Hier ist der Rechtsstaat, die Politik gefragt. Diese macht aber mit der Wirtschaft gemeinsame Sache. So geht die Lohnspirale immer weiter nach unten. Für diese rechtliche Neuordnung brauchen wir jedoch keine neuen Parteien – wer das glaubt, der träumt oder er hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden – sondern die Trennung von Politik und Wirtschaftsleben, und sachliche, themenbezogene Arbeitsgruppen aus der Zivilgesellschaft (dem Volk) heraus im Sinne der Sozialen Dreigliederung. Wenn die Menschen das nicht einsehen, werden sie im Sinne der obigen Meldung immer weiter von diesem Krebsgeschwür einer ungehemmt wuchernden und alles vernichtenden Wirtschaft zerrieben werden – auch die Politik, das heißt der „Rechtsstaat“, der ja immer weniger einer ist.
Dem Kunden im dritten Stock, der das Päckchen vom schwitzenden Postboten – mit oder ohne Migrationshintergrund – in Empfang nimmt, mag das alles egal sein. Er wird vielleicht sogar an einer menschenwürdigen Bezahlung der Paketzusteller gar nicht interessiert sein, denn „dann wird es ja noch teurer…..“ Ja, vielleicht, so lange bei der Post (und allen anderen ähnlichen Unternehmen) der Verdienst so ungleich verteilt ist:
Vor kurzem ging Deutsche-Post-Chef Frank Appel schon mit 55 Jahren in Rente und konnte die vollen Pensionsleistungen in Anspruch nehmen. “Der Barwert seiner Rentenzusage liegt derzeit bei 7,2 Millionen Euro.”
Möglicherweise würden die Kunden im Falle eines kostendeckenden Preises für die Zustellung auch nur noch diejenigen Produkte übers Internet bestellen und sich zur Wohnungstür bringen lassen, das sie wirklich so schätzen, dass sie gerne diesen höheren Preis bezahlen.
Ja, aber dann geht die Zahl der Aufträge zurück – jammert die Post und die übrige Wirtschaft, die ähnliche Ausbeuter-Deals am Laufen haben oder einfädeln. Aber wäre das so schlimm? Lasst sie zurückgehen. Denn was nützt es der menschlichen Gesellschaft, wenn es nur dann Arbeit gibt, wenn diese nicht menschenwürdig bezahlt wird – wenn es nur eine unmenschliche Lohnentwicklung gibt? Denn Arbeit darf keine Ware mehr sein, die am Spot-Markt zum Preis des billigsten Anbieters verhökert werden muss, sondern Arbeit und ihre Bezahlung muss die Grundlage für eine lebenswerte Perspektive des menschliche Daseins darstellen. Das wäre doch auch ein lohnenswertes Motiv für eine Protest-Bewegung.
Der Kunde muss wissen, dass er mit seiner Gleichgültigkeit gegenüber diesen Verhältnissen teilnimmt an diesem mörderischen Lohnsystem – und an dieser unwürdigen „Sozialgemeinschaft“. Und dass er irgendwann der nächste sein wird, wenn dieses gedankenlose Sozialsystem mit Niedriglöhnern sowie lohndrückender Leiharbeit und Werkverträgen, das gerne „westliche Werte“ genannt wird, so weiter geht.
Die „20.000 neue Stellen“, die die Deutsche Post den nächsten Jahren schaffen will, könnten – zusammen mit dem Viertel der deutschen Angestellten, die in Niedriglohnverhältnissen schuften und damit knapp oberhalb oder unter der Armutsgrenze – schon die Teilnehmer einer eigenen Protest-Bewegung stellen. Aber wofür? Zum Beispiel dafür, dass im Sinne eines Teilungsvertrages alle Mitarbeiter in einer Firma gemeinsam über die Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Erlöses verhandeln.
Natürlich gehen diese ausbeuterischen Verhältnisse – die unser „gutes Leben“ und unseren „Wohlstand“ begründen – im Ausland weiter:
FASHION SWEATSHOPS – VORHOF ZUR HÖLLE
Diese Serie “Sweatshop: Dead Cheap Fashion” (Tödlich billige Mode) besteht aus vier Episoden, jede von 10-12 Min., die anzusehen sich lohnt. Sie begleitet die Reaktion von drei jungen norwegischen Mode-Bloggern auf ihrem Weg nach Kambodscha, um sich anzusehen, wer die Kleider macht, die sie so gerne kaufen und diskutieren.
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